Leserbriefe:Der Kern von Hass und Hetze

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Wie umgehen mit Hasskommentaren? Und bis zu welchem Maße sollte Kritik ernst genommen werden? (Foto: Thomas Trutschel/Imago)

SZ-Leser begrüßen eine Analyse aktueller Verschwörungsmythen. Das Ergebnis und die Zielrichtung sehen sie allerdings kritisch.

" Die Vermessung des Hasses" vom 9. August:

Kritik ernst nehmen

Es ist beruhigend, wenn sich eine Gruppe wissenschaftlich mit Inhalten auseinandersetzt, während Politiker etwa AfD-Wähler lediglich als Protestwähler, Demokratiefeinde et cetera abstempeln. Und genau hier besteht für mich das größte Problem: "Andersdenkende" werden von vielen einfach dem rechten Spektrum zugeordnet, deren Kritikpunkte als "Verschwörungsmythen" abgetan, egal, ob es sich um offensichtlichen Unsinn oder um möglicherweise berechtigte Kritik handelt. Es ist so viel einfacher, Kritiker als lächerlich oder Nazis darzustellen, anstatt sich inhaltlich mit deren Argumenten zu befassen.

Dabei gäbe es auch im scheinbaren Schwurbler-Sumpf berechtigte Kritik zu finden: Gehören Scheuers Maut-Debakel und die bayerischen Maskendeals nicht zum Thema "fragwürdige Eliten", die ohne Strafe davonkommen? Haben sich nicht manche Kritikpunkte, die in der Corona-Krise lächerlich gemacht wurden, im Nachhinein als wahr herausgestellt: Ausgangssperren-Gerichtsurteil, kaum Ansteckungsschutz durch die Impfung, massive psychische Folgen? Entschuldigten sich aber die Politiker bei denen, die sie zu Unrecht diffamiert haben?

Als "kleiner" Mathematiker widerlegte ich beispielsweise des Öfteren statistische Aussagen von Politikern oder Presse schon direkt nach ihrer Publikation (zum Beispiel Ländervergleiche zur angeblich durchschlagenden Wirkung der Impfkampagnen) - meine Schüler verstanden dies problemlos, die verantwortlichen Politiker hielten aber noch lange nach widerlegten eigenen Aussagen an diesen fest und verspielten so das Vertrauen vieler Menschen.

Ich selbst bin zwar nicht ins Reich der AfD abgewandert, ich kann aber verstehen, wenn jemand nach solchen Erfahrungen "etablierten" Politikern nicht mehr trauen kann und sich neue Vertraute sucht - dagegen würde in meinen Augen nur ein nicht-fragwürdiges, ehrliches und wertschätzendes Verhalten helfen, kombiniert mit der Aufrichtigkeit, auch Probleme offen anzusprechen. Die Partei, die diese Grundzüge lebt, suche aber auch ich gerade leider vergebens.

Holger Nachtigall, Sachsenried

Diagnose geht am Problem vorbei

Die größte Gefahr für unsere Demokratie sind nicht die paar Funktionäre der AfD, es sind die vielen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sie wählen. Bitte setzen Sie sich endlich damit auseinander: Wer folgt aus welchen Gründen Populisten, wie gehen wir mit deren heutigen Wählern um und - ganz wichtig - wie vermeiden wir künftige? Welche Rolle müssen Elternhaus, Schule... spielen?

Von allen real existierenden Gesellschaftsformen ist die Demokratie die schönste, aber auch die anstrengendste, denn es gibt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die Regierung hat eine Bringschuld, aber die Bürger haben auch eine Holschuld. Es müssen nicht allein die "Ampelkoalitionäre ... kämpfen ... besser erklären ..." und, wie auch schon zu lesen war: "die Menschen emotional abholen", diese Menschen müssen die vierte Gewalt in unserer Demokratie, die anerkannten Medien, dazu nutzen, sich zu informieren, damit sie Entscheidungen und die dahinter stehenden Absichten nachvollziehen und mittragen können. Ich warte immer noch auf den ersten Beitrag, der sich endlich mit der Frage beschäftigt, wie wir dahin kommen, der also, um bei Ihrer Wortwahl zu bleiben, wirklich eine detaillierte Diagnose vorstellt und anschließend Therapievorschläge macht.

Klaus Werner, Erlangen

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