Die Welt verändert sich, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in Kunst und Theorie nach neuen alten Motiven. Bei der Rettung der Bienen geht es auch um den Menschen als soziales Wesen.
Viele Menschen entdecken gerade ihre Liebe zu den Bienen. In Bayern haben sich bereits am ersten Tag Tausende für das Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit" eingetragen. Die Bienenfreunde von heute können dabei auf eine lange Tradition der Faszination für das stachelige Insekt zurückblicken. Seit der Antike bewundern Menschen den Fleiß und das Sozialverhalten dieser Tiere.
Oft faszinierte die Gelehrten, die über das Gewusel im Bienenstock schrieben, so scheint es, weniger das Tier selbst, als vielmehr die Idee, am Beispiel der Biene etwas über den Menschen herauszufinden. Vom Bienenstaat zu lernen, wie ein komplexes Gemeinwesen organisiert ist, das ist ein Topos, der sich durch die gesamte Antike zieht, erklärt uns der Innsbrucker Altphilologe und Biologe Dominik Berrens.
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Die Initiatoren des Volksbegehrens in Bayern haben recht. Auch wenn noch nicht alle Ursachen des Artenschwunds erforscht sind, weiß man genug, um etwas zu verändern.
Aristoteles etwa zählt in seiner zoologischen Schrift "Historia animalium" sowohl Bienen als auch Menschen zu der ganz kleinen Gruppe der "sozialen Tiere". Dass all die Arbeiterinnen, Drohnen und die Königin in einem Bienenstock nicht für sich alleine leben können, sondern nur in Gemeinschaften, die auf ein größeres Ganzes hinarbeiten, deckt sich auf verblüffende Weise mit der aristotelischen Definition des Menschen als soziales und politisches Wesen, als Zoon politikon.
Am weitesten hat der römische Philosoph Seneca die Vermenschlichung der Biene getrieben. Bei dem Stoiker wird die Bienenkönigin zum Vorbild des guten Herrschers. In seiner Schrift "De clementia" will Seneca den jungen Kaiser Nero über die Kriterien angemessenen Regierens belehren - und wählt als Vorbild den Bienenstaat. Senecas Schrift zeigt, wie stark zeitgenössische Moralvorstellungen, biologisches Wissen und politische Agenda auf die Biene einwirkten, und das Insekt zum "political animal" machten. Dass die Bienenkönigin ihren Stachel nur ganz selten einsetzt, wird bei Seneca zum Sinnbild für eine Art naturrechtlicher Begründung des milden und gütigen Königs. Die Natur, so schlussfolgert Seneca, habe es so gewollt, dass auch der menschliche Herrscher auf Gewalt verzichte.
Nun sollte man den Vorbildcharakter der Bienen aber nicht überreizen. Das lehrt nicht nur der mäßige Erfolg, den Senecas Bienen-Parabel bei Nero hatte. Der historische Blick auf das Insekt zeigt auch: Mit seiner hierarchischen sozialen Ordnung war der Bienenstaat in der Antike vor allem eines - das Symbol für die perfekte Monarchie.