Söders Genderverbot:Intoleranz, wie sie der AfD gefällt

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Selbstverständliche Gleichberechtigung - oder Kulturkampf? Markus Söder möchte das Gendern nicht mehr zulassen. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Das angekündigte Verbot geschlechtergerechter Sprache an Schulen und in Behörden stößt auf Kritik.

"Die Sternchen-Krieger" vom 16./17. Dezember:

Ein sinnloses Verbot

Bayern und Hessen haben ein Genderverbot an Schulen und Behörden angekündigt. Haben wir keine größeren Probleme in diesen Bundesländern und in Deutschland? Werden Gender-Sternchen künftig als Fehler bei schriftlichen Arbeiten in Schulen und Hochschulen gewertet, die eine schlechtere Benotung zur Folge haben? Wie will man dieses Verbot umsetzen, kontrollieren oder sanktionieren? Der neue deutsche Pisa-Schock sollte uns nachdenklicher machen, auch der Klimawandel oder die zunehmende (Alters-)Armut in unserem Land.

Eine gendersensible Sprache (geschrieben und gesprochen) trägt zum inklusiven Denken bei, dass Frauen und Männer gleichwertig sind, egal ob in der Familie, in der Schule oder im Beruf. Auf ein so sinnloses Verbot, das vermutlich nur von der AfD gelobt wird, sollte man verzichten. Für "mein" Bundesland Bayern gesprochen: Wo bleibt die oft zitierte typische Großzügigkeit (Liberalitas Bavariae), mit der Ministerpräsident Söder unser Land gerne als liberal, tolerant und weltoffen bezeichnet? Das Gendern staatlich zu verbieten, ist das Gegenteil von liberal und weltoffen. Zu Recht wehren sich auch bayerische Lehrkräfte, ein solches Verbot an Schulen umzusetzen.

Dr. Anneliese Mayer, Taufkirchen/Vils

Vorarbeit für die extreme Rechte

Dass CDU- und CSU-Politiker wie Mario Voigt, Boris Rhein, Markus Söder oder Klaus Holetschek gegen das Gendern mehr oder weniger populistisch Sturm laufen, zeigt ein bedenkliches Manko an Sensibilität für Fragen der Freiheit. Und es zeigt eine Immunschwäche konservativer Kreise gegenüber den Versuchen der Semi- und Vollnazis in unserem Land, Rechtsaußen-Denke im Mainstream zu etablieren. Oberflächlich betrachtet mag es sich beim Gendern um ein Randthema handeln, doch in Wahrheit bietet es gerade der AfD eine subtile Möglichkeit, "volksnah" identitäre Leitplanken ins alltägliche Weltbild großer Teile der Bevölkerung einzuziehen. Für AfD-Ideologen und -Propagandisten wie Maximilian Krah bedeutet die Alleinherrschaft des generischen Maskulinums nichts weniger als die naturgegebene Dominanz des Mannes über die Frau. Hinter seinem Männlichkeitskult glaubt er wohl, und vielleicht nicht zu Unrecht, Ego-verletzte Geschlechtsgenossen zu einem bräunlichen, antifeministischen Widerstandsbund zusammenschweißen zu können.

Wird das Gendern verboten, erschwert dies die Bewusstseinsbildung für Geschlechterungerechtigkeit. Gleichzeitig fällt es leichter, alte Rollenklischees zu konservieren oder zu reanimieren. Zum Glück werden nicht alle Christdemokraten schwach und verraten Freiheiten, wenn ihnen dafür wählertaugliches Publikum applaudiert. In Freiheitsfragen wachsamer und schlicht unverkrampft erscheint die Haltung der NRW-Spitzenpolitik. Sie überlässt die Sprache sich selbst, die sicherlich irgendwann noch eingängigere Formen für verbale Gleichberechtigung hervorbringen wird. Sprech- und Denkverbote jedoch, wie sie Teile der Christdemokraten durchsetzen wollen, ebnen den Weg zur allgemeinen Akzeptanz auch weiter reichender Zensurmaßnahmen, die die AfD schon längst in petto hat und mancherorts bereits in Angriff nimmt.

Volker Nenzel, Köln

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