Leserbriefe:Bücherverbrennung als heikle Grenze

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Als Protest gegen eine Koranverbrennung in Schweden sind in Bagdad im Juli 2023 Regenbogenfahnen bei einer Demonstration verbrannt worden. (Foto: Hadi Mizban/dpa)

Nach Koranverbrennungen in Schweden gibt es eine Debatte, ob die deutsche Gesetzeslage nachgebessert werden sollte.

"Heilige Meinungsfreiheit" und "Gotteslästerung unter staatlichem Schutz" vom 29./30. Juli:

Empört euch!

Bücherverbrennungen sind und bleiben ein Akt der Barbarei - ganz gleich, ob dieser Akt der Gewalt den Koran trifft, die Thora oder die Bibel, ob Schriften von Marx, Freud, Adorno oder Sartre.

Die Botschaft der Bücherverbrenner ist simpel und eindeutig: "Ich nehme mir heraus, dich in dem zu attackieren, was dir heilig ist - sei es deine sexuelle Identität, dein Wertekanon oder deine religiöse Überzeugung. Das sind höchstpersönliche Bereiche, in denen du am verletzlichsten bist. Und: Du kannst dich nicht wehren. Denn du bist in der Minderheit. (Im Falle Schwedens: in der muslimischen Bevölkerungsminderheit.)"

Wo bleibt der Protest aller aufrechten Demokraten gegen diese Attacken - in Schweden, in Deutschland oder anderswo ? Wo bleiben die friedlichen Gegendemonstrationen der Zivilgesellschaft, die sich schützend vor die Minderheiten stellt?

Dr. Gabriel Ehren, Essen

Freiheit zur Bücherverbrennung?

Unter dem Slogan "ban the banning of books" wurde zuletzt in Illinois gesetzlich vorgeschrieben, dass Bücher in öffentlichen Bibliotheken grundsätzlich nicht verboten werden dürften; ein Versuch, der zunehmenden Einschränkung der künstlerisch-intellektuellen Freiheit im Land entgegenzuwirken. In Europa wird derzeit diskutiert, ob eine Extremform des book-banning, nämlich die Verbrennung von Büchern, unter die freie Meinungsäußerung fällt. In der SZ wird die Frage erläutert, ob die Verbrennung des Korans, wie in Schweden zuletzt geschehen, auch in Deutschland rechtlich erlaubt wäre (Antwort: ja, wäre es). Die große Bedeutung der Meinungsfreiheit wird am Beispiel von George Grosz' "Christus am Kreuz mit Gasmaske" hervorgehoben und zu Recht gefolgert, dass solche Kritik nicht wegen religiöser Gefühle verboten werden darf. Der Vergleich erscheint mir jedoch ein wenig schief.

Während bei Grosz eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Rolle der Kirche im Krieg stattfand, wird bei der Verbrennung von religiösen Schriften allein die Ausmerzung von Wissen und Meinungen bildlich propagiert. Es stellt sich die Frage, warum die symbolische Vernichtung von Wissen unter die freie Meinungsäußerung fallen soll. Man braucht nur kurz den Nationalsozialismus zu bemühen, um festzustellen, dass die Bücherverbrennung vom Mai 1933 - das Symbol gerade der Zensur der Freiheit von Wissenschaft und Kunst - wohl kaum unter die Meinungsfreiheit fallen würde. Nach dieser Logik wäre hingegen die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen, obgleich sie einen ähnlich großen Aufruhr in der arabischen Welt verursachen, sehr wohl eine zulässige Form der freien Meinungsäußerung. Ich würde mir folglich für Deutschland wünschen: "ban the banning and the burning of books!".

Max Groneck, Groningen

Ähnlicher Schutz wie bei Flaggen

Der "uralte Blasphemie-Paragraf 66" kann wohl kaum genutzt werden, um Bücherverbrennungen zu verbieten. Das Artikelfazit ist, dass der Meinungsfreiheit wegen Koranverbrennungen, die nicht von "besonders gravierenden herabsetzenden Äußerungen" begleitet sind, in Deutschland geduldet werden müssen. 90 Jahre nach der öffentlichen Bücherverbrennung am Münchner Königsplatz vom 10. Mai 1933 beunruhigt der Gedanke an erneute Bücherverbrennungen in Deutschland. Den Grund dieser Unruhe hat Heinrich Heine, 112 Jahre vor jener Bücherverbrennung erfasst: "Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen" (Almansor, 1821). Heinrich Heine wusste nur zu gut, was während Pogromen und der Religionskriege in Europa geschehen war. Das Verbrennen des Symbols einer Gemeinschaft ist immer eine kaum verschleierte Morddrohung an diese Gemeinschaft. Die Verfasser des Strafgesetzbuch-Paragrafen 90a "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" haben es erkannt: Dieser Paragraf stellt das Verbrennen einer "öffentlich gezeigten Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder" unter Strafe. Eine Verbrennung von Symbolen einer Gemeinschaft darf nicht geduldet werden. Dabei ist es völlig irrelevant, was man vom Gedankengut dieser Gemeinschaft hält - es gibt genug angemessene Weisen, diese Meinung auszudrücken, ohne auf eine Morddrohung zuzugreifen. Wenn die Rechtslage noch nicht ermöglicht, Bücherverbrennungen zu verbieten, dann muss das Gesetz verbessert werden. Am besten wäre es, den Paragrafen 90a auf allerlei Symbole von Gemeinschaften wie unter anderem die LGBT-Flaggen und den Koran auszuweiten.

François Bry, München

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