Zum Tod von Queen Elizabeth II.:Monarchie zwischen Trauer, Glanz und Zukunftssorgen

Lesezeit: 6 min

Briten, royale Fans, aber auch die Commonwealth-Staaten trauern um die verstorbene Queen. Ein Kondolenzbuch liegt nicht nur in London aus, sondern auch in Malaysia. (Foto: Annice Lyn/Getty Images)

Voller Ehrfurcht gedenken die einen der verstorbenen Queen und ihrer Lebensleistung und fragen sich, wie es in England weitergeht. Andere nervt der royalen Kitsch der vergangenen Tage.

"Der Abschied", " Die Rolle seines Lebens", "Die Rührende" und "Elizabeth die Große" vom 10./11. September und weitere Artikel:

"God Save the Queen"

Die Welt wird eine Königin wie Elisabeth II. nicht wieder sehen. Die "Ewigkeit" ist zu Ende. Fassungslos stehen die Briten sowie royale Fans aus aller Herren Länder in Trauer vereint. Ich bin kein Anhänger der Monarchie, aber die englische Königin habe ich bereits zu Schulzeiten, als die Sex Pistols sie mit "God Save the Queen" gewaltig aufs Korn nahmen, gemocht. Sie ließ sich nie aus der Fassung bringen und war auch in stürmischen Zeiten ein Fels in der Brandung.

Zudem verkörperte sie zeitlebens Tugenden, wie sie immer seltener werden: Pflichtbewusstsein, Fleiß, Standhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit und Demut. Sie diente ein Leben lang treu ihrem Volk und der Krone. Sogar eine der größten Rockbands aller Zeiten benannte sich nach ihrem Titel. Eine wie sie, die stets unaufgeregt wirkte, wird in der Spitzenpolitik seit Jahren schmerzlich vermisst.

Klarer Verstand und ein kühler Kopf zeichneten sie zeitlebens aus. Ich bezweifle, dass King Charles III. in ihre Fußstapfen treten kann. Der Öko-Aktivist Charles ist ein Meinungsvertreter und wirkt daher eher polarisierend. Seine ideelle Nähe zu den Befürwortern von "The Great Reset", die eine "New World Order" proklamieren, hat ihm weltweit Anfeindungen beschert. Sein Sohn William und dessen Frau Kate repräsentieren hingegen ein modernes und aufgeschlossenes Gesellschaftssystem. Sie wären die bessere Wahl für den Thron gewesen.

Alfred Kastner, Weiden

Zweifelhafte Ehre

Elizabeth II. hatte die zweifelhafte Ehre der Regentschaft einer Epoche des rapiden politischen, kulturellen und demografischen Niedergangs ihrer Nation, nicht nur des Empires, sondern auch der britischen Inseln selbst.

Oliver Stumpf, Wolfsburg

Royaler Kitsch

Meiner Einschätzung nach wird dem Tod der englischen Königin zu viel Raum in der SZ gewährt. Er mag für das Vereinte Königreich bedeutend sein, für mich ist er es nicht; entgegen Marietta Slomkas Behauptung haben weder ich noch meine Bekannten einen Schock erlitten. Und eine Königin aller liberaler Demokratien brauchen wir nicht. Dieser Tage wird ein royaler Kitsch in den Medien verbreitet, als wenn wir noch im Mittelalter lebten. Der Tod Putins wäre für uns wichtiger, aber der würde nicht so breit abgehandelt.

Norbert Tholen, Jüchen

Nicht zu bedauern

In dem sehr inspirierenden Beitrag hat Nele Pollatschek Elisabeth II. ins beinahe Überirdische gehoben, wo der Mensch nicht hingehört und auch nicht glücklich werden kann. Immerhin könnte die Queen so als Vorbild wahrgenommen werden, das allein durch seine demonstrative Perfektion Merkmale einer tragischen Figur angenommen hat. Dagegen wirkt die Überschrift "Die Rührende" sentimental herablassend.

