100 Jahre Frauenwahlrecht:Ihnen verdanken wir alles

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Der Anfang aller Rechte: Zum ersten Mal durften diese Frauen im Januar 1919 wählen. (Foto: dpa)
  • Die Geschichte des Frauenwahlrechts wird in nur wenigen Filmen und Romanen thematisiert.
  • Viele Vorkämpferinnen starben, bevor das Wahlrecht eingeführt wurde, in Deutschland war es ein Nebenprodukt der Novemberrevolution. Aber viele der Frauen waren schillernde Figuren.
  • Man könnte die Geschichten dieser Frauen längst hinein in den Alltag tragen.

Von Susan Vahabzadeh

Warum eigentlich haben die französische Revolution und der amerikanische Bürgerkrieg gefühlte tausend Filme inspiriert, während der Kampf ums Frauenwahlrecht ungefähr zwei Mal ins Kino fand? Ohne Übertreibung: "Suffragette" mit Meryl Streep war 2016 einer der ersten Filme zu diesem Thema überhaupt. Dabei war das Wahlrecht nicht einfach nur ein Meilenstein; die Rechte, die Frauen in dem Jahrhundert seit seiner Einführung in der Mehrheit der Länder eingeräumt wurden, die man heute als westlich bezeichnet, haben sie erst als Wählerinnen bekommen.

In den ersten Parlamenten, die Frauen mitgewählt haben - in England 1918, in Deutschland 1919, in den USA noch ein Jahr später - saßen fast ausschließlich männliche Abgeordnete. Aber auch die konnten es sich nun nicht mehr leisten, das halbe Wahlvolk vor den Kopf zu stoßen.

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Zum Allgemeinwissen gehört die Geschichte des Frauenwahlrechts nicht, sie inspirierte keine Flut von Filmen und Romanen. Vielleicht ist das Kapitel einfach nicht unterhaltsam genug. Die Frauen, die ums Wahlrecht kämpften, haben es meist nicht mehr erlebt, und davor lagen Hungerstreik und Elend. Da war Louise Otto-Peters, die um 1848 herum die erste deutsche Frauenbewegung auf den Weg brachte. Oder die Sozialistin Clara Zetkin, die sich um die Jahrhundertwende für die Rechte der Fabrikarbeiterinnen einsetzte; da war die Suffragette Emily Davison, die beim Rennen in Ascot 1913 auf der Rennbahn umkam, während ihre Mitstreiterinnen im Gefängnis zwangsernährt wurden. Oder Susan B. Anthony - sie schrieb den Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung, der Frauen, Jahre nach Anthonys Tod, das Wahlrecht gab. Ihre Zeitgenossin Victoria Woodhull lief im New York der 1870er-Jahre in Hosen herum und kandidierte für das Präsidentschaftsamt, obwohl Frauen da noch nicht mal wählen durften. Dass es über diese Frauen keine Filme gibt, ist nachgerade sträflich.

Nun haben viele Vorkämpferinnen die ersten Wahlen, an denen sie hätten teilnehmen dürfen, nicht mehr erlebt. In Deutschland wurde dieser Triumph ohnehin an den Rand gespült: Das Frauenwahlrecht, für das sich mehrere Generationen eingesetzt hatten, war letztlich ein Nebenprodukt der Novemberrevolution. Am 9. November 1918 wurde die Republik ausgerufen und in Berlin trat der Rat der Volksbeauftragten zusammen, am 11. wurde der Waffenstillstand unterzeichnet, am 12. stand im Aufruf des Rates "An das deutsche Volk", wie die neue Republik sich organisieren werde - das Frauenwahlrecht war da en passant miterwähnt. Und weniger als fünfzehn Jahre später wurden die Uhren dann sowieso wieder zurückgestellt.

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Dazwischen aber haben Frauen sich eingesetzt, deren Lebensgeschichten richtig unterhaltsam waren. Es sei hier nur Anita Augspurg erwähnt, Mitbegründerin des Deutschen Verbands für Frauenwahlrecht, Anwältin und Fotografin. Sie ist eine zentrale Figur einer Ausstellung der Monacensia im vergangenen Sommer gewesen, über frühe Münchner Frauenrechtlerinnen, zu der das Buch "Evas Töchter" von Ingvild Richardsen erschienen ist (Volk-Verlag, 25 Euro) - reich bebildert mit Fotografien aus Augspurgs Studio "Elvira".

Augspurg und ihre Mitstreiterinnen, in München organisiert im Verein für Fraueninteressen, waren durchaus schillernde Figuren. Sogar einen Allgemeinen Bayerischen Frauentag gab es, für den ersten, der 1899 in München stattfand, schrieb die Dichterin Marie Haushofer ein Festspiel, "Das Culturleben der Frau" - eine zentrale Rolle spielen da Amazonen, deren Anführerin sie rufen lässt: "Wir kennen keines Feindes Gebot, kein sklavisches Dienen! Lieber den Tod!"

Vielleicht wird die Vorgeschichte des Frauenwahlrechts so vernachlässigt, weil sie politisch, es ging anfangs meist um Arbeiterinnen, lange links angesiedelt war. Inzwischen steht die Gleichberechtigung lange schon im Grundgesetz, man könnte also ihre Schöpferinnen aus den Fachbüchern befreien und ihre Geschichten in den Alltag hineintragen. Denn wir verdanken ihnen alles.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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