Spielzeughäuser:Baukunst im Kleinformat

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Flächige Glasfenster, moderne Architektur - auch Puppen, Lego- und Playmobilfiguren wohnen gerne in schicken Häusern. (Foto: Karina Hessland/imago images)

Ökohaus, Pultdach, Photovoltaikanlage: Auch Spielzeughäuser passen sich aktuellen Trends an. Wie Architektur die Miniaturwelt beeinflusst.

Von Jochen Bettzieche

Vier Wände, Giebeldach, Fenster und Haustür - so einfach können Spielzeughäuser aussehen. Aber die Kundschaft ist wählerisch. Auch Puppen, Lego- und Playmobilfiguren wohnen gerne in modernen Gebäuden. Doch wie beeinflusst die große Architektur eigentlich die Miniaturwelt? Und was kommt gerade besonders gut an?

Diese Fragen beschäftigen auch die Modellbaufirma Faller. Aktuell hat sie ein Architektenhaus mit Plattendach im Sortiment. "Das Original steht in der Schweiz und wurde vor drei Jahren komplett kernsaniert", sagt Hendrik Mielke, Leiter der Entwicklung bei Faller. Los ging es 1961, als die Firmengründer Edwin und Hermann Faller auf dem Weg in den Urlaub eine besonders schöne Villa entdeckten. Sie gefiel ihnen so gut, dass sie sich diese nicht nur im heimischen Gütenbach nachbauen ließen, sondern schließlich auch im Maßstab 1:87 als Bausatz "Villa im Tessin" auf den Markt brachten. "Damals haben wir mit zeitgenössischer Architektur angefangen", erzählt Mielke.

Erste Inspiration für einen Bausatz mit zeitgenössischer Architektur fanden Edwin und Hermann Faller bei einer Villa im Tessin. (Foto: Faller)

In den Achtziger- und Neunzigerjahren kooperierte das Unternehmen mit Herstellern von Fertighäusern und vertrieb unter anderem das Siemens-Hochhaus, für das ein Gebäude der Faller-Fabrik in Gütenbach Vorbild war. Nach der Wende kamen Plattenbauten dazu, in den vergangenen Jahren dann moderne Wohnhäuser mit Solaranlagen und aktuelle Architektenhäuser. Aber das ist oft gar nicht so einfach. Meistens haben Architekten Urheberrechte an Gebäuden. Manchmal gelingt es, sie in die Planung einzubeziehen - aber nicht immer. "Seit Jahren fragen Kunden nach einem Hundertwasser-Haus, aber die Rechte liegen bei einer Familienstiftung, und wir bekommen niemanden für eine klare Aussage", sagt Mielke.

"Jede Spielzeuglandschaft nimmt die Architektur ihrer Nation auf."

Gerade Puppenhäuser spiegeln häufig architektonische Vorlieben wider, auch wenn sie ursprünglich gar nicht zum Spielen gedacht waren. "Im 17. Jahrhundert griffen die ältesten überlieferten Puppenhäuser aus Nürnberg den Baustil der dortigen Patrizierhäuser auf", sagt Claudia Selheim, unter anderem verantwortlich für die Spielzeugsammlung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

Im 19. Jahrhundert waren in Großbritannien Puppenhäuser im viktorianischen Stil angesagt. Anfang des 20. Jahrhunderts kam in Deutschland der Heimatstil in Mode. In den USA hingegen sehen die Spielzeughäuser aus wie Farmen im Mittleren Westen oder New Orleans. "Jede Spielzeuglandschaft nimmt die Architektur ihrer Nation auf", erklärt Selheim.

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Ein Sonderfall ist Queen Mary's Dolls' House. Das hatte der Architekt Edwin Lutyens in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts für die britische Königin Mary entworfen. Lutyens war einer der großen Architekten seiner Zeit und hat unter anderem das Art-déco-Gebäude der Midland Bank in Manchester und Paläste in Indien entworfen. Das Puppenhaus war nicht zum Spielen gedacht, sondern sollte die Kunstfertigkeit englischer Handwerker zeigen.

Ein anderer Architekt hat sich hingegen ganz dem Spielzeug verschrieben: Vitool Viraponsavan, der vor 40 Jahren Plan Toys gründete. Das Unternehmen vertreibt seine Produkte rund um den Globus. Worauf kommt es also an? "Entscheidend ist, ob der Baustil eine längere Zeit Bestand hat und als solcher wahrgenommen wird", heißt es beim deutschen Vertriebspartner.

In Deutschland ist ein Gebäude besonders gefragt: das Puppenhaus Öko, mit Windturbine, Recycling-Tonnen und Solarmodulen auf dem Dach. Gerade der Einsatz erneuerbarer Energien wird in Spielzeugwelten immer häufiger nachgebildet. Das zeigt sich auch an den Gebäuden des dänischen Herstellers Lego. So hatte bereits 2011 ein Wohnhaus eine Solaranlage, damals noch auf dem traditionellen Giebeldach. Schon 2017 sah das anders aus. Da wurde der kubische Baustil bei den Dänen beliebter. Strom lieferte die aufgeständerte Photovoltaikanlage. Und wie selbstverständlich laden die Spielzeugfiguren ihre Elektrofahrzeug an der hauseigenen Wallbox.

Bei Playmobil sind jetzt Pultdächer im Trend

Es hat sich viel getan seit den Fünfzigerjahren. Aber schon damals ähnelte die Spielwelt der Architektur, wie sie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Städten üblich war. Im Jahrzehnt später folgten klassische Einfamilienhäuser, mit Giebeldach, manchmal mit L-förmigem Grundriss. Erste überdachte Stellplätze tauchten auf.

Anfang der Siebzigerjahre kamen dann Reihenhausbungalows auf den Markt. So, wie damals in vielen Neubausiedlungen Häuser errichtet wurden, mit Flachdach. Und wenn Kinder Anfang der Achtzigerjahre in freistehende Einfamilienhäuser mit Garten umzogen, bezogen auch die Legofiguren ihr eigenes Haus mit Terrasse, Garten und Markise.

Was es nicht alles gibt. Hier ein eher minimalistisches Spielzeughäuschen. (Foto: Lego)

Playmobilfiguren mussten da noch warten. Der Spielwarenhersteller aus Zirndorf hatte Ende der Siebzigerjahre mittelalterliche Gebäude auf den Markt gebracht. Der Vorteil: Dort konnten Ritter genauso gut wohnen wie Briefträger und Polizisten. Prospekte zeigten dann auch unter anderem ein Müllfahrzeug zwischen den historischen Bauten.

Ende der Achtzigerjahre erschien als erstes moderneres Wohngebäude ein kleines Ferienhaus. Bis zum ersten bespielbaren modernen Wohnhaus mussten die Figuren aber noch mehr als ein Jahrzehnt warten.

Heute sieht die Spielzeuglandschaft deutlich vielfältiger aus. Die Figuren haben die Wahl, ob sie in ein klassisches Stadthaus oder in ein modernes Wohnhaus ziehen wollen. Hier hat Playmobil zum Beispiel die derzeit gerne errichteten Pultdächer ins Design übernommen. Das Besondere am Pultdach ist, dass es nicht zwei geneigte Flächen, sondern nur eine hat. Die obere Kante bildet dabei den Dachfirst, der immer über der hohen Wand, also der höchsten Wand des Hauses steht.

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