Architektur:Stararchitekt Scheeren gewinnt "Urban Habitat Award"

Singapur (dpa) - Als weltweit bestes Hochhausprojekt für städtischen Lebensraum ist der Wohnkomplex "The Interlace" des deutschen Stararchitekten Ole Scheeren in Singapur ausgezeichnet worden.

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Singapur (dpa) - Als weltweit bestes Hochhausprojekt für städtischen Lebensraum ist der Wohnkomplex "The Interlace" des deutschen Stararchitekten Ole Scheeren in Singapur ausgezeichnet worden.

Den neu geschaffenen Preis "Urban Habitat Award" verlieh erstmals der Rat für Hochhäuser und urbanes Wohnen (CTBUH) in Chicago. Der gestapelte, vielschichtige Komplex in Singapur bietet 1040 Wohnungen, mehrere Innenhöfe und viele begrünte, gemeinschaftlich nutzbare Flächen.

Das Projekt zeige die Möglichkeiten, mit Hochhäusern qualitätsvollen städtischen Raum zu schaffen, wenn man Wolkenkratzer nicht nur als einsam stehende, unverbundene Symbole betrachte, hieß es zur Begründung.

"Die Idee war, eine vertikale Dorfstruktur zu schaffen", sagte der 43-Jährige der Nachrichtenagentur dpa in Peking. "Es ging um die Frage, wie wir den Lebensraum der Menschen sowohl im individuellen als auch kommunalen Sinn neu definieren und daraus eine Gebäudestruktur entwickeln können." Scheeren hat das Projekt noch als Partner beim Office for Metropolitan Architecture (OMA) entworfen.

Der Karlsruher war durch den Bau der 2013 als bestes Hochhaus der Welt ausgezeichneten Sendezentrale von Chinas Staatsfernsehen CCTV in Peking bekanntgeworden. Er hatte sich 2010 selbstständig gemacht. Sein Architekturbüro in Chinas Hauptstadt zählt 40 bis 50 Mitarbeiter und baut derzeit Projekte in Peking, Kuala Lumpur, Bangkok und Singapur.

Der Bauherr in Singapur wollte ursprünglich neun Hochhäuser auf dem Grundstück bauen, doch Scheeren hatte eine andere Idee: "Man könnte auch sagen, ich habe die Hochhaustürme aus der Vertikalen genommen und umgeworfen – in die Horizontale gelegt und aufeinandergestapelt." Als Module benutzte Scheeren jeweils 70 Meter lange und 22 Meter hohe Hausblöcke, die in einem hexagonalen Raster aufgestellt wurden.

"Trotz der abstrakten Geometrie ist es fast kein Gebäude, sondern Teil einer Landschaft - ein Zwischenspiel von Natur und Zivilisation, das mich sehr interessiert." Die Vorgaben seien angesichts hoher Landpreise und vorgeschriebener Bebauungsdichte streng gewesen. "Wenn man nicht eine genaue Menge verkaufsfähiger Fläche erzeugt, baut das keiner, weil sich die Renditen nicht rechnen", sagte Scheeren, der auch für den Mittelstand bezahlbaren Wohnraum schaffen wollte.

Scheeren äußerte sich kritisch über den heutigen Immobilienmarkt, der nur wenig Spielräume lasse. "Die kommerziellen Vorgaben sind eine Zwangsjacke." Die finanziellen Regeln des Marktes müssten verstanden und "zu einem gewissen Grad bedient" werden. "Diese Spielregeln sind zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass Architektur heute so formelhaft aussieht", sagte Scheeren. "Es ist immer wieder das gleiche mit einer etwas anderes dekorierten Fassade."

Das Wohnprojekt "The Interlace" ist nachhaltig ausgerichtet. Die Sonnenbahn wurde für die Verglasung und der Wind für die im tropischen Singapur notwendige Kühlung berechnet. Viele Gebäudeteile werden natürlich belüftet. In den beschatteten Innenhöfen gibt es Plätze für einen Markt, ein Theater, Schwimmbad, Wasserparks, Bambusgarten, Teich und Hügel als Spielplatz. Die Feuerwehrzufahrt wurde als einen Kilometer lange Joggingstrecke ausgebaut.

"Es geht um drei Dinge: Natur, Gemeinschaft, Raum", sagte Scheeren. "Das Projekt gibt dem Bewohner durch die unterschiedlichen Räume eine große Vielfalt von Möglichkeiten und das Gefühl der Freiheit, sich zu entscheiden, wie er sich gerade fühlt und wo er gerade sein möchte." Mit der Bepflanzung auf den verschiedenen Ebenen und Terassen erreicht die Grünfläche am Ende 112 Prozent der bebauten Fläche. "The Interlace" wurde auch als besonders behindertengerecht ausgezeichnet.

Für die Zukunft hat Scheeren große Pläne: Sein Büro bewirbt sich um den Entwurf des höchsten Wolkenkratzer Chinas, der mit 660 Metern in einer nicht genannten südchinesischen Metropole entstehen soll. Auch in Berlin will der Architekt ein Büro eröffnen.

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