Feministische Außenpolitik:Ein Experiment mit Schwierigkeiten

Lesezeit: 4 min

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat "Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik" vorgestellt. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Annalena Baerbock möchte eine feministische Außenpolitik betreiben. Nicht alle SZ-Leserinnen und -Leser sind davon begeistert.

"Demnächst dann mit Katar" und "Vorbild Schweden", beides vom 2. März:

Bitte mehr feministische Politik

Männliche Politik funktioniert ja eher so, dass die Protagonisten immer zeigen müssen, wer der Stärkere im Ring ist. Es gibt wenig Toleranz, Konflikte sind programmiert und im Prinzip unausweichlich. Dabei wird natürlich auch gelogen, dass sich die Balken biegen. Die Reden der Trumps, Putins, Berlusconis, Orbans, Netanjahus (...) dieser Welt strotzen nur davon. Sie sind ja schließlich vom starken Geschlecht, oder?!

In der feministischen Politik - so, wie unsere Außenministerin Annalena Baerbock sie praktiziert - läuft das anders. Es wird die Wahrheit gesagt und nichts beschönigt. Es gibt keine ausgefeilten Floskeln, hinter denen eigentliche Kritik nicht mehr erkennbar ist. Negative Beurteilungen werden offen kommuniziert. Beim Besuch anderer Staaten werden die obligatorischen Blumensträuße abgelehnt und vielen reinen Frauenprojekten/-initiativen eine Visite abgestattet. Ich wünschte mir, Politiker würden auch einmal die feministische Politik ausprobieren. Aber ich vermute, die können nicht über ihren Schatten springen und hacken lieber wie aufgeblasene Gockel aufeinander herum...

Achim Bothmann, Hannover

Feministische Außenpolitik ist unnötig

Ich habe es als Frau es satt, ständig in einem Atemzug mit vermeintlich benachteiligten Bevölkerungs- und Randgruppen genannt zu werden. Ich fühle mich als Frau nicht benachteiligt. Sollte eine andere Frau das anders empfinden, gibt es jede Menge Gesetze, die hier zum Tragen kämen. Ich brauche und will keine spezifisch feministische Außenpolitik. Ich sehe auch nicht, wie eine feministische Außenpolitik strategisch weiterhilft.

Sabine Geißler, München

Humanismus statt Feminismus

Frau Baerbock hätte ihre Außenpolitik besser als "Humanistische Außenpolitik mit Fokus auf Frauen" beschreiben sollen. Die Inhalte sind gut, weil humanistisch. So wären unter anderem in arabischen Ländern keine gestressten und ablehnenden Emotionen ausgelöst worden.

Das Ausklammern der Männer deutet auf einen Tunnelblick hin, also auf eine Einseitigkeit im Denken und Handeln. Gleichstellung funktioniert nur mit Frauen und Männern, nicht gegen Männer. Einen erheblichen Teil der Verwirklichung der im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichheit der Geschlechter haben die Männer zu bewältigen. Sie müssen über ihre tradierte Männerrolle reflektieren. Das kostet Zeit und viele, viele sachliche Informationen. Nur immer wieder auf die Rechte der Frauen zu pochen, macht den Männern Angst, erzeugt Gegenwehr und Hohn.

Frauen übernehmen nach wie vor den größten Teil der Erziehung und haben es eigentlich in der Hand, die Söhne entsprechend zu erziehen, auch - vor allem - in der Sexualerziehung. Die Religionen spielen hier meiner Meinung nach eine viel zu große Rolle, leider eine negative.

Ich möchte noch einen kleinen Blick auf die sogenannte Gendersprache werfen, die bei der Mehrheit nur Kopfschütteln auslöst. Mit meinen 80 Jahren kann ich bei den Wörtern die Bürger, die Patienten, die Lehrer etcetera an alle Menschen denken. Ich brauche vor allem keine Denkanweisungen.

Erika Pullwitt, Düsseldorf

Ein Kulturwandel zum Schlechten

In der Fastenzeit soll man Verzicht üben. Dem komme ich gerne nach und verzichte auf "Kulturwandel" à la Baerbock, einen "feministischen Reflex" (bin froh, wenn meine anderen Reflexe funktionieren) und "Gender Budgeting", am liebsten auch auf Gender-Sternchen und die "-innen"-Verhunzung unserer Sprache. Auf eine spezielle "Botschafterin" für "feministische Außenpolitik" verzichte ich ebenfalls mit Freuden, ohne freilich zu wissen, was damit genau gemeint ist. Vielleicht sollte ich an einer "Pflichtfortbildung" teilnehmen, um hinter all dem modischen Geschwätz einen Sinn erkennen zu können. Wie soll zum Beispiel die avisierte Exzellenz ausgestattet sein? Botschaftsresidenz sowie Diplomatenpass inklusive? Brauchen wir dann für jedes Land, in dem es deutsche Botschaften gibt, eine Extra-Dame und für Saudi-Arabien et alii gar zwei Damen?

Renate von Törne, Hof/Saale

Gleichberechtigung hilft allen

Ich wünsche mir mehr Gleichberechtigung und bin der Überzeugung, dass dies auch den Männern zugutekommen würde. Auch Männer benötigen eine Emanzipation, zum Beispiel von Rollenbildern und von Statusorientierung. Meine Kritik an der "feministischen Außenpolitik" von Annalena Baerbock:

Darin reproduziert sich latent die traditionelle Überheblichkeit des Westens, der die ganze Welt von oben herab betrachtet. Es geht um die Erzählung: "Wir sind die Zivilisation und haben die Mission, die Barbaren zu zivilisieren."

Ungleichheit hat aber immer mit einem Verhältnis zu tun: Man kann die Benachteiligung der anderen nicht überwinden, ohne die eigenen Privilegien infrage zu stellen. Die "Helfer" sind selbst nicht immer ganz unschuldig an der "Unterentwicklung" der anderen gewesen. Eine "feministische Außenpolitik" benötigt deshalb eine Kritik von hegemonialen Verhältnissen und ihrer Geschichte.

Feministisch soll zunächst die Innenpolitik sein, dann die Außenpolitik. Die westliche Gesellschaft leidet an der chronischen Unfähigkeit, sich selbst zu reflektieren: Wie viele Frauen sitzen in Deutschland in den Parlamenten oder an der Spitze von Universitäten? Wie geht man mit einer katholischen Kirche um, die immer noch von Männern stark dominiert wird? Werden Migranten in Deutschland nicht ein wenig wie Frauen behandelt, wenn Andersartigkeit mit Mangel gleichgesetzt wird?

Auch Margaret Thatcher war eine Frau. Ich finde die Außenpolitik von Annalena Baerbock sehr männlich, genauso wie manche Stellen in ihrem Lebenslauf. Der Habitus ist bei Ungleichheit entscheidender als die Worte. Ich habe das Gefühl, dass sich viele Frauen (genauso wie unter anderem Menschen mit Migrationshintergrund) stark assimiliert haben - und teilweise maskuline Merkmale noch stärker zum Ausdruck bringen. Denn der gesellschaftliche Kontext, der uns alle erzieht, fördert immer noch das: Statusorientierung, Stärke, Wettbewerb, und so weiter. Das Problem ist also nicht nur "Frauen versus Männer", sondern "Feminität versus Maskulinität". Feminismus bedeutet nicht nur mehr Frauen an der Spitze, sondern weniger Spitzen. Es geht darum, die Gesellschaft als Zusammenleben in der Vielfalt anders zu denken.

Dr. Davide Brocchi, Köln

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung , gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und dem Wohnort. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de . Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: