Interview mit Walter Moers:"Ich kann mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als prominent zu sein"

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Bekannt ist Walter Moers als Schöpfer des "kleinen Arschlochs", Käpt'n Blaubär und der phantastischen Welt Zamoniens. Ein Gespräch über Provokation, Camouflage - und warum er eine Werk-Verfilmung à la "Game of Thrones" für unvorstellbar hält.

Interview von Lars Langenau

Walter Moers publizierte zunächst nur in Comic-Magazinen, dann erblickten in der Satirezeitschrift Titanic "Das kleine Arschloch" und "Adolf, die Nazi-Sau" das Licht der Welt. Er erfand Käpt'n Blaubär und emanzipierte sich 1999 wieder von der Fernsehfigur mit dem Roman "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär", das sich eher an Erwachsene als an Kinder richtet. Es folgten sechs weitere Zamonien-Romane.

Moers scheut die Öffentlichkeit. Er tritt nie bei Lesungen und Events auf, es gibt nur veraltete Fotos von ihm. Einigermaßen gesichert ist, dass er vor 60 Jahren in Mönchengladbach geboren wurde und sich das Zeichnen selbst beigebracht hat. Dieses Interview wurde per Mail über Moers' Verleger Wolfgang Ferchl geführt.

SZ: Sechs Jahre hörte man nichts von Ihnen, Ihre Fans befürchteten schon das Schlimmste. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Gerade ist der Roman "Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr" erschienen, nun folgt die Comic-Fassung des Romans "Die Stadt der Träumenden Bücher". Hat sich bei Ihnen ein Knoten gelöst?

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Walter Moers: Es war kein Knoten, auch keine Schreibblockade und für mich war es auch keine Pause, denn ich habe ja die ganzen Jahre gearbeitet, jeden Tag. Ich würde es eher als "Projektstau" bezeichnen. So ähnlich wie bei einer Geburt von Drillingen, wo jeder als Erster rauskommen will und sich alle im Geburtskanal drängeln. Und jetzt kommt einer nach dem anderen. Ich habe ja nicht nur an "Prinzessin Insomnia" und dem Comic gearbeitet, sondern auch noch an weiteren Zamonien-Romanen und anderen Projekten. So ist das bei mir eigentlich immer. Aber diesmal waren es extrem viele Sachen gleichzeitig.

Sie gelten als Eigenbrötler. Beide neuen Projekte aber haben Ko-Autoren. Jedenfalls behaupten Sie und der Verlag das. Oder ist das nur wieder eine Moerssche Finte? Sie behaupten ja auch, dass nicht Sie die Romane schreiben, sondern ein zamonischer Schriftsteller namens Hildegunst von Mythenmetz. Sie seien nur der Übersetzer.

Nein, das ist keine Finte, ich arbeite sehr gerne im Team und habe das immer gemacht. Sonst hätte ich mich ja nicht an Filmen oder Fernsehserien beteiligt sein können und nur Bücher geschrieben. Die beiden Ko-Autoren beziehungsweise Ko-Zeichner existieren wirklich. Und Sie heißen auch wirklich Lydia Rode und Florian Biege. Ich habe mit ihnen zusammengearbeitet, weil sie Dinge können, die ich nicht kann.

Was denn?

Ich habe ein eher gestörtes Verhältnis zur Farbgestaltung und tue mich damit immer sehr schwer. Ich koloriere meine eigenen Zeichnungen nur dann selber, wenn es unbedingt sein muss. Lydia Rode und Florian Biege besitzen hingegen beide eine Begabung zur Farbgestaltung, jeder auf seine Art. Florian arbeitet plastisch und digital, Lydia flächig mit echten Aquarellfarben. Ohne sie hätte ich diese Buchprojekte, die beide sehr viel mit Farben zu tun haben, gar nicht erst angefangen.

Warum legen Sie eigentlich so einen großen Wert darauf, nicht erkannt zu werden? Haben Sie Angst?

Ja, vor Prominenz. Ich kann mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als prominent zu sein, kein wirkliches Privatleben mehr zu haben. Ich weiß wirklich nicht, was beglückend daran sein soll, in der Öffentlichkeit von wildfremden Menschen erkannt zu werden. Das empfinde ich als einschränkend. Ich habe das anfangs am eigenen Leib erlebt, als ich noch öffentlich aufgetreten bin und Fotos von mir kursierten. Ich empfand es als unnatürlich, der Einzige in einem Raum voller Menschen zu sein, den alle kennen, während ich niemanden kannte. Deswegen habe ich aufgehört, mich fotografieren zu lassen. Und schon hörte das auf. So einfach war das. Aber das muss man rechtzeitig machen, von einem gewissen Zeitpunkt an kann man das nicht mehr abstellen. Mehrere Prominente haben mir schon gesagt, dass sie mich um meine Nichtprominenz beneiden.

Sie haben offenbar großen Spaß an der Camouflage. Der Blaubär erzählt "Seemannsgarn", in Ihrem ersten Roman gibt es die Figur des Stollentrolls, in ihrem jüngsten die des Havarius Opal, beides große Flunkerer. Kann man Ihnen denn irgendetwas glauben?

