Hörspiel "Fischvibe":Tanzende Nixen

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Leander Fischer lädt in seinem Hörspiel "Fischvibe" zu einer Art Walpurgisnacht in Wien. Wer sich auf diese Grenzerfahrung einlässt, erlebt eine Stadt in fröhlicher Aufruhr.

Von Stefan Fischer

Die kleine Meerjungfrau hat Zukunftsangst. Weil sie kein Mensch ist, besitzt sie auch keine unsterbliche Seele. Eine grässliche Todesfurcht packt sie also, mit ihrem Hinscheiden wäre ja tatsächlich alles vorbei. Sie muss also eine andere werden, wenn sie eine Zukunft über das Diesseits hinaus haben will - ein Mensch. Deshalb steigt sie aus dem Wasser. Die Fähigkeit zu sirenengleichem Gesang allerdings muss sie dafür aufgeben, die Flossen in Beine verwandeln. Aber tatsächlich wird aus der Meerjungfrau an Land eine Lady.

Das geht gut. Zuletzt hatte sie gar nicht mehr im Meer gelebt, sondern im Fluss, war dadurch einem festen Boden unter den Flossen also bereits näher als im Ozean. Den alten Flussgöttern gefällt es allerdings nicht, dass die jungen Nixen ihre Identität abstreifen, sie wühlen das Wasser deshalb auf, der Pegel der Donau steigt.

In dieser unheiligen Nacht stehen Türen in Zwischenreiche offen

Und so fliehen sie alle in die Stadt in Leander Fischers Hörspieldebüt "Fischvibe". Die menschgewordene Meerjungfrau, die Donaufischer. Und treffen dort, in Wien, auf andere Nachtschattengewächse: auf einen Wiener mit einem Statuenfetisch, auf verkrachte Touristen, lebensunsichere Jünglinge und eine Kommissarin mit einem Hörspielfimmel. Alle gemeinsam feiern sie eine unheilige Nacht, in der Türen in Zwischenreiche offenstehen.

Das Hörspiel, stilsicher und kreativ inszeniert von Leonhard Koppelmann, folgt der Unlogik eines Traumes. Die Grenzen der Realität sind aufgehoben, die Gesetze der Wahrscheinlichkeit gelten nicht. Jede und jeder kann sein, was immer sie oder er sein möchte. Als Hörer zu versuchen, den Durchblick zu behalten, ist nicht möglich. Man muss sich selbst hineinstürzen in dieses Treiben, das mal pulsierend ist und dann wieder träger wird. Muss die Szenen an sich vorbeiziehen lassen. Und aufhören, die Dinge zu hinterfragen. Dann packen einen die Wiener Vibes.

Fischvibe , DLF, 16. Oktober 2021, 20.05 Uhr.

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