Auf der einen Seite Cornelia Hentschel. Sie lebt in der Wisbyer Straße, wobei sie momentan eher überlebt als lebt. Das Haus, in dem sie wohnt, wird saniert, sie ist geblieben. Gerade hat sie einen Wasserschaden, in der Wohnung über ihr wurden bei fließendem Wasser Rohre rausgerissen. Die Hausverwaltung ist nicht erreichbar. Irgendwann kommt ein Mitarbeiter der Berliner Feuerwehr und watet mit ihr durch das Desaster.
Auf ihren Satz, sie habe ein Recht darauf, dass ihre Wohnung unversehrt bleibe, antwortet der Mann achselzuckend, er sei da nicht der richtige Ansprechpartner. Außerdem: "Im Augenblick wird hier saniert, so ist ditt eben." Weg ist er. Und es bleibt die Frage im zerstörten Raum stehen, wer denn Ansprechpartner sein könnte für diese Frau. Und warum ditt eben so ist, wie es ist.
Schnitt. Das Maklerbüro Michael Schick Immobilien hat zu einer Präsentation ins Hotel Maritim eingeladen. Der alerte Mitarbeiter wirft Bilder einer alten Wohnung an die Wand und sagt mit fadendünnem Schmunzeln: "Typischer Fall: Querulantischer Altmieter zieht endlich aus. Der Eingangsbereich hat was von Bitterfelder Barock, das Bad ist nicht so, dass man da länger verweilen will. Was macht man damit? Bisschen Geld in die Hand nehmen, schön machen. Modernisierung ist die beste Kapitalanlage. Wir haben das für 21 000 Euro saniert. Wir dachten, wir kriegen 7,50 Euro für den Quadratmeter. Da hatten wir 30 Bewerber. Bei 8,50 hatten wir immer noch 15 Bewerber." Wer da nicht entmietet, ist selber schuld.
Das "empfehlenswerte Durcheinanderwohnen" aller Schichten? Längst vorbei
Schnitt. Dampferfahrt der SPD. Klaus Wowereit in seinem letzten Wahlkampf. Eine alte Frau klagt ihm ihr Leid, sie habe in ganz Berlin keine Zweizimmerwohnung finden können. Auch sie scheint auf der dringenden Suche nach einem Ansprechpartner zu sein und sagt zu Wowereit: "Hab vier Wohnungsämter abgeklappert. Die haben nichts mehr für mich." Wowereits Antwort: "Ja. Warum eigentlich nicht?" So als habe all das mit Politik schon lange nichts mehr zu tun.
Drei Szenen aus vier Jahren. Andreas Wilcke hat von 2011 bis 2015 den Berliner Immobilienmarkt beobachtet. Wobei das einerseits zu neutral, andererseits zu ruhig klingt. Der Titel des Films, "Die Stadt als Beute", zeigt schon eindeutig, auf wessen Seite der Dokumentarfilmer steht. Beute ist wehrlos, sie wird gerissen von hungrigen Raubtieren. Oder sie wird von Gangstern und Banditen zusammengerafft. Fragt sich, wo hier der Sheriff bleibt.
In Berlin herrscht Wildwest- und Goldgräberstimmung. Das sagen die Investoren und Bauherren in diesem Film alle, sie sprechen von dieser Stadt wie Gourmets von unfassbar reichhaltigen Menüs, die es in irgendeinem bizarren Restaurant noch immer zu Schleuderpreisen gibt. Einer der Makler zeigt zwei Londoner Investoren Wohnungen, pardon: "Einheiten" oder auch "Objekte", und zitiert dabei einen anderen britischen Kunden, der ihn ungläubig gefragt habe, ob das Haus radioaktiv verstrahlt sei, weil er sich den Preis anders nicht erklären konnte. Alle drei lachen ein derart dreckiges Lachen, das man in einem Spielfilm sagen würde, vielleicht doch etwas überzeichnet.