Kulturpolitik:Kulturverbände: Antisemitismus-Klausel kontraproduktiv

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Joe Chialo (CDU), Berlins Kultursenator, spricht im dpa-Interview. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

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Berlin (dpa) - Die von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) angekündigte Antisemitismus-Klausel bei Fördermitteln könnte sich aus Sicht von im Rat der Künste zusammengeschlossenen Kulturverbänden kontraproduktiv im Kampf gegen Diskriminierung auswirken.

„Wir begrüßen Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus sowie Maßnahmen gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus“, schrieben Koalition der Freien Szene, Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin, der Landesverband freie darstellende Künste, die Initiative Neue Musik und das Festiwelt-Netzwerk Berliner Filmfestivals in einem am Montag veröffentlichten Appell.

Nach ersten juristischen Einschätzungen verfehle die aktuelle Form der Antidiskriminierungsklausel aber die angestrebten Ziele. „Sie kollidiert mit dem Grundgesetz und bringt eine mannigfaltige Rechtsunsicherheit, zweifelhafte Praktikabilität und die Gefahr der Diskriminierung mit sich.“ Mit der Klausel werde „ein gefährlicher Präzedenzfall der Gesinnungsprüfung von Einzelpersonen geschaffen, die womöglich eine auf Dauer angelegte Überprüfungspflicht nach sich zieht“, so die Verbände.

Kritisiert wird der geplante Bezug auf eine Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die „nie für eine rechtsverbindliche Verwendung in der Behördenpraxis bestimmt“ gewesen sei. Aus der Eingrenzung auf die Definition ergeben sich aus Sicht der Verbände „ungewollte Effekte“, darunter die Gefährdung demokratischer Grundwerte wie Meinungs- und Kunstfreiheit, Rechtsunsicherheit und unzulängliche Umsetzbarkeit sowie ein Bedeutungsverlust des Kreativstandorts Berlin. „Doch Demokratie, Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und der Kampf gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Hass gegenüber Minderheiten gehören zusammen“, hieß es.

Zuvor hatten sich bereits zahlreiche Kulturschaffende gegen die neue Förderklausel gewandt und Kunst- und Meinungsfreiheit gefährdet gesehen. Dabei wurden „Bekenntniszwang“ und „die politische Instrumentalisierung von Antisemitismusklauseln“ kritisiert.

Die Kulturverwaltung hatte am Donnerstag angekündigt, Empfänger von öffentlichen Fördergeldern mittels einer Klausel unter anderem zum Bekenntnis gegen Antisemitismus zu verpflichten. Grundlage dafür soll eine Antisemitismus-Definition der IHRA sein. Kultursenator Chialo will nach eigenen Worten bewirken, dass mit öffentlichen Mitteln nicht rassistische, antisemitische, queerfeindliche oder anderweitig ausgrenzende Ausdrucksweisen gefördert werden.

© dpa-infocom, dpa:240108-99-530730/2

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