Kolumne "Nichts Neues":Lustiger Arbeitsplatz

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Das netteste ist das erste Drittel: Max Brods "Prager Tagblatt - Roman einer Redaktion". (Foto: Fischer/Bearbeitung: SZ)

Max Brod über das "Prager Tagblatt".

Von Johanna Adorján

Wenn man ein paar Jahre Zeit hat, lassen sich im Internet wirklich aufregende Dinge entdecken. So findet sich beispielweise unter anno.onb.ac.at, einem Projekt der Österreichischen Nationalbibliothek, die gesamte jemals erschienene Auflage des Prager Tagblatts. Diese Zeitung, die es von 1876 bis zum Einmarsch der Deutschen in Prag 1939 gab, war nicht nur die wichtigste deutschsprachige Zeitung in Böhmen beziehungsweise ab 1918 der Tschechoslowakei - sie war eine der wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen überhaupt. Wenn man spaßeshalber in irgendeine der online archivierten Ausgaben guckt, wird man garantiert auf einen heute noch bekannten Autorennamen stoßen, ob nun Gabriele Tergit, Egon Erwin Kisch, Sándor Márai, Alfred Polgar, Joseph Roth... Robert Walser und Kafka veröffentlichten im Prager Tagblatt Geschichten. Und Kafkas berühmter Freund Max Brod war hier 15 Jahre lang Feuilletonredakteur.

Er hat dieser Zeitung sogar einen Roman gewidmet, oder sagen wir, ein Drittel eines Romans, die übrigen Drittel gehen für einen anderen Handlungsstrang drauf, in dem der Ich-Erzähler, ein Redakteur des Prager Tagblatts, den man natürlich nicht mit dem Autor verwechseln darf, in Liebe zu einer Prostituierten entbrennt, was ihn, man ahnt es, nicht glücklich machen wird.

Lauter geniale Wahnsinnige

Aber das erste Drittel von " Prager Tagblatt - Roman einer Redaktion" (ursprünglich: "Rebellische Herzen", 1957) ist sowieso das Netteste an diesem energiegeladenen Buch. Es nimmt einen mit in die Redaktionsräume, lässt die Redakteure, lauter geniale Wahnsinnige, wiederauferstehen, allen voran ihren Chefredakteur, im Buch: Doktor Simta.

Unermüdlich kritzelt der jeden Gedanken, der ihm durch den Kopf schießt, auf Zettelchen, die er jeweils demjenigen zukommen lässt, den es interessieren könnte. SMS auf Papier sozusagen, redaktionsintern "Schrapnellen" genannt. Dummerweise war seine Handschrift schwer zu entziffern, aber bis jemand seinen Gedanken überbracht bekommen hatte, wusste der Absender selbst schon gar nicht mehr, worum es gegangen war. Halt, das Allertollste hab ich noch vergessen: Die Schrapnellen ersetzten (!) jegliche Konferenzen.

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