"Krieg! Juden zwischen den Fronten 1914-1918":Grausam vergeblich

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Dieses Foto von einem Chanukka-Gottesdienst an der Ostfront im Jahr 1916 ist in der aktuellen Ausstellung im Jüdischen Museum München zu sehen. (Foto: Ursula Seitz-Gray)

Jüdische Soldaten opferten sich bereitwillig für den Ersten Weltkrieg. Doch ihr Patriotismus sollte ihnen mehr schaden als nutzen. Von dieser historischen Paradoxie erzählt eine kluge Münchner Ausstellung.

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Max Rothmann, Arzt und Professor in Berlin, schreibt im September 1914 immer wieder an das Kriegsministerium, um seinen Sohn Hans im preußischen Kadettenkorps anzumelden. Hans ist erst 15 Jahre alt. Doch von dem Willen "beseelt, dem Vaterland unsere Kräfte bis zum Äußersten zu widmen", wünscht sich der Vater, dass nach dem älteren "auch der jüngere Sohn sobald als möglich seinem Vaterlande als Offizier dienen soll".

Fremd erscheinen diese Zeilen heute, die im Jüdischen Museum in München die Besucher empfangen, in der neuen Ausstellung "Krieg! Juden zwischen den Fronten". Unaufdringlich und klug, ganz in den gedeckten Farben des Militärs gehalten, zeigt sie, welche Hoffnungen deutsche Juden mit dem Ersten Weltkrieg verbanden - und wie sie schon an der Front, spätestens aber im aufkeimenden Nationalsozialismus bitter enttäuscht wurden.

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Kurz nach Kriegsbeginn 1914 war Max Rothmanns Wunsch, seine halbwüchsigen Söhne möglichst schnell in den Krieg zu schicken, nichts Ungewöhnliches. Doch für jüdische Familien wie seine ging es um mehr: Viele von ihnen wollten mit bedingungslosem Patriotismus ihre Loyalität und Zugehörigkeit zum deutschen Volk beweisen, die man ihnen immer wieder absprach. "Über das Maß der Pflicht hinaus", so ein Aufruf des Verbands der Deutschen Juden, sollten die Glaubensgenossen ihre "Kräfte dem Vaterlande widmen".

Aber dies war nicht in jedem Fall möglich: Max Rothmanns Bitten wies das Kriegsministerium ab. Erst mit Ausflüchten, später mit der ganzen, antisemitischen Wahrheit. Die preußische Kadettenakademie sei eine Institution "christlicher Gesinnung", heißt es im letzten Brief. Als Hans 1917 turnusmäßig eingezogen wird, hat sein Vater sich das Leben genommen, nicht zuletzt wegen der Ausgrenzung seiner Familie. Die Gleichberechtigung der Juden, seit 1871 in der Verfassung des Kaiserreichs verankert, hatte ihre Grenzen, auch im Krieg.

Doch wurden viele Juden als einfache Soldaten eingezogen. In der Ausstellung hängen Porträts von einigen der 96 000 jüdischen Soldaten frei im Raum, die Besucher laufen zwischen ihnen hindurch, begegnen ernsten, ruhigen Blicken, Abschiedsfotos in Uniform. Auf den Rückseiten stehen die Lebensdaten - manche fielen im Krieg, andere starben Jahrzehnte später unter nicht weniger grausamen Umständen oder konnten sich ins Exil retten. Hans Rothmann, der nicht auf die Kadettenschule durfte, starb 1970 in San Francisco. Ein anderer Hans, mit Nachnamen Bloch, starb 1942 - im KZ Mauthausen.

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Die Ausstellung schafft einen schwierigen Spagat: Sie behält den Ersten Weltkrieg im Blick, lässt aber doch immer wieder die Grausamkeiten erahnen, die im Nationalsozialismus folgten. Die Linie des Antisemitismus wird anhand von Einzelschicksalen seit dem Kaiserreich sichtbar. Vor Verfolgung und Mord schützte die deutschen Juden nach 1933 keine Kriegsteilnahme, keine Verletzung und kein Orden.

Sechs einzelne Lebenswege jüdischer Soldaten werden in großen Einzelvitrinen mit persönlichen Exponaten präsentiert. Da ist etwa die Ordensammlung des Feldarztes Nathan Wolf, akribisch-liebevoll mit handgeschriebener Legende versehen. Daneben ein Auszug aus seinem Lebensbericht: "Am 9. November 38 wurde ich frühmorgens von der SS aus Radolfzell aus dem Bett geholt und auf das Schwerste misshandelt. Meine Kriegsorden, die in einem Kästchen lagen, hatten die Horde auf das Äußerste gereizt." Wolf konnte vor den Nazis in die Schweiz fliehen, kehrte aber direkt nach dem Zweiten Weltkrieg in seine Heimatstadt Wangen am Bodensee zurück und engagierte sich als stellvertretender Bürgermeister. Man steht fassungslos vor so vergebungsbereiter Heimatliebe.

Mit der immer längeren Dauer des Ersten Weltkriegs, steigenden Opferzahlen und der schlechten Versorgungslage in der Heimat wuchs der Antisemitismus. Der zweite Teil der Ausstellung zeigt Zitate aus Beschwerdebriefen jüdischer Soldaten. Jüdische Neuankömmlinge an der Front seien, wird ein Kommandant zitiert, "wenn ausgebildet, umgehend ins Feld zu senden und zwar an die Stellen, wo sie dem feindlichen Feuer unrettbar ausgesetzt sind".

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Um dem kursierenden Vorwurf der Drückebergerei zu begegnen, wies der Kriegsminister 1916 die "Judenzählung" an. Ihre Ergebnisse wurden nie veröffentlicht, vielleicht, weil sie nur den Patriotismus der deutschen Juden belegt hätten. Doch für die Soldaten war sie ein Affront. "Eine furchtbare Ohrfeige", kommentierte der jüdische Offizier Georg Meyer in seinem Tagebuch die Zählung. "Im Frieden würde ich den Abschied nehmen, jetzt muss ich natürlich erst recht aushalten." Er starb im Dezember 1916 bei Verdun, nachdem er sich bewusst an einen gefährlichen Frontabschnitt hatte versetzen lassen.

Der Eindruck grausamer Vergeblichkeit, den jede Kriegsbegeisterung erweckt, bekommt in dieser Ausstellung eine zusätzliche Ebene. Sie macht klar: Die Front verlief auch im Schützengraben selbst.

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Krieg! Juden zwischen den Fronten 1914-1918, Jüdisches Museum München, bis 22. Februar 2015. Katalog (Verlag Hentrich & Hentrich) 24,90 Euro. Info: www.juedisches-museum-muenchen.de

© SZ vom 09.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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