Kölner Wallraf-Richartz-Museum:Tiefschürfend

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Kohle, Holz und Ei-Tempera: Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum legt offen, wie die Malerei vom Spätmittelalter bis zum Impressionismus technisch funktionierte.

Von Alexander Menden

Als Paul Delaroche, französischer Historienmaler und neoklassizistischer Akademist par excellence, im Jahre 1839 zum ersten Mal eine Daguerreotypie sah, soll er gesagt haben: " À partir d'aujourd'hui la peinture est morte." - Von diesem Tage an ist die Malerei tot. Sollte dieses Zitat stimmen, wäre es eine seltsam defätistische Bemerkung: Betrachtet man die grobe Körnung der frühen Schwarz-Weiß-Fotografie, sollte man denken, dass ein Meister wie Delaroche sich kaum bedroht gefühlt haben müsste.

Seine Malerei war ja in Vielem dem, was wir heute unter Fotorealismus verstehen, näher, als die eigentliche Fotografie. Sein Gemälde "Herodias mit dem Haupt Johannes des Täufers", vier Jahre nach der berühmten Sentenz entstanden, ist ein Paradebeispiel der sogenannten Glattmalerei. Es ist durchgeplant bis ins letzte Detail, hat eine aufwendige Farbschichtung und weist vor allem jene mithilfe eines Dachshaarpinsels, des sogenannten Vertreibers, entstandene Glättung auf, die dieser Art der Malerei ihren Namen gibt.

Die "Herodias" ist ein Prunkstück aus der Sammlung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums. Dort ist das Gemälde derzeit in der Ausstellung "Entdeckt!" zu sehen, und die minutiöse Arbeit, die in seine Gestaltung floss, steht im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Schau hat es sich zum Ziel gesetzt, die materiellen und technischen Grundlagen der Malerei vom Spätmittelalter bis zum Impressionismus offenzulegen.

Italienische Gemälde der Gotik sind meist auf Pappelholz gemalt, nördlich der Alpen kam Eiche zum Einsatz

Tatsächlich ist es verblüffend, wenn man sich vergegenwärtigt, wie wenig man sonst oft bei der Betrachtung von Kunstwerken auf die handwerklichen Aspekte ihrer Entstehung achtet. Die Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung des Museums hat alle ihr zu Gebote stehenden technischen Mittel aufgewendet - darunter Spektralanalyse, Infrarot-, UV- und Röntgendurchleuchtung der Malschichten - um zu zeigen, was die Substanz der 80 gezeigten, zu 90 Prozent aus dem eigenen Bestand stammenden Arbeiten ausmacht und wie stark die Voraussetzungen ihrer Verfertigung das ästhetische Ergebnis mitbestimmen.

Die Provenienz eines mittelalterlichen Tafelbildes kann - unabhängig von Malstil und -motiv - bereits anhand des Trägermaterials ziemlich genau zugeordnet werden. Italienische Gemälde der Gotik sind meist auf Pappelholz gemalt, während nördlich der Alpen vor allem Eiche zum Einsatz kommt. Der Grund ist einfach: Man nahm die Hölzer, die lokal wuchsen. Bisweilen nutzten die Künstler Nussbaumholz für Kleinformate, die leichteren Nadelhölzer für bemalte Türen oder Deckentafeln. Ihre Bereitstellung war professionellen Tafelmachern vorbehalten, die dafür sorgten, dass die Künstler splintfreie, astreine und gut gelagerte Ware bekamen.

Wie sehr das Trägermaterial die Farbbrillanz und Haltbarkeit beeinflussen, zeigt etwa Adam Elsheimers "Steinigung des Heiligen Stephanus" (um 1600). Es wurde mit Öl auf Kupfer gemalt, wirkt fast so farbstark wie Email und weist, weil Metall nicht arbeitet, keinerlei Craquelé auf, also keine Farbrisse. Der generelle Wechsel zur Leinwand, einem weitaus leichteren und für Großformate geeigneteren Material, erfolgt im frühen 16. Jahrhundert, allerdings sind bereits mehr als hundert Gemälde auf Leinwand vor 1500 nachweisbar.