Ich glaube nicht, dass Königin Elisabeth II. zu bedauern ist. Ich denke, dass die Türen ihres Schlafzimmers abends geschlossen wurden und Prinz Philip sie dann nicht mit "Ihre Majestät" angesprochen hat. Ich bin mir auch sicher, dass Elisabeth ihren Gatten Philip geliebt hat, so wie junge Frauen überall auf der Welt lieben, und dass sie auch glücklich war. Die unzähligen Belastungen des praktischen Lebens, die mehr oder weniger jeder Mensch ertragen muss, ändern daran nichts. Ich erinnere an den Satz von Albert Camus: "Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen."

Warum wirkte Königin Elisabeth trotz ihrer natürlichen Freundlichkeit so unnahbar? Warum durfte man sie nicht nach ihrem Befinden fragen? Ich denke, das erklärt sich aus dem Umstand, dass sie so jung zur Regentin eines ehemaligen Weltreichs mit großer Tradition gekrönt worden war. Sie war auf diese Rolle kaum vorbereitet und musste vermeiden, etwas falsch zu machen oder etwas Falsches zu sagen. Da war das "never complain, never explain" (niemals beschweren, niemals erklären) ein guter Rat, den man ihr frühzeitig mit auf den Weg gegeben haben mag. Denn sowohl "complain" (beschweren) als auch "explain" (erklären), sind Eingeständnisse von Schwäche. So ersucht das "explain" um Verständnis. Später, als sie genügend Sicherheit gewonnen hatte, gab es keinen Grund, von diesem Prinzip abzurücken. Es hatte sich bewährt. Ein einfaches Leben fiel ihr nicht besonders schwer, sie war von Jugend an daran gewöhnt. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Inszenierung vielleicht etwas. Ein einfaches Leben wirkt per se transparent und makellos.

King Charles ist in einer anderen Lage. Er hat den größten Teil seines Lebens hinter sich, seine Mutter hatte es vor sich. Er hatte mehr Freiheiten und Gelegenheiten, Fehler zu machen, aber auch Kompetenzen und politische Anliegen zu entwickelt. Da er aber auch als König nicht die Macht hat, diese politischen Anliegen durchzusetzen, könnte der Eindruck der Nutzlosigkeit der Monarchie verstärkt werden. Mehr als jeder Politiker ist die britische Monarchie und ihre Führung auf dauerhafte Zustimmung einer Mehrheit angewiesen. Das muss Charles nun auf andere Weise erreichen als seine Mutter.

Rainer von Mellenthin, München

Glanz, Gloria und Krone

Bei allem Respekt vor der verstorbenen Monarchin erscheinen mir die ersten Nachrufe manch ungerechtfertigte Überhöhungen zu enthalten. So werden die Namen der in ihrer 70-jährigen Amtszeit wechselnden britischen Premierminister oftmals nur als "Randfiguren" genannt - vielleicht geht man davon aus, dass der Name der Königin in der künftigen Geschichtsschreibung diese Politiker überschatten wird. Dabei haben sich Winston Churchill, Anthony Eden, Harold Macmillan, Harold Wilson, Margaret Thatcher und John Major mehr oder weniger erfolgreich mit handfesten sozialen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Problemen herumschlagen müssen, bei denen die Königin nach der Verfassung keine Mitsprache hat, nur zuschauen oder hinter den Kulissen einen unverbindlichen "Ratschlag" geben konnte. Man denke an die Suez-Krise in den 1950er-Jahren, die Reformära unter Harold Wilson in den 1960er-Jahren, der sich übrigens weigerte, britische Truppen nach Vietnam zu schicken, oder den Falklandkrieg und die schweren Arbeiterunruhen unter Margaret Thatcher, der "Eisernen Lady", in den 1980er-Jahren.

