Die SZ aus junger Sicht:Gesucht: digitaler Begleiter mit Humor

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Die US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez spielt das Computerspiel "Among Us". (Foto: Screenshot Youtube)

Erst verunsichert ein Handwerker den SZ-Volontär in Berlin, dann will die Redaktion auch noch einen Text über die Gegenwart und die Zukunft der Zeitung. Beste Voraussetzungen für einen optimistischen Ausblick.

Von Johannes Korsche

Die SZ mietet seit Jahren schon ein kleines Apartment in Berlin, Volontärinnen und Volontäre, die für ein paar Monate in der Berliner Parlamentsredaktion arbeiten, wohnen während dieser Zeit dort. Das nur zur Erklärung, warum der Handwerker, der Ende August vor eben jener Apartmenttür steht, zur Begrüßung sagt: "Süddeutsche Zeitung? Arbeitest du da?" Damit ist das Thema für den kurzen Smalltalk gesetzt, während der Mann, vielleicht um die 35 Jahre alt, den Wasserzähler im Bad ausliest.

Und so erzählt man, dass ein Volontariat eine Art betriebsinterne Ausbildung ist, die zwei Jahre dauert und in mehrere Redaktionen führt. "Und danach", will er wissen, "was kann man damit machen? PR oder Marketing oder so?" Dass die berufliche Zukunft im Journalismus, vielleicht sogar bei der SZ, liegen könnte, scheint dem Mann kein logischer oder erstrebenswerter Weg zu sein. Und so kommt auch der Volontär ins Zweifeln: Hat die SZ überhaupt eine Zukunft? Und wie wirkt sie überhaupt auf die Jungen, die diese Zukunft irgendwann einmal finanzieren müssen? Anlass für eine Bestandsaufnahme. Und einige Ableitungen für die SZ.

Was denken die Jungen über die SZ?

Um das zu erfahren, hat die SZ ihre Follower unter 30 Jahren auf Instagram gefragt: "Was hältst du von der SZ?" Die Kommentare unter dem Aufruf reichten vom pauschalen "Gute Zeitung" zu "SZ steht für mich für gute Recherche und Reportagen". Ein anderer Nutzer wünschte sich eine verbesserte Suche nach Artikeln auf der SZ-Homepage (tatsächlich ist der beste Weg derzeit, bei Google zu suchen und den Zusatz "sz.de" hinzuzufügen). Eine andere Nutzerin lässt ihrem Unmut mal freien Lauf: "Ich halte nichts von eurer Zeitung und würde euch niemals abonnieren oder irgendwie finanziell unterstützen. Zu viele Artikel sehr einseitig und zu wenig Eigenrecherche." Uff.

Doch das ist nicht das Schlimmste. Denn eigentlich hatte der Aufruf darum gebeten, Mails zu schicken. Doch es kam: keine einzige. Ist den Jungen die SZ also einfach egal? Selbst den SZ-nahen Followern? Sollte der Volontär vielleicht doch mal nachfragen, ob er bei dem Betrieb des Wasserablesers in der Unternehmenskommunikation anfangen kann?

Welche Medien nutzen Jugendliche?

Weitet man den Blick darauf, wie junge Menschen allgemein Medien nutzen, fällt auf: Texte versprechen künftig kein boomendes Geschäft. Laut der Studie " ARD/ZDF Massenkommunikation Trends 2021" lesen 14- bis 29-Jährige im Schnitt zwei Minuten täglich Texte in einer gedruckten Zeitung. Immerhin: Online lesen die unter 30-Jährigen durchschnittlich 32 Minuten. Der mit Abstand höchste Wert im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen.

Sind sie also grundsätzlich desinteressiert an der Welt? Mitnichten. Sie konsumieren nur andere Medien: 86 Minuten hören die unter 30-Jährigen demnach täglich Musik oder Podcasts. Mit Videos verbringen sie jeden Tag sogar mehr als drei Stunden. Das Internet ist - grob gesagt - längst kein Ort mehr für Texte und wandelt sich derzeit - noch gröber gesagt - von einem Fotomedium (Instagram) zu einem Videomedium (Tiktok, Youtube).

Was bedeutet das für die SZ?

Zunächst mal gelangt man zu einer Erkenntnis, die für eine stolze Tageszeitung keine leichte ist: Künftig auf eine gedruckte Zeitung zu setzen, wird kaum die Existenz sichern - unabhängig davon, was auf den gedruckten Seiten steht. Immerhin: Haben die unter 30-Jährigen online ein oder mehrere Medien für sich entdeckt, sind sie nicht lesefaul. Wenngleich 32 Minuten am Tag kein allzu großer Kuchen ist, den sich die vielen deutschen Verlage da teilen müssen. Wenigstens ist es mehr als der Zwei-Minuten-Print-Brösel.

