Zum Tod von Hannelore Elsner:Voller Lebensenergie und Eleganz

Hannelore Elsner prägte das deutsche Kino und Fernsehen über Jahrzehnte und krönte ihre Karriere mit einem fulminanten Spätwerk.

Nachruf von Tobias Kniebe

Es muss im Jahr 2000 gewesen sein, dass Hannelore Elsner einmal zum Filmfestival nach Cannes kam. Ihr Film "Die Unberührbare", Regie Oskar Roehler, lief in der Nebenreihe "Quinzaine des Réalisateurs". Das Strahlen aber, mit dem sie vor der Premiere im Garten des "Grand Hotel" saß, das war eher einer Hauptreihe würdig, wenn nicht gleich der Goldenen Palme. Kaum war sie im Hotel angekommen, erzählte sie, sprach sie ein Franzose an und gratulierte ihr dazu, die beste Schauspielerin des Festivals zu sein, und sie sagte: "You made my day". Der Trubel von Cannes erinnere sie an das Oktoberfest, aber das Wichtigste sei dieser ganz ruhige, tiefe Triumph: "So ein warmes Gefühl hier drin", und dabei zeigte sie auf ihren Bauch. Sie sei eben gerade nicht hart geworden in all den mageren Jahren, die auch wehgetan hatten: "Weil man ja schon weiß, dass man gut ist, aber oft weiß das die Welt eben noch nicht." Schwer zu beschreiben, diese Stimmung, sagte sie, halt so "ein ganz großes, stilles Ätsch-Gefühl".

Spätestens in jenen Jahren setzte sich tatsächlich langsam die Erkenntnis durch, dass sie eine der Großen war im deutschen Schauspielgeschäft, eine Reihe von schönen Alterswerken sollten noch auf sie warten. Das war nicht immer abzusehen im Lauf ihrer Karriere. Hannelore Elsner kam 1942 im bayerischen Burghausen zur Welt und wuchs in München auf. Ihr Vater arbeitete als Ingenieur bei Wacker Chemie, ihre Mutter in einem Schreibwarengeschäft. Schon im Alter von 17 Jahren startete sie ihre Filmkarriere an der Seite von Freddy Quinn in dem Millionenerfolg "Freddy unter fremden Sternen". Danach spielte sie auch Theater, unter anderem an den Münchner Kammerspielen.

Nach ihrem Teufelsritt in "Die Unberührbare" sah man sie endlich mit neuen Augen

Aber bald war sie fest in die Kino-Unterhaltungsmaschinerie der Sechzigerjahre integriert, an der Seite von Peter Alexander, Hansi Kraus, Georg Thomalla und wie die Publikumslieblinge der Zeit eben so hießen. Im Jahr 1973 wurde sie die erste westliche Darstellerin in einem Defa-Film, sie spielte eine Gräfin in "Aus dem Leben eines Taugenichts", danach driftete sie mehr und mehr ins Fernsehen, was schließlich zur "Kommissarin" führte, einer der ersten weiblichen Ermittlerinnen im liebsten Genre der Deutschen. Es war ihre bekannteste und am längsten laufende Rolle, die sie von 1994 bis 2006 für die ARD verkörperte. So verlässlich und beim Publikum beliebt sie auch war, ihr wirkliches Potenzial war da noch nicht ausgeschöpft. Es brauchte einen Rückzug vom Kino über fünfzehn Jahre, um für neue Möglichkeiten bereit zu sein - und mit Macht auf die große Leinwand zurückzukehren.

Der Regisseur Oskar Roehler, damals noch eher am Anfang seiner Karriere, sah in ihr die Frau, die seine eigene Mutter in ihren letzten Lebensjahren verkörpern konnte, die Schriftstellerin Gisela Elsner alias "Die Unberührbare". Eine harte Rolle, eine Frau am Ende aller Träume und Illusionen, konfrontiert mit Fehlern und falschen Hoffnungen und nicht zuletzt mit der grausamen Frage nach ihrer eigenen Bedeutung als Frau, Mutter und Künstlerin. Die Augen schwarz umrandet, die Gesten fahrig, und doch von einer Eleganz, die jedem billigen Kompromiss lieber den Tod vorziehen würde - so brachte Hannelore Elsner diese Frau auf die Leinwand, und es wurde einer ihrer größten Triumphe. Auf die Einladung nach Cannes folgten der Deutsche und der Bayerische Filmpreis als beste Hauptdarstellerin. Die größte Belohnung aber war natürlich, dass viele spannende Filmemacher sie nun mit ganz neuen Augen sahen, neue Rollen für sie schufen. Oskar Roehler drehte wieder mit ihr, "Fahr zur Hölle, Schwester", Oliver Hirschbiegel widmete ihr "Mein letzter Film", eine Tour de Force als alternde Schauspielerin im Solomodus, für die sie 2003 einen weiteren deutschen Filmpreis erhielt. Und der große Träumer des deutschen Films der Sechzigerjahre, Rudolf Thome, besetzte sie gleich in einer Trilogie - in "Rot und Blau" (2003), in "Frau fährt, Mann schläft" (2004) und "Rauchzeichen" (2006).

"Kirschblüten - Hanami" prägte sie sogar in den Szenen, in denen sie überhaupt nicht zu sehen war

Unter all diesen schönen Rollen der späteren Jahre aber war Doris Dörries "Kirschblüten - Hanami" noch einmal ein besonderes Erlebnis. Auch deshalb, weil Hannelore Elsner gar nicht den ganzen Film über anwesend sein musste, um doch mit ihrer Lebensenergie und Präsenz der eigentliche Motor der Erzählung zu sein. Eine Frau und ein Mann, ein Traum vom Leben und ein Traum von der Liebe, die nie recht zusammenpassen wollten - das ist der Beginn. Hannelore Elsner spielt Trudi, die gerne Künstlerin geworden wäre, Tänzerin im japanischen Butoh-Tanz. Aber jetzt ist sie alt und hat es nicht einmal nach Japan geschafft, "den Fuji sehen" und das Fest der Kirschblüte, gemeinsam mit ihrem Mann Rudi, gespielt von Elmar Wepper. Rudi ist ein mittlerer Beamter beim Amt für Abfallwirtschaft, in einer mittleren bayerischen Stadt. Er mag weder Reisen noch Abenteuer noch überhaupt Veränderung. Aber sie liebt ihn eben, da kann man nichts machen. Und er weiß, dass er todkrank ist, aber dann stirbt sie überraschend vor ihm, und auf einmal wagt Rudi den Sprung ins Unbekannte, den er sein Leben lang verweigert hat, wagt es, sich selbst noch einmal zu entdecken, und je mehr er dabei erfährt, desto stärker beginnt er, Trudi in seinem Inneren zu spüren. Er sieht die Tage der Kirschblüte, die Trudi immer sehen wollte, und den Fuji, von dem sie immer geträumt hat.

An diese leuchtenden, überbelichteten Bilder denkt man jetzt bei der traurigen Nachricht, dass Hannelore Elsner am Ostersonntag im Alter von 76 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben ist; an den "Platz zwischen den Dingen" des Zen-Buddhismus, und wie immer man ihn nennen mag, diesen finalen Ort des ganz großen, stillen, kirschblütenweißen Ätsch-Gefühls.

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