Nach Missbrauchsvorwürfen:"Alles, was ich fühle, ist Schmerz"

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Rom im Spätsommer 2019. Links: der "Faustkämpfer vom Quirinal". Rechts: der ehemalige Hollywoodstar Kevin Spacey. (Foto: Getty Images)

Lange hatte Kevin Spacey die Öffentlichkeit gemieden. In einem bizarren Auftritt in Rom rezitierte er nun ein Gedicht - und lässt die Welt rätseln, was er damit sagen wollte.

Von David Steinitz

Nachdem ihn mehr als ein Dutzend Männer der sexuellen Belästigung und des Missbrauchs beschuldigt hatten, war der Hollywoodstar Kevin Spacey nahezu von der Bildfläche verschwunden. Am Freitag tauchte er aber wieder auf - und zwar in Rom. Dort hatte er am Abend einen bizarren Auftritt im Römischen Nationalmuseum. Zunächst posierte er in einem braunen Anzug mit weißem Hemd und dezent gestreifter Krawatte neben dem "Faustkämpfer vom Quirinal".

Das ist eine der am besten erhaltenen Bronzestatuen aus dem alten Griechenland und wird von Experten irgendwo zwischen dem späten vierten Jahrhundert vor Christus und der Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus datiert. Das Gesicht des Faustkämpfers zeigt geschwollene Augen, eine deformierte Nase, alte Kampfnarben, aber auch frische Blessuren. Die Statue soll einen Profisportler darstellen, der sich nach einem Wettkampf ausruhen muss.

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Die Strafverfolgungsbehörde lässt den Vorwurf gegen den Schauspieler fallen, einen jungen Mann an einer Bar belästigt zu haben. Zuvor war ein wichtiges Beweismittel verschwunden.

Im Anschluss hielt Spacey vor den überraschten Museumsbesuchern eine Lesung des Gedichts "Il pugile" (der Boxer) ab, in der englischen Übersetzung. Darin geht es um einen ausgelaugten Boxer, der blutend im Ring liegt. Eine Anspielung auf seine eigene Lebenssituation als geächteter Ex-Star? "Alles, was ich fühle, ist Schmerz", intonierte der 60-Jährige mit bebender Stimme. "Ich habe das Land erschüttert, die Arenen vibrieren lassen, meine Gegner zerrissen. Ich habe Licht in die Dunkelheit gebracht, bin beleidigt worden, habe dem Publikum Applaus abgerungen."

Das Museo Nazionale Romano hatte schon am Mittag auf seiner Facebook-Seite eine "Oscar-Lesung" versprochen, ohne anzukündigen, wer genau am Abend auftreten solle. Spaceys PR-Team soll laut Medienberichten aber schon vorab lokale Reporter und Korrespondenten mit dem Versprechen von Interviews mit Spacey ins Museum gelockt haben. Die fanden laut der Zeitschrift Variety dann aber nicht statt. Stattdessen steigerte der zweifache Oscarpreisträger sich vor den Journalisten und zufällig anwesenden Besuchern - die Angaben über die Zuschauerzahlen schwanken zwischen 50 und 150 - in die Performance des leidenden Boxers hinein.

Das Gedicht stammt vom 39-Jährigen italienischen Poeten Gabriele Tinti (nicht zu verwechseln mit dem 1991 verstorbenen italienischen Schauspieler Gabriele Tinti, der in Meisterwerken der Filmgeschichte wie "Nackt unter Kannibalen" und "Frau Wirtins tolle Töchterlein" zu sehen war).

Im Juli platzte eine Anklage gegen Spacey in Nantucket

Seitdem wird gerätselt, was der merkwürdige Auftritt soll. Möchte Spacey damit seine Rückkehr ins Filmgeschäft vorbereiten? Zeigen, dass er bereit wäre, wenn man ihn denn ließe? Oder ist die römische Nacht nur eine weitere verschrobene Aktion, so wie im letzten Jahr? Da hatte er an Weihnachten ein Video veröffentlicht, in dem er in seiner Rolle als US-Präsident in der Netflix-Serie "House of Cards" in einer Küche posierte und in einem ähnlichen Kauderwelsch schwadronierte wie jetzt. "Ich habe meine dunkelsten Geheimnisse mit Euch geteilt", sagte er damals. "Ich weiß, viele von Euch brennen darauf von mir zu hören, dass alles wahr ist, was so geredet wird."

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Zumindest juristisch hatte Spacey zuletzt einen kleinen Sieg errungen. Eins der Verfahren gegen ihn wurde im US-Bundesstaat Massachusetts von der Staatsanwaltschaft vor gut zwei Wochen überraschend fallen gelassen. Er war beschuldigt worden, im Jahr 2016 einen 18-Jährigen in einer Bar auf der Insel Nantucket begrapscht zu haben. Die Mutter des jungen Mannes, die Nachrichtensprecherin Heather Unruh, war 2017 an die Öffentlichkeit gegangen und hatte Anzeige erstattet.

Der Bezirksstaatsanwalt Michael O'Keefe wollte Spacey anschließend wegen ungebührlichen Verhaltens und Körperverletzung verurteilt sehen. Weil der betroffene Junge aber im Zeugenstand die Aussage zu einigen Nachfragen des Richters verweigerte, platze der Fall. Trotzdem sieht sich Spacey auch weiterhin mit Missbrauchsanschuldigungen unter anderem in New York und London konfrontiert.

Glücklich und zufrieden war am Freitag aber zumindest der Dichter Gabriele Tinti. Er twitterte nach der Lesung: "Was für ein herrlicher Abend! Alle waren glücklich die Kunst zu feiern, es war eine Ehre, dass Kevin Spacey mein Gedicht gelesen hat, Rom liebt dich!"

© SZ vom 05.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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