Ein "enormes Vermächtnis des Friedens und Wohlstands für Großbritannien", wie es Donald Trump ausdrückte, ist mit Elizabeth II. nicht verbunden, kann es qua Amt auch gar nicht, sondern nur mit den von ihr ernannten Regierungschefs, deren Regierungserklärungen sie im Parlament zu verlesen hatte. Eine "Integrationskraft von historischer Bedeutung", die ihr zugeschrieben wird, scheint mir übertrieben und nicht realistisch zu sein. Als Staatsoberhaupt in 70 Jahren niemals in Israel gewesen zu sein, ist das auch historisch? Oder ganz alltäglich: In Zeiten schwerer wirtschaftlicher Zerreißproben, die das Land zum Beispiel mit gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen erlebte, die die immensen Kosten des königlichen Hofstaates samt großer Familie, aus Steuermitteln finanziert, in ein groteskes Missverhältnis setzten, hatte sie keine wirklichen Einflussmöglichkeiten. Die britische Königsfamilie gehört zu den reichsten der Welt, erhält aber aus dem Steueraufkommen der Bevölkerung jährlich rund 90 Millionen Pfund "Apanagen" zum Unterhalt der Familienangehörigen.

In den Nachrufen wird der unprätentiöse Repräsentationsstil von Elizabeth II. hervorgehoben, da können wir mit unserer parlamentarischen Demokratie nicht mithalten. Erst recht nicht, wenn wie in Deutschland blasse Politiker ihr Land, nach Parteienproporz gewählt, repräsentieren, von Heinrich Lübke über Horst Köhler bis Christian Wulff. Frank-Walter Steinmeier besticht auch nicht gerade mit besonderer Ausstrahlung und Überzeugungskraft, ein politischer Beamter eben an der Staatsspitze. Da guckt man natürlich doch mit neidischem Seitenblick auf Glanz, Gloria und Krone, auch wenn das ein Heidengeld kostet. In den Nachrufen wird das jedenfalls deutlich. Aber immerhin: Der neue König Charles III. machte zum Amtsantritt bisher keine schlechte Figur. Womöglich wird er sogar kräftigere Akzente setzen als seine Mutter - allen Unkenrufen zum Trotz.

Wilfried Mommert, Berlin

Wo bleibt die Monarchiekritik?

Ich mag die SZ meistens, doch die Berichterstattung über die britische Monarchie in den letzten Tagen ist meines Erachtens peinlichste Hofberichterstattung. Echt jetzt? Tiefe Trauer in Deutschland? Warum das denn? Wo bleiben die kritischen Töne, sei es zu Kolonialismus oder Dekolonisierung, zum Rassismus, zum undemokratischen Selbstverständnis... Wo kommen die Monarchiekritiker zu Wort? Demokratische Vielfalt und Kontroverse wären sehr viel wichtiger als das Gedöns, das man in den letzten Tagen leider in der SZ lesen musste. Ich würde gerne wieder mehr über die anderen, drängenderen Themen in der Welt lesen.

Barbara Rusch, München

Unruhige Zeiten

Jedem Anfang wohnt angeblich ein Zauber inne. Jeder Anfang birgt aber auch Gefahren, denn jeder Anfang ist der Beginn von etwas Neuem, dessen Ausgang offen ist. Auch der Wechsel an der Spitze einer Monarchie ist so ein Neuanfang. Queen Elizabeth wusste um die Gefahren, die ein Neuanfang für die britische Monarchie bedeutet.

Ist ein Staatsoberhaupt, das keine demokratische Legitimation aufweist und daher in politischen Fragen zum Schweigen verurteilt ist, noch zeitgemäß? Wie ist es um eine Monarchie, die den Namen "Vereinigtes Königreich" trägt, bestellt, wenn die vier Länder des Königreichs sich durch Uneinigkeit auszeichnen und mindestens ein Land offen den Austritt anstrebt? Diese Fragen stehen seit Langem im Raum. Es ziemte sich nur nicht, diese Fragen einer hochbetagten Regentin zu stellen, die längst selbst zur Institution geworden war. Queen Elizabeth wusste, dass es ihre Person war, die das britische Königshaus vor kritischen Fragen schützte und den Status quo garantierte. Darum harrte sie bis zuletzt auf dem Thron aus. Für die Monarchie in Großbritannien brechen nun unruhige Zeiten an.

Roland Sommer, Diedorf

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung , gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und dem Wohnort. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de . Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: