88. Academy Awards:Oscars 2016: Nacht des schwarzen Humors

Die Academy, vor allem aber Moderator Chris Rock, gehen offensiv mit den Debatten über Hautfarbe und Geschlecht um. Endlich.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

"Verdammt noch mal, natürlich ist Hollywood rassistisch!" Das war einer der Sätze, die Moderator Chris Rock zu Beginn der Oscar-Verleihung sagte. Noch einer: "Das war in den Fünfziger- und Sechzigerjahren auch schon so - doch die Schwarzen haben nicht protestiert. Warum? Weil es noch wichtigere Dinge gab. Wir waren zu beschäftigt damit, vergewaltigt oder abgemurkst zu werden, als dass wir uns darum hätten kümmern können, wer den Oscar für die beste Kameraführung gewonnen hat!" Noch einer: "Dieses Jahr werden im In-Memoriam-Teil die Leute gezeigt, die auf dem Weg zum Kino von Polizisten erschossen worden sind."

Es war die lustigste, bewegendste und beeindruckendste Eröffnung seit der von Billy Crystal im Jahr 1992. Vielleicht war es sogar die lustigste, bewegendste und beeindruckendste Eröffnung in der Geschichte der Oscars. Rock brachte keinen Elefanten mit auf die Bühne, der dann bis zum Ende der Sendung als Symbol für die #OscarsSoWhite-Debatte im Saal verbleiben durfte. Rock kam zu "Fight the Power" von Public Enemy auf die Bühne, er drückte sich nicht vor klaren Worten, er ließ sie einfach aus seinem Mund fallen.

Nicht nur als Anklage an die Academy, sondern auch an alle, die sich nun öffentlichkeitswirksam aufgeregt haben: "Klar ist das unfair, dass Will Smith nicht nominiert ist - aber es ist auch ungerecht, dass er 20 Millionen Dollar für Wild Wild West bekommen hat." Oder: "Nicht alles ist immer gleich sexistisch, nicht alles ist immer gleich rassistisch. Wir fragen die Männer nicht nach ihren Outfits, weil sie eh alle das Gleiche anhaben!"

So ging das, zehn Minuten lang. "It's funny because it's true", sagen die Amerikaner zu dieser Art von Humor. Es ist lustig, weil es wahr ist.

Entlarvende Selbstironie

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences hatte sich dazu entschlossen, endlich mal offensiv mit den Debatten über Hautfarbe und Geschlecht umzugehen, die es ja nicht erst seit ein paar Tagen gibt. Vor allem aber tat sie das endlich nicht so bedeutungsschwanger oder gar selbstgefällig, wie sie das in den vergangenen Jahren immer wieder getan hatte - sondern mit entlarvender Selbstironie.

Die für den Oscar als bester Film nominierten Werke etwa wurden in Einspielern mit schwarzen Schauspielern (herrlich: Tracy Morgan als "The Danish Girl") persifliert, Chris Rock befragte wie schon im Jahr 2005 schwarze Kinogänger in Compton, ob sie die nominierten Filme überhaupt gesehen hätten. Die häufigste Antwort: "Nein".

Die Academy hat damit eine Botschaft gesendet - und es war die einzige des Abends. Nein, es war die erste seit vielen, vielen Jahren. Wer sich vor der Verleihung mit Filmemachern in Hollywood unterhalten hat, der hat erfahren: Es gibt keine Agenda, das Gerede von "die Academy" ist nichts weiter als ein bedeutungsloser Mythos. Die Academy wollte im vergangenen Jahr mit der Auszeichnung von "Birdman" keineswegs Independent-Filme unterstützen oder eine Nachricht an den Fortsetzungs- und Superhelden-Wahn in Hollywood schicken. Es haben schlicht und einfach die meisten Mitglieder für diesen Film gestimmt.

So einfach funktioniert Hollywood. So pragmatisch.

Die Academy: 91 Prozent weiß, 76 Prozent männlich

Natürlich muss deshalb über die Zusammensetzung dieser Akademie diskutiert werden, die den noch immer wichtigsten Filmpreis des Jahres vergibt. Die Los Angeles Times hat die Academy-Mitglieder analysiert und festgestellt, dass 91 Prozent davon weiß und 76 Prozent männlich sind. Vor vier Jahren waren es 94 und 77 Prozent - das ist nicht wirklich ein Fortschritt.

"Es ist nicht genug, zuzuhören und derselben Meinung zu sein", sagte Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs deshalb: "Es ist an der Zeit, über die Zukunft zu sprechen. Wir müssen etwas tun." Was genau in der Zukunft getan werden muss, das verriet sie allerdings nicht.

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