Damit nun also die Jungen ihre Lesezeit auf den digitalen Seiten der SZ verbringen, müssen sie die Zeitung erst mal kennen. Der offensichtliche Weg dafür: die großen sozialen Plattformen. Nur: Wie kann die SZ eine möglichst große und enge Followerschaft aufbauen (also mit Followern, die auch auf Leseraufrufe antworten)? Mit einem plattformgerechten, eigens auf die jeweilige Plattform abgestimmten Angebot. Also: Podcasts für die inzwischen Millionen potenziellen Zuhörer. Und: plattformgerechte Videos für Youtube und - vorbehaltlich einer Prüfung zur Datensicherheit - Tiktok.

Was heißt "plattformgerecht" auf Youtube?

Da die SZ die Logiken der Plattformen nicht beeinflussen kann, entsteht bei jedem SZ-Profil ein schwieriger Spagat: Was plattformgerecht ist, muss schließlich nicht "SZ-gerecht" sein. Eines aber ist der SZ und dem Internet gemein: Humor. Auf der altehrwürdigen gedruckten Seite eins sind zwei feste Plätze fürs Schmunzeln reserviert: das "Streiflicht" und der "Kasten". Warum also sollte die SZ im Internet immer bierernst daherkommen?

Ein Beispiel, wie das aussehen könnte: journalistische Let's-Play-Formate auf Youtube. Man kann es per se doof finden, dass Menschen anderen Menschen dabei zugucken, wie Letztere ein Videospiel zocken. Man kann es aber auch journalistisch nutzen: Wäre es nicht interessant, wenn die Spitzenkandidaten einer Bundestagswahl gegeneinander "Among Us" spielen würden? Ein Spiel, bei dem eine Gruppe Astronauten ihr Raumschiff reparieren müssen, es allerdings einen unbekannten Verräter gibt, der unterdessen die anderen Crew-Mitglieder umbringt. Zwischendurch berät sich die Mannschaft, wer der Verräter sein könnte, und wen sie, weil sie ihn oder sie verdächtigt, aus dem Weg räumen will. Bei diesen Beratungen entspinnt sich ein Netz aus Intrigen, Verdächtigungen und Lügen. Wie würden Scholz und Merz (oder Söder) in diesem Setting miteinander reden? Wie gut kann Lindner lügen? Wie moralisch sind die Grünen noch, wenn sie mordend durchs Raumschiff spazieren und das vertuschen wollen?

SZ und Tiktok: Könnte das funktionieren?

Noch ist die SZ nicht auf Tiktok aktiv. Aus nachvollziehbaren Gründen: Der chinesische Betreiber ByteDance und seine Datenschutz-Richtlinien sind nur die gewichtigsten. Trotzdem hat sich die App gerade bei den Jüngeren längst durchgesetzt, fast drei Viertel der 16- bis 19-Jährigen nutzen sie laut einer repräsentativen Umfrage. Will die SZ sie erreichen, würde kaum ein Weg an einem Tiktok-Account vorbeiführen. Aber was könnte die SZ dort überhaupt bieten? Ein tanzender Chefredakteur würde zwar wunderbar in die App passen, für die SZ ist das aber wohl kaum vorstellbar - und noch weniger erstrebenswert.

Anders wäre das aber bei einem täglichen Newsformat, das informiert und dabei Memes - also lustige Internettrends - aufgreift. Einzelne Funk-Formate wie smypathisch (knapp 250 000 Follower, 5,7 Millionen Likes) oder der Auftritt der tagesschau (1,3 Millionen Follower, fast 34 Millionen Likes) zeigen, dass ein solches Format ein Publikum finden kann.

Zudem bietet die Livestream-Funktion auf verschiedensten Plattformen (Youtube, Tiktok, Twitch) eine unschätzbar gute Möglichkeit, Transparenz zu schaffen: mit einem digitalen "Tag der offenen Redaktion", an dem Konferenzen und Diskussionen in der Redaktion live gestreamt werden. Anschließend können die Zuschauerinnen und Zuschauer dann dabei sein, wie der Aufmacher auf der Seite eins, der prominenteste Nachrichtentext der Ausgabe, entsteht. Vorwürfe wie "zu wenig Eigenrecherche", wie von der Nutzerin auf Instagram kritisiert, dürfte man damit sehr schnell entkräften.

Also: PR oder SZ?

Oder anders gefragt: Werden genug Junge die SZ künftig kaufen, damit der Volontär auch später bei der SZ arbeiten kann? Ja. Wenn die SZ es schafft, die Jungen digital dort zu erreichen, wo sie sich eh aufhalten. Und sie dann so anspricht, wie sie es gewöhnt sind. Dann wird sie als Zeitung zu einem Begleiter im Alltag, den man ein paar Jahre später abonniert. Noch dazu, wenn es nicht wesentlich mehr kostet als ein Netflix-Abo.

Ach ja, eine Antwort ist dieser Text noch schuldig: Anders als der Handwerker vermutete, wird der Volontär auch "danach" bei der SZ bleiben. Im Podcast-Team. Noch so ein Zukunftsmarkt für Journalismus.

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