Leserbriefe:Was an Andreas Scheuer kleben bleibt

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Minister mit Mautdebakel: Der CSU-Politiker Andreas Scheuer. (Foto: Bernd Elmenthaler/Imago)

Der CSU-Verkehrsminister hat die Steuerzahler 243 Millionen Euro gekostet. SZ-Leser erörtern Konsequenzen jenseits einer Haftung.

"Minister mit beschränkter Haftung" vom 1. August, "Die Mauterei" vom 5. August und Leitartikel "Der Fall taugt nicht" vom 9. August:

Vorsätzlich Millionen versenkt?

Auch Ministerinnen und Minister sind Menschen. Bedeutet, dass auch für diese hohen Amtsträger § 823 BGB gilt, der lautet: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder ein sonstiges Recht widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet." Unter "sonstiges Recht" ist auch das Recht auf Vermögenserhaltung, damit Schonung des Staatsvermögens, zu sehen, das Scheuer massiv verletzt hat. Dummheit schützt vor Strafe nicht, mehr als Dummheit, das heißt Vorsatz, ist aber, wenn wie hier von Scheuer Verträge unterschrieben wurden, obwohl die Vertragspartner keinen Druck gemacht haben und bereit waren, noch zuzuwarten, sowie die Rechtsberater den Minister vor Unterschrift gewarnt haben, solange das Urteil des EuGH nicht vorliege.

Auch wenn es hier offenbar ein Haftungsprivileg für Ministerinnen und Minister geben sollte, muss es damit ein Ende haben, damit der Steuerzahler nicht noch öfter für Volltrotteleien in Haft genommen wird. Jeder kleine Einzelkaufmann, jeder Geschäftsführer und auch Vorstände und Aufsichtsräte haften für Fehler mit dem eigenen Vermögen, während Leute wie Scheuer trotz einer wohl der Eitelkeit geschuldeten Fehlleistung für den Rest ihres Lebens eine hohe Pension kassieren, die sie nicht verdient haben. Auch ein Politiker muss den alten Spruch der Römer beachten: "Was auch immer du machst, tue es weise und bedenke das Ende." Voraussetzung dafür natürlich: Er muss in der Lage sein, einen/seinen Verstand einzusetzen. Fehlt es daran, dann fehlt es auch an der Kompetenz für ein Ministeramt.

Ferdinand von Stumm, München

Unqualifiziert fürs Amt

Laut Amtseid sollte jeder Minister Schaden vom deutschen Volk abwenden. Das ist bei der Einführung einer Pkw-Maut durch Minister Scheuer gründlich danebengegangen. Der Schaden beläuft sich auf 243 Millionen Euro zuzüglich der Millionen, die in die Einführung der Pkw-Maut gesteckt wurden. Nun lässt Nachfolger Wissing die Möglichkeit von Regressansprüchen an seinen Vorgänger prüfen - ein populistisches Unterfangen, das wohl keine Aussicht auf Erfolg hat. Weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit noch Untreue verfangen nämlich juristisch. Scheuer wird davonkommen. Das Problem ist nicht juristischer Art.

Die Problematik liegt darin begründet, wie welche Leute in hohe politische Ämter gelangen können. Lapidar bleibt festzustellen, dass es in der Politik genügt, gewählt zu werden. Kein Kandidat muss eine schulische oder berufliche Qualifikation nachweisen. Die Liste der politischen Amtsträger ohne beruflichen Abschluss ist lang und reicht von Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt über Omid Nouripour und Ricarda Lang bis zu Kevin Kühnert.

Zwar hat Scheuer einen beruflichen Abschluss und sogar einen "kleinen Doktortitel", erworben an der Uni Prag, bei ihm ist es aber wie bei vielen anderen Politikern, sie müssen für ihr Ressort keinerlei Fachwissen mitbringen und nachweisen. Auch hier ist die Liste der von jeglichem Fachwissen unbeleckten Politiker lang, die aus Gründen des Partei-Proporzes oder einfach, weil sie dran waren, zu Ministerämtern kamen.

Überzeugende Beispiele sind der ehemalige Lehramtsanwärter Sigmar Gabriel als Wirtschafts- und später Außenminister, Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin, der Kinderbuchautor Robert Habeck als Umwelt- und Wirtschaftsminister oder eben Scheuer, der mit dem ersten Examen zum Lehramt an Realschulen Verkehrsminister werden konnte, obwohl er weder von der Führung eines Ministeriums noch vom Verkehrswesen an sich irgendeine Ahnung hatte.

Josef Geier, Eging am See

Deal für die CSU

Bundesverkehrsminister Volker Wissing sollte die Option, seinen Amtsvorgänger Andreas Scheuer wegen des Mautdesasters in Regress zu nehmen, nicht vorschnell fallen lassen. Vielmehr sollte die Bundesregierung der CSU folgenden Deal vorschlagen: Die Bundesregierung erklärt sich bereit, auf Regressforderungen gegen CSU-Minister a. D. Scheuer zu verzichten, wenn im Gegenzug die bayerische Staatsregierung ihre Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich zurückzieht.

Markus Söder wäre gut beraten, diesem Deal zuzustimmen. Statt zu jammern, dass der Länderfinanzausgleich ungerecht sei und Bayern über Gebühr belaste, sollte er die Ausgleichszahlungen als Schadenersatz betrachten, den der Freistaat für die gescheiterten CSU-Prestigeprojekte (Betreuungsgeld, Ausländermaut...) zu leisten hat.

Roland Sommer, Diedorf

Söder und die CSU schweigen

Wolfgang Janisch hat die derzeitige Ministerhaftung im Leitartikel sachlich erörtert und begründet. Die gewisse erkennbare Inschutznahme des verantwortlichen Ministers Scheuer ist jedoch nicht nachvollziehbar. Auch die SZ ist in diesem Fall gehalten und der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet, die politische Bedeutung der Gesamtschadenssumme von 322 Millionen Euro (243 Millionen Euro Schaden und 79 Millionen Euro Kosten) sehr deutlich zu kommunizieren. Scheuer hat wissentlich (!) vor der EU-Entscheidung die Verträge unterschrieben. Grund hierfür war die Kampagne der Christlich-Sozialen, betitelt als "Ausländermaut". Im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl in Bayern sowie das auffällige Schweigen zum Fall Scheuer seitens der CSU-Führung ist das eklatante ministerielle Fehlverhalten deutlich und offensiv aufzuzeigen.

Volker Muth, Waltenhofen

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