Josef Hader über Österreich:"Jetzt ist gefühlt eine Vorkriegszeit"

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Josef Hader (Foto: picture alliance / dpa)

Kabarettist Josef Hader beschreibt Österreich vor der Bundespräsidentenwahl, Unterschiede zwischen der FPÖ und Trump - und seine partielle Sehnsucht nach der Monarchie.

Interview von Oliver Das Gupta

Josef Hader, Jahrgang 1962, ist ein Kabarettist und Schauspieler aus Österreich - derzeit mehr letzteres. Der Film "Vor der Morgenröte", in dem er in der Hauptrolle Stefan Zweig verkörpert, ist auf der Longlist für den Oscar in der Kategorie "Bester nicht-englischsprachiger abendfüllender Kinofilm". Haders erste Regiearbeit "Wilde Maus" kommt im März 2017 in die Kinos ( hier der Trailer).

Das folgende Gespräch vom 30. November dreht sich um die Bundespräsidentenwahl in Haders Heimat, deren finaler Durchgang für Sonntag, den 4. Dezember angesetzt ist. Und ein bisschen geht es auch um die austriakische Vergangenheit. Schließlich wurde auf den Tag genau 100 Jahre vor dem Interview ein legendärer österreichischer Monarch zu Grabe getragen.

SZ: Mal angenommen, Kaiser Franz Joseph I. steigt spontan aus der Gruft, kommt bei Ihnen auf eine Melange vorbei und fragt: Herr Hader, was tut sich so politisch in meinem Österreich?

Josef Hader: Ach der. Der hat schon die eigene Zeit nicht mehr begriffen, wie sollte er da die heutige begreifen? Aber einiges würde ihm schon bekannt vorkommen. Unser heutiger Populismus wäre ihm sehr vertraut, den hat zu seiner Zeit der Bürgermeister Karl Lueger in Wien betrieben. Mit viel Antisemitismus, das war dem Kaiser überhaupt nicht sympathisch, drum hat er den Lueger zwei Jahre nicht angelobt. Jetzt, wo ich das sage, krieg' ich gleich eine Sehnsucht nach der Monarchie.

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Ihre royale Nostalgie ist hiermit festgehalten. Und was würden Sie dem Kaiser nun über Österreich im Jahre 2016 berichten?

Drei Wahlkämpfe gab es in diesem Jahr, jeder hat die Leute noch ein Stückl weiter polarisiert. Und ein weiteres Jahr ist mit einer großen Koalition vergangen, die nicht fähig oder willens war, gemeinsam wichtige Dinge weiterzubringen.

Aber es ist ein gutes Jahr für Norbert Hofer.

Schauen wir einmal, wer gewinnt. Es wird davon abhängen, wer mehr mobilisieren kann, das ist ein offenes Rennen.

Die Umfragen zeigen einen leichten Vorsprung für Hofer. Er ist zwar Vizechef der FPÖ und Dritter Parlamentspräsident, aber bis vor Kurzem kannte ihn kaum einer. Wie hat er es geschafft, fast so bekannt und populär zu werden wie der Kaiser zu seinen besten Zeiten?

Er ist jemand, der sich den Hoffnungen und Sehnsüchten vieler Leute anpasst. Die möchten, dass eine gute alte Zeit wiederkommt, wo es weniger Ausländer gab und alle Menschen angeblich anständiger waren. Diese Erwartungen bedient er perfekt. Deswegen bemüht er sich um große Sanftheit im Auftreten.

Sie nehmen ihm das nicht ab?

Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen. Da gab es den Begriff "Kerzlschlucker". Das war jemand, der nach außen hin sehr fromm getan hat, auch wenn es in ihm drinnen ganz anders ausgesehen hat. Daran muss ich ab und zu bei den Fernsehauftritten vom Herrn Hofer denken. Er hat sich meistens unter Kontrolle. Und dann blitzt manchmal eine lang und ungesund aufgestaute Aggression hervor. Aber wie er wirklich ist, weiß wahrscheinlich nur er selber.

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Vielleicht ist er ein bisschen wie Donald Trump. Hofer wurde nämlich unlängst gefragt, worin er sich grundlegend von Donald Trump unterscheide. Er sagte: "Ich habe eine andere Frisur."

Trump ist das genaue Gegenteil von Hofer. Der Hauptunterschied zwischen den beiden ist, dass Trump gewählt wurde, obwohl er im Wahlkampf völlig authentisch der narzisstische Egomane war, der er ist. Das war seinen Wählern wurscht, Hauptsache, es wird kein etablierter Politiker. Oder noch schlimmer, eine etablierte Politikerin. Trump ist kein Kerzlschlucker. Hofer aber wird von seinen Anhängern deswegen gewählt, weil er sich nach Kräften bemüht, so zu sein, dass ihn möglichst viele nett finden. Er fährt sogar zu den Serben und sagt dort, der Kosovo gehöre ihnen. Dann fährt er zu den Kroaten und betet eine Runde Rosenkranz mit den dortigen Nationalisten. Wenn er Präsident wird, bekommt Österreich eine lustige Außenpolitik. Das wird dann wieder wie unter Kaiser Franz Joseph, der hat ja auch gern am Balkan herumgezündelt.

Den Leuten nach dem Mund reden - das ist ja ein Kennzeichen des Populismus. Aber diesmal ist die FPÖ wesentlich erfolgreicher als bei bisherigen Kampagnen. Können Sie erklären, warum das so ist?

Die FPÖ hat zum ersten Mal die Chance auf eine Mehrheit, dementsprechend agiert der Kandidat nicht angriffig, sondern übt sich standhaft in seinem Ministrantentum. Sonst ist aber bei der FPÖ alles beim Alten: Wer ihrer Meinung ist, gehört zum Volk, das zu wenig gehört wird. Und die, die nicht ihrer Meinung sind, das sind die Großkopferten und die gesteuerten Medien.

Sie unterstützen ja Hofers Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen. Geht Ihnen bei diesem Mann wirklich das Herz auf?

Ich hab ehrlich gesagt noch nie einen Politiker erlebt, wo mir das Herz aufgeht. Dafür sind sie auch nicht da. Bei Hitler ist seinerzeit vielen das Herz aufgegangen, das halte ich nicht für erstrebenswert. Politiker sind dazu da, eine vernünftige Politik für das Land zu machen. Ich halte Van der Bellen ganz nüchtern für die bessere Wahl für Österreich. Die Auswahl an Politikern ist nirgendwo berauschend, auch in Deutschland nicht. Dabei hätten Sie doch zehnmal mehr Einwohner. Das wirkt sich in der deutschen Fußballnationalmannschaft qualitativ stärker aus als in der deutschen Bundesregierung, finden Sie nicht?

Den Wiener David Alaba würden wir trotzdem gerne einbürgern. Aber bleiben wir bei der Politik: Vom ehemaligen Grünen-Chef Van der Bellen ist im Wahlkampf nicht mehr viel zu erkennen. Er posiert im Trachtenjanker, für ein Foto lupft er schon mal ein Gewehr und auf Plakaten ist er umwölkt von rot-weiß-rotem Fahnenmeer. Der Kaiser fände solche Wandlungen sicherlich amüsant - und Sie?

Bei uns wird Politik mit volkstümlichem Design gemacht, es ist aber mehr eine Benutzeroberfläche, es kommt nicht wirklich ehrlich von innen. Das müssten Sie in Bayern ja eh sehr gut kennen. Ich glaub', das ist bei Ihnen praktisch erfunden worden. Der Franz Josef Strauß hat im Trachtenjanker sogar heimlich Schweinehälften aus der DDR nach Bayern importiert, wo sie als bayrischer Schinken weiterverkauft wurden - so eine Raffinesse haben wir in Österreich noch nicht zusammengebracht, da müssen wir noch üben.

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Sie haben sich vor 30 Jahren in der Friedensbewegung engagiert. Welche Unterschiede und Parallelen gibt es zwischen damals und dem, was derzeit viele Menschen anfällig macht für Rechtspopulismus?

Damals war in Europa Nachkriegszeit. Und eine Aufbruchsstimmung. Jetzt ist gefühlt eine Vorkriegszeit. Und die Populisten bemühen sich um eine Endzeitstimmung. Der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache redet von einem möglichen Bürgerkrieg und spricht damit allen aus der Seele, die wollen, dass es bald irgendwie kracht. Nicht, weil es wirklich allen so schlecht geht, sondern weil viele einen tiefen Hass haben auf alles Etablierte.

Aber warum?

Man möchte gern irgendwas zusammenbrechen sehen, weil einem fad im Schädel ist. Ein bisschen wie Ernst Jünger vor dem Ersten Weltkrieg, nur nicht auf so hohem literarischem Niveau. Das ist die momentane Stimmung. In den USA, in Großbritannien, auch in Österreich. Da haben sich die entsprechenden Rechtsparteien weltweit seit Jahrzehnten bemüht, diese Gefühlslage aus den Leuten herauszukitzeln. Der Unterschied zu den Dreißigerjahren ist, dass wir relativ stabile demokratische Systeme haben. Wir haben es noch in der Hand, dass es nicht so schlimm ausgeht.

Das klingt jetzt schon etwas verzweifelt, Herr Hader.

Ich bin überhaupt nicht verzweifelt! Wir haben wie gesagt eine stabile Demokratie, die jedes Wahlergebnis aushalten wird. Und ich werde mich entweder freuen oder das Ergebnis zur Kenntnis nehmen. Und mich als Bürger wieder engagieren, dass die nächste Wahl möglichst in meinem Sinn ausgeht. So läuft das in Demokratien. Wir wollen in der Süddeutschen ja nicht so aufgeregt sein wie in den Boulevard-Medien, gell?

Warten wir mal ab, wie groß die Aufregung bei Ihnen und Ihren Landsleuten nach dem Wahlsonntag ist. Vorausgesetzt, es klappt diesmal: Haben Sie eine Idee, warum der anstehende Urnengang noch einmal wiederholt werden könnte?

Unser Verfassungsgerichtshof hat die letzte Wahl nicht deswegen wiederholen lassen, weil Manipulationen passiert sind, sondern weil Manipulationen hätten passieren können. Bei dieser strengen Auslegung muss man eigentlich jede Wahl wiederholen. So lang, bis die österreichischen Wähler entnervt auf die Knie sinken und bitten, dass der Kaiser zurückkommt.

Zurück zur "guten alten Zeit"?

Wenn schon die gute alte Zeit, dann aber richtig! Mit 16-Stunden-Arbeitstag und zehn Personen, die in einer Zimmer-Küche-Wohnung leben müssen. Da könnten sich die heutigen Wutbürger, die so wenig von unserer Demokratie halten, einmal anschauen, wie super es ohne Demokratie war.

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