Ich weiß auch nicht, warum das Lügen in meiner Arbeit eine so große Rolle spielt. Vielleicht weil ich im wirklichen Leben ein sehr schlechter Lügner bin. Ich kann mich nicht gut verstellen und verfüge über keinerlei schauspielerische Fähigkeiten. Vielleicht versuche ich, das in meiner Arbeit zu kompensieren. Wahrscheinlich wäre ich gerne ein großer Lügner, begnadeter Trickbetrüger oder Politiker. Aber ich kann ja auch keine Witze erzählen und bin trotzdem Humorist geworden.

Wie muss man sich eine Zusammenarbeit mit Ihnen vorstellen? Sitzen Sie wochenlang mit Ihren Ko-Autoren zusammen oder geht das auch alles nur per E-Mail, so wie dieses Interview?

Es gibt ja neuerdings diese praktischen Kommunikationsgeräte mit einem Bildschirm und einer Tastatur, deren Handhabung mir meine Frau jeden Tag neu erklären muss. Mit denen kann man auch größere Informationen über extreme Entfernungen austauschen, selbst in andere Städte oder auf andere Planeten. Die haben mir in den letzten Jahren die Teamarbeit stark erleichtert, auch wenn ich ihre Funktionen nie verstanden habe. Irgendwas mit Geheimstrahlen, vermute ich.

Konkret: Wie war denn Ihre Rollenaufteilung mit Florian Biege?

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Ich habe die Textarbeit übernommen und ein Szenario gezeichnet, während Florian die ganze malerische Arbeit alleine gestemmt hat. Das heißt konkret, dass ich zunächst meinen Roman zum Comic umgetextet habe. Dann habe ich das Szenario gezeichnet, also eine skizzenhafte Vorzeichnung der Comicseiten - natürlich ohne Farbe. Und von da an hat Florian übernommen und alles sehr aufwändig ins Reine gemalt.

Welches der beiden aktuellen Projekte ist Ihnen wichtiger: der neue Roman oder die Graphic Novel?

Ich habe da keine Präferenzen. Für mich ist das alles ein großes Puzzle, in das ich jeden Tag ein paar Stückchen einsetze. Welches Puzzleteil dran ist oder als nächstes fertig wird, ist mir egal. Und ganz fertig werde ich hoffentlich nie.

Die meisten Verfilmungen von Romanen funktionieren nicht richtig beim Publikum, da die Vorstellungen der Leser von den Filmemachern nicht getroffen werden. Haben Sie nicht Angst, dass sie mit der Comic-Fassung Ihres Romans in die gleiche Falle laufen und Ihre Fans enttäuschen?

Nö. "Erwartungen werden grundsätzlich nicht erfüllt!" Ich glaube, Helge Schneider hat das mal so oder ähnlich gesagt. Ich würde noch hinzufügen: "Nur meine eigenen".

Der Comic wirkt, als hätten Sie eine Art "story board" für eine Verfilmung gemacht und schon mal jedes Detail festgelegt. Können Sie sich eine opulente Verfilmung Ihrer Romane à la "Game of Thrones" vorstellen?

Sie meinen mit Zwergen, die oralen Sex haben? Eher nicht.

Waren Sie eigentlich mit Ihrem neuen Roman auf der Buchmesse? Haben Sie sich dort mit Rechtsradikalen geprügelt? Immerhin wurden sie von denen einmal bedroht, nachdem sie 1998 Ihre böse Hitlersatire "Adolf - Äch bin wieder da" veröffentlicht hatten.

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Nein, ich gehe nicht auf Buchmessen und erst recht prügele ich mich nicht mit Rechtsradikalen. Für beides bin ich körperlich und nervlich leider nicht robust genug.

Apropos: Der Roman "Er ist wieder da" hat Ihre Idee von "Adolf", der in unsere Welt zurückkehrt, geklaut. Hat Ihnen der Autor Timur Vermes dafür Tantieme gezahlt?

Das ist mal eine wirklich gute Frage, die gebe ich an meinen Anwalt weiter. Im Ernst: Die Idee, dass Adolf Hitler den Zweiten Weltkrieg überlebt haben könnte, existiert seit der Nachricht von seinem Selbstmord, die ist leider nicht schützbar. Aber Vermes hätte sich wirklich einen anderen Titel ausdenken können, das war nicht sehr originell.

Der Comic-Autor Moers war mit "Adolf", aber auch mit dem "Kleinen Arschloch" der große Provokateur. Jetzt schwelgen Sie in fantastischen Welten. Ist das ein Rückzug vor den Realitäten?

Ja.

Was sind die Vorteile von Eskapismus und Traumwelten?

Weniger Realität?

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Dabei täte uns Provokation von der richtigen Seite doch gut. Oder sehen Sie das anders?

Das glaubt mir kein Mensch, aber ich wollte eigentlich nie provozieren. Ich bin eine konfliktscheue und höfliche Person, ich streite und diskutiere nicht gern. Als ich Comics wie "Adolf" gezeichnet habe, hielt ich das schlicht für selbstverständlich. Ich war selber am meisten davon überrascht, dass sich Leute von ein paar abstrakten Zeichen auf Papier derart provozieren lassen. Aber heute bin ich ihnen dankbar dafür, denn sie haben mir meine Karriere ermöglicht.

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