"Kingsman - The Secret Service" im Kino:Fast wie von Dickens

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I could have fought all night! Colin Firth bei den jungen Wilden Londons. (Foto: Fox)

Regisseur Matthew Vaughn hat mit seiner Autorin Jane Goldman schon öfters Genre-Hüllen gesprengt. Bei dem Agentenfilm "Kingsman" verbinden sie nun Märchenhaftes mit Soziologischem, als hätte sich Charles Dickens einen Bond-Roman ausgedacht.

Von Fritz Göttler

Pomp & Circumstance, das ist das Motto, nach dem die Briten mit den richtig großen Momenten der Nation umgehen, der Geschichte und natürlich auch des Kinos, das sich dieses Marsches von Edward Elgar gern bedient hat, von "Clockwork Orange" bis "Madagascar". Man sollte sich eine Last Night of the Proms anschauen, eins der großen Londoner Sommerkonzerte, die regelmäßig mit diesem Stück schließen, um zu würdigen, was es in gestandenen Briten auslösen kann und wie energisch und explosiv es in "Kingsman" eingesetzt ist.

Die "Kingsmen" sind der ultimative Geheimdienst, geheimer noch als NSA und GCHQ zusammen, absolut unabhängig und von keiner Regierung kontrollierbar, weil privat finanziert. Das Produkt eines großen Überschusses, gegründet nach dem Ersten Weltkrieg, als viele Briten ihre Söhne auf den Schlachtfeldern verloren hatten und nicht wussten, wem sie nun ihre großen Vermögen weitergeben sollten und ihre väterlichen Gefühle.

Die Kingsmen sind souverän, sie kombinieren mustergültiges Outfit - in ihrer Kleidung, Savile Row, wie in ihren fiesen kleinen technischen Spielzeugen - und brutale Kampftechniken.

Der Kingsman Colin Firth hat bei einem Einsatz seinen besten Freund verloren, der heroisch sich opferte, und seitdem versucht Firth, der große Melancholiker des modernen Kinos, seine Schuld abzuzahlen - zum Beispiel indem er den Sohn des Toten, Eggsy genannt (Taron Egerton), aus dem sozialen Wohnungsbau, wo er mit seiner Mutter lebt, rausholt und zu einem Kingsman macht.

Zuerst sieht die Sache nicht gut aus. Hast du je "Trading Places" gesehen, fragt Colin Firth, um ihm anzudeuten, was er mit ihm vorhat, das klassische Pygmalion-Projekt, oder "Nikita" oder "Pretty Woman"? Nö. sagt Eggsy. Aber als Colin Firth weitererklärt, dämmert es bei ihm: Ach so, Sie meinen so was wie "My Fair Lady"!

Eine Geschichte, als hätte sich Dickens einen Bondroman ausgedacht

Ja, sozialer Aufstieg ist lernbar. "Manners maketh Man", es sind die Manieren, die uns zu Menschen machen. Wir erleben Eggsys Lehr- und Wanderjahre - wie der junge Wilde sich behaupten muss auf neuem Terrain, im Ausleseverfahren gegen die schnöseligen Oxbridge-Posh-Konkurrenten, wie er absolute Körperbeherrschung und Treue praktiziert, wie er Opfer seiner Sentimentalität wird - darf man das, einem sinnlosen Befehl folgen und seinen Mops abknallen? - oder wenigstens nicht clever genug ist, die Sentimentalität seiner Kollegen zu erkennen.

Eine Geschichte also, als hätte sich Dickens einen Bond-Roman ausgedacht, schon mehrfach hat es von Matthew Vaughn und seiner treuen Autorin Jane Goldman ähnlich virulente Stücke gegeben, die die Genrehülle platzen ließen, "Der Sternwanderer/Stardust" oder "Kick-Ass".

In "Kingsman" treiben sie den Wechsel zwischen dem Märchenhaften und dem Soziologischen, der den Superhelden-Comicbooks eingeboren ist, auf die Spitze. Die Weltrettung wird zum Klassenkampf. Die Kingsmen sind in ihrer Anhänglichkeit an die alten Rittertraditionen - Michael Caine als windiger Artus, Mark Strong als iPad-kundiger Merlin - rührend lächerlich, aber immerhin wartet auf Eggsy am Ende eine echte Königin, die ihn auch hinten ranlassen will.

Den Weltzerstörer gibt Samuel L. Jackson, lispelnder Proll und Start-up-Milliardär in Steve-Jobs-Manier, und angesichts der Klimakatastrophe ernsthaft um die Welt besorgt. Er debattiert über seine Lösung sogar mit den ganz großen Politikern, wobei Matthew Vaughn - Achtung, Spolier - Obama sehr viel mehr Humor attestiert als Kim Jong Un. Seine Lösung nutzt das alte Arche-Noah-Prinzip und macht, angesichts der Unfähigkeit der Politiker zu konkreten Lösungen, durchaus Sinn. Um den Planeten zu retten, muss man einfach die Menschheit abschaffen.

Am Ende seiner Lehrzeit hat Eggsy von Merlin auch das Rezept für einen echten Martini gelernt. Gin, zehn Sekunden rühren, dabei auf eine geschlossene Flasche Wermut schauen. Der große Triumph der Kingsmen - wie sie dem Kino die Transparenz erkämpften.

K ingsman: The Secret Service, USA/GB 2014 - Regie: Matthew Vaughn. Buch: Jane Goldman, Matthew Vaughn. Kamera: George Richmond. Mit: Colin Firth, Taron Egerton, Samuel L. Jackson, Mark Strong, Sofia Boutella . 20th Century Fox, 129 Min.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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