Favoriten der Woche:Die Meerjungfrauen von Mallorca

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Körnig, leicht psychedelisch und wildromantisch: Kate Bellm erkundet Mallorca. (Foto: Kate Bellm)

Kate Bellms Fotografien zeigen die wildromantische Seite der Insel. Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Bildband: "La Isla" von Kate Bellm

Sie sind gerade eingetaucht ins Wasser, hinter ihnen wirbeln Luftblasen. Unweigerlich kommt beim Anblick der sechs nackten Taucherinnen der Gedanke an Meerjungfrauen auf. Momente wie diesen einzufangen, dafür hat die Fotografin Kate Bellm ein enormes Talent. In London geboren und in Berlin aufgewachsen, hat sie in Paris studiert, und nun ihr Zuhause auf der unterschätzten Seite Mallorcas gefunden. Die Region Serra de Tramuntana gehört mit ihren rauen Gebirgshängen zum Unesco-Welterbe. Bellm zeigt die Insel so, wie man sie bisher noch nicht gesehen hat: körnig, leicht psychedelisch und wildromantisch. Wer die Orte aus ihrem Bildband "La Isla" finden will, sollte der historischen Finca Corazón einen Besuch abstatten: Den Gästen ihres neu eröffneten Hotels verrät Kate Bellm einige Geheimtipps. Clara Westhoff

Installation: "My Body is not an Island"

Die Installation besteht aus assoziativen Zitaten und kleineren Arbeiten, die rund um einen Metallkäfig arrangiert sind. (Foto: Katja Illner)

Seit zehn Jahren dient die ehemalige Liebfrauenkirche in Duisburg als Ausstellungsraum. Die modernistische Basilika mit ihren Plexiglasfenstern und einem Ziborium aus dem Pavillon des Vatikans bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel stellt für sich genommen ein lohnendes Ziel dar. Einen solch großen Raum zu füllen, ist aber auch eine Herausforderung. Im Rahmen der Ruhrtriennale und in Zusammenarbeit mit der Initiative "Urbane Künste Ruhr" bespielt ihn derzeit die Tschechin Eva Koťátková mit ihrer Großinstallation "My Body is not an Island". Um einen riesigen, torsoartigen Metallkäfig sind assoziative Zitate und kleinere Arbeiten gruppiert, anhand derer Besucher sich mit der Rolle des Körpers als identitätsstiftenden, oft aber auch entfremdenden Existenzelements auseinandersetzen können. Eine höchst gelungene Kombination aus Kunstort und Kunstwerk. Alexander Menden

Malerei: Carl-Blechen-Ausstellung in Branitz

Der Katalog zur Ausstellung "Künstler, Kollegen, Sammler: Carl Blechen und die Fricks". (Foto: Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz)

Branitz, der Landschaftspark des Fürsten Pückler bei Cottbus, gehört zu den preußischen Wundern, mit denen das raue, karge Land sich aus sich selbst herausträumte. Schön ist es dort zu jeder Jahreszeit, aber derzeit besonders wegen einer Ausstellung im Pücklerschen Schloss. Sie gilt dem in Cottbus gebürtigen, kühn-wilden Landschaftsmaler Carl Blechen (1798 - 1840). Und einer Sammlerfamilie, die seine Werke schon zu Blechens Lebzeiten erworben hatte. Deren letzte Nachkommen stifteten 2017 der Cottbusser Gemäldesammlung mit ihrem Blechen-Schwerpunkt vier wertvolle Bilder. Diese Familie Frick, deren bedeutendster Vertreter um 1800 in Berlin einen modernen grafischen Betrieb aufbaute, in dem mit innovativer Technik sowohl präzise romantische Veduten wie möglichst fälschungssichere Geldscheine gedruckt wurden, ist kaum weniger interessant als das Genie Blechen.

Im Schloss Branitz kam man auf die gute Idee, die vier geschenkten Bilder im Rahmen einer neuen Hängung der Bestände zu präsentieren, mit vielen Rundblicken in die zeitgenössische Landschaftsmalerei (bis 30. Oktober). Zugleich unterrichten separate Vitrinen über die Fricks und ihren technisch avancierten, zugleich romantische Ästhetik verbreitenden Druckereibetrieb. Das Romantische und das Moderne bedingen sich, unvermeidlicherweise. So entwickelte der Frick'sche Betrieb eine Aquatinta-Technik mit speziellen Körnungen, die Lichteffekte und Materialtexturen präzise-stimmungsvoll reproduzieren konnten, zu sehen am Beispiel der mittelalterlichen Marienburg des Deutschen Ordens. Damit und mit den Geldscheinen ließ sich viel verdienen, und dieses Geld floss in eine Sammlungstätigkeit, deren Resultate erst jetzt das Publikum erreichen.

Von Blechen hat sich dort zum Beispiel eine skizzenhafte, schwungvolle Version einer Ansicht von Assisi erhalten, die Münchner aus ihrer Neuen Pinakothek in grandios gesteigerter Fassung kennen. Sie wird jetzt in Cottbus auf einer wundervollen Blechen-Wand mit einem Dutzend weiterer Bilder gezeigt. Der Cottbusser Bestand wurde wohl noch nie so schön und liebevoll präsentiert wie jetzt in der Neuhängung beim Fürsten Pückler in Branitz. Gustav Seibt

Chanson: "Septembre" von Barbara

Die französische Chansonsängerin und Komponistin Barbara. (Foto: Imago/United Archives)

Wenn je ein Lied das Gefühl eingefangen hat, das die Zeit auslöst, in der der späte Sommer in den frühen Herbst übergeht, dann dieses. "Man sieht schon die Schwalben, die sich versammeln", singt Barbara, die gefühlvollste der klassischen französischen Chansonnières, mit ihrem dunklen Timbre, auf eine Melodie, die man nicht vergisst. Dazu klimpert sie gekonnt minimalistisch eine fast heitere kleine Klavierlinie, außerdem spielt ein Akkordeon. Und es geht weiter: "Welch schöne Zeit, sich Adieu zu sagen, welch schöner Abend, um seine Jugend zu genießen." Der Sommer, die Jugend, die hier wörtlich übersetzt eine "Zwanzigjährigkeit" ist. Es geht um die Liebe, selbstverständlich, und alles klingt nach Abschied ("Ich stehe am Quai"), wie am Ende von Stéphane Brizés Film "Mademoiselle Chambon", zu dem "Septembre" zu hören ist. Aber, was für ein Trost, was für ein Clou, das Lied endet so: "Denn du wirst zu mir zurückkehren, mon amour - bis morgen." Kathleen Hildebrand

Performance: Florentina Holzingers "Schrott-Etüde"

Kurz, aber wuchtig: "Scrap Etude". (Foto: Leon Hoellhumer)

Das Auto hängt vorm Berliner Olympiastadion an einem Kran wie ein Gehenkter in einem Horror-Regime: ein etwa 23 Jahre alter Peugeot 406 Break, ein biederer Familienwagen. Was wird ihm vorgeworfen? Im Publikum gibt es Leute, die berichten, dass bei ihrer jüngsten Holzinger-Performance, im Juni am Müggelsee, ein ganzer Kranz von Menschen an einem Kran über dem Wasser hing. Das war die "Kran-Etüde". Das jetzt wird die "Schrott-Etüde", präsentiert vom Kunstverein Schinkel-Pavillon im Rahmen des Langzeit-Festivals "Disappearing Berlin".

Das ist an diesem Ort vor allem mit Blick auf die Lage von Hertha BSC ein brutaler Titel. Alte Westberliner kann man schon klagen hören, Hertha werde verschwinden, wie einst die Charlottenburger Eishockeyhelden BSC Preußen mitsamt der Deutschlandhalle verschwunden sind, nur die Ostvereine dürften bleiben. Aber vor dem Olympiastadion, das so schnell wohl nicht verschwinden wird, machen die wenigsten den Eindruck, als ob sie irgendein Interesse an solchen Dingen hätten. Wo normalerweise Hertha- oder Helene-Fischer-Fans auf Einlass warten, da sieht es an diesem Mittwoch eher aus wie vor einem diskursfreudigen Club in Kreuzberg oder in der Warteschlange vor der Volksbühne, wo Florentina Holzingers dauerausverkauftes "Ophelia Got Talent" zum Stück des Jahres geworden ist. Dieses Publikum an diesen Ort versetzt zu haben, ist eine so verstörende Kontextverschiebung, dass man der gefeierten Wiener Choreografin schon dafür einen Kunstpreis überreichen möchte.

"Scrap Etude" ist tatsächlich nur kurz, aber wuchtig. Zwei Schlagzeugerinnen, eine Dirigentin, zwei Performerinnen, die Metallisches ziehen und hämmern, alle unbekleidet wie stets, im Arab Drift von einem 3er BMW umkreist, auf dessen Rückspiegel Holzinger persönlich Geige spielt. Dann knallt der Peugeot auf ein anderes Auto: Flammenmeer, brennende Menschen marschieren auf die Menge, werden gelöscht. Und der komplette Berliner Kunstbetrieb steht da mit fiependen Ohren und Augen und will jetzt schon bei der nächsten Holzinger-Etüde irgendwo wieder mit dabei sein, wo er sonst nie hingehen würde. Peter Richter

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