Als besonders wichtiger und faszinierender Schritt erweist sich die Grundierung. Aufgetragen wurde die gips- oder kreidehaltige Farbmischung oft mit einem Grundiermesser, wie Butter auf eine Brotscheibe. Ein Nachbau dieses Geräts ist in Köln zu sehen, er basiert auf einer Zeichnung im sogenannten Mayerne-Manuskript, einer äußerst wichtigen Quelle zum Verständnis historischer künstlerischer Techniken. Heute im Bestand der British Library, wurde es zwischen 1620 und 1646 von Sir Theodore de Mayerne erstellt, dem Leibarzt der englischen Könige James I. und Charles I., und enthält unter anderem Notizen zur Herstellung von Pigmenten, Ölfarben und Firnissen, und eben zur Vorbereitung und Grundierung von Leinwänden.

Die Grundierung kann dem Künstler einiges an Arbeit ersparen. Ein schönes Beispiel ist "Der Hafen von Nizza" von Berthe Morisot (1881/82). Die französische Impressionistin, das lässt sich mit einer sogenannten Durchlichtaufnahme nachweisen, nutzte die cremefarbene Vorgrundierung der Leinwand, indem sie einfach Stellen freiließ. Viele der helleren Flecken und Lichtreflexionen in der Hafenansicht sind also Aussparungen. Das beschleunigte den Malvorgang, Morisot erstellte das Bild höchstwahrscheinlich mit sparsamen Vorzeichnungen in einer Sitzung.

Welch Quantensprung, als Öl andere Farbmischungen ersetzte

Mittels Infrarotreflektografie kann man Unterzeichnungen sichtbar machen, die, zumindest bis ins 19. Jahrhundert hinein, stets einen unabdingbaren Arbeitsschritt darstellten. Die Ausarbeitung und Genauigkeit variiert hier erheblich, oft unterscheidet sich das fertige Bild auch stark von der Vorzeichnung. Eine Infrarotdurchleuchtung der "Beweinung Christi" des Niederländers Maarten van Heemskerck (1530) etwa enthüllt einen geradezu chaotisch wirkenden Entwurf, in dem die Arme mehrmals die Position verändern und ein Bein nur mit einer dicken Schraffur angedeutet ist. Insgesamt durchlief diese Vorzeichnung wohl nicht weniger als sechs Stadien.

Die Kuratorinnen der Ausstellung haben den Bildern und ihren technischen Analysen Vitrinen beigestellt, in denen viele der Materialien gleichsam in Rohform zu sehen sind. Dabei zeigt sich auch, welch einen Quantensprung es darstellte, als das Öl sich gegenüber anderen Farben wie etwa den Ei-Tempera durchsetzte und dann wiederum, wie sehr die Erfindung der Metalltube die Nutzung des Öls erleichterte. Die Ölmalerei begünstigt auch eine Betonung der Virtuosität, welche die Gemachtheit des Werkes nicht verbirgt, im Gegenteil: So arbeitet Bernardo Strozzi in seiner "Verleugnung Petri" (1633/35) den Ärmel des Jüngers nicht detailliert aus, sondern setzt ihn aus einem Wirbel weißer Falten und Schlieren zusammen. Der Borstenpinsel als Werkzeug und seine mühelose Handhabung in der Nass-in-nass-Technik rückt Strozzi selbstbewusst in den Vordergrund.

Das Wallraf-Richartz-Museum hat mit "Entdeckt!" in gewisser Weise zu einem der vornehmsten Aufträge von Museen zurückgefunden: Es gelingt der Schau, den Besucher mittels geballten Fachwissens und kluger, zugänglicher Präsentation nicht nur besser informiert zu entlassen, sondern womöglich auch mit noch mehr Wertschätzung für die Kunst, die er gerade betrachtet hat.

"Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet" im Wallraf-Richartz-Museum , Köln, bis 13.2.2022.Katalog 30 Euro

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