Norbert Hofers Wahlkampf war voller kleiner Siege. In TV-Duellen und Diskussionsrunden konnte er immer wieder Wortgefechte mit seinem Gegner Alexander Van der Bellen für sich entscheiden, Moderatoren zumindest scheinbar auf seine Seite ziehen oder ihnen die Fragen so lange im Mund herumdrehen, bis er sie beantworten wollte. Der FPÖ-Kandidat für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten hat all diese kleinen Siege nicht durch bessere Argumente errungen oder weil er mehr politischen Sachverstand hätte - darum geht es bei TV-Duellen bekanntlich wenig -, sondern durch Rhetorik.
Die Wiener Wochenzeitung Falter hat kürzlich Hofers rhetorische Kniffe analysiert und anhand von Videobeispielen veranschaulicht. Da bezeichnet der FPÖ-Mann seinen Gegner Van der Bellen immer wieder als "vergesslich" oder als "zerstreuten Professor", um auf dessen Alter anzuspielen; Van der Bellen ist 72. Und tatsächlich geben Hofer-Wähler hinterher an, dass sie ihren Kandidaten für dynamischer halten.
Eine andere Strategie besteht darin, auf Gegenfragen mit persönlichen Angriffen zu reagieren, um sein Gegenüber aus der Fassung zu bringen und vom Gesagten abzulenken: "Sie zeigen da mit dem Finger so böse auf mich", sagt Hofer zum Beispiel. Schaut man sich die Videos an, treten seine Techniken offensichtlich zu Tage und man fragt sich: Kann das auf Dauer funktionieren? Läuft so ein Kandidat nicht Gefahr, vom Publikum als manipulativer Besserwisser gesehen zu werden?
Der Falter argumentiert, dass es sich um eine ausgefeilte und äußerst erfolgreiche Kommunikationstechnik handelt. Das Magazin bringt Hofers Strategie in Zusammenhang mit dem Begriff "NLP". Die Abkürzung steht für neurolinguistisches Programmieren, eine Sammlung psychologischer Techniken, die ursprünglich dazu dienen sollte, das Verhalten von Patienten positiv zu beeinflussen. NLP wurde in den Siebzigerjahren in den USA entwickelt, um Therapieerfolge und subjektive Erfahrungen zu studieren. Daraus entwickelten sich Methoden, die beispielsweise Patienten mit Angststörungen helfen sollen, aus ihren negativen Gefühlen auszusteigen.
Im Zusammenhang mit der österreichischen Politik hat NLP allerdings eine ganz neue Bedeutung erhalten. Es gilt seit den 90ern, seit Jörg Haiders Hochphase, als Methode, mit der die FPÖ ihre Politfunktionäre fit für ihre Auftritte macht. Zum Beispiel mit dem sogenannten Ankern, wenn Worte wie "vergesslich" oder "zerstreut" so lange wiederholt werden, bis der Zuhörer sie automatisch mitdenkt, wenn er den Namen Van der Bellen hört. Beim jüngsten TV-Duell am Sonntagabend bediente Hofer sich dieser Technik erneut. Dieses Mal ging es ihm darum, die Assoziation, Van der Bellen sei ein Kommunist, beim Publikum zu verankern. Das Wort verwendete er in der Debatte mindestens fünf Mal.
NLP ist in Österreich derart negativ konnotiert, dass kein Politiker, egal welcher Partei, zugeben würde, jemals damit in Berührung gekommen zu sein. Es gilt als eine Möglichkeit, Menschen zu manipulieren, als eine Art "schwarze Rhetorik". Darauf spielte indirekt Van der Bellen an, als er kürzlich in einem TV-Duell sagte, er habe zu lange gebraucht, um Hofers Tricks zu verstehen. Hofers Antwort: Ein Politiker, der Rhetorik nicht beherrsche, habe etwas Entscheidendes nicht verstanden.
"NLP ist eine Technik, die zur Zerstörung eines Gesprächs dient"
Van der Bellen hatte Hofer schon im Mai mit dem Vorwurf der unlauteren Gesprächsführung konfrontiert. Der parteiunabhängige Kandidat sprach Hofer kurz vor der ersten Stichwahl bei einer Diskussionsrunde in der Grazer Stadthalle auf seine NLP-Rhetorik an. Doch selbst diesen Vorwurf nutzte der FPÖ-Politiker für eine Volte, die am Ende ihn selbst gut dastehen ließ.
Die Szene (im Video ab Minute 30:00 zu sehen) trug sich so zu: Als Hofer auf eine Frage des Moderators ausweichend antwortet, ruft Van der Bellen dazwischen: "Das ist typische NLP-Technik, wieder mal." Hofer lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen, wechselt stattdessen mit samtener Stimme auf die persönliche Ebene: "Herr Doktor, nicht aggressiv, nicht aggressiv." Woraufhin der Moderator unter dem Beifall der Hofer-Anhänger entgegnet: "Wir sitzen ja dazwischen. Es kann nichts passieren." Wieder ein kleiner Sieg für Hofer.
Van der Bellen lässt das jedoch nicht auf sich sitzen. Als er an der Reihe ist, erläutert er: "NLP ist eine Technik, die zur Zerstörung eines Gesprächs dient. Das beherrschen Sie hervorragend." Darauf Hofer: "Herr Van der Bellen, wenn Sie mir ein einziges Seminar in NLP zeigen, das ich gehalten habe, zahle ich Ihnen zehn Kisten Bier." Der Falter jedoch kann beweisen, dass im Lebenslauf auf Hofers Homepage bis zu seiner Kandidatur zu lesen war, dass dieser von 1995 bis 1999 Seminare in Rhetorik, Kommunikation, Crash-Rhetorik und NLP besucht und selbst jahrelang als Kommunikations- und Verhaltenstrainer gearbeitet hat. Seitdem er Bundespräsident werden will, sind diese Stationen aus dem Lebenslauf verschwunden.
Aber ist NLP tatsächlich eine Technik, um Gespräche zu zerstören und sein Gegenüber zu manipulieren? Günther Gold, Obmann des Österreichischen Dachverbands für Neurolinguistisches Programmieren (ÖDV NLP), wehrt sich gegen diese Auffassung. Er hat Van der Bellen, den er persönlich politisch eher unterstützt als den FPÖ-Mann, einen Tag nach der Diskussionsrunde in Graz einen Brief geschrieben. In dem Schriftstück, das der SZ vorliegt, erklärt Gold, dass es NLP im Gegenteil darum gehe, eine "sinnvolle und effektive Kommunikation" herzustellen.