"Harte Kritik an Weselsky zum Streikbeginn" vom 7. März und Kommentar "Ihr Problem" vom 9. März:
Für Schichtarbeiter unzureichend
Man muss Herrn Weselsky nicht mögen. Aber wie die Medien sich auf diesen Mann stürzen, ist einfach unerträglich. Die GDL hat mit allen anderen Bahnunternehmen mehr oder weniger geräuschlos Tarifverträge abgeschlossen, die eine 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter vorsieht, nur mit der Deutschen Bahn gibt es Probleme. Die Bahn hat zuletzt lediglich eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 36 Stunden bis 2028 angeboten. Und begonnen werden soll damit erst 2026.
Wer im Home-Office oder zwischen 8 und 17 Uhr in der SZ-Redaktion tätig ist, kann vielleicht schwer nachvollziehen, wie die Schichtarbeit das Familienleben, die sozialen Kontakte und die Gesundheit beeinträchtigt und manchmal auch ruiniert. Noch ein kleiner Tipp: Wer ständig über fehlendes Personal jammert, der findet dieses, wenn er gute Arbeitsbedingungen anbietet.
Werner Jünemann, Göttingen
Aufhören mit dem Zirkus
Es hat mittlerweile fast den Anschein, als liege der Fokus nicht mehr auf den Verhandlungen, sondern auf dem Gewinnen von Aufmerksamkeit - oder lehne ich mich zu weit aus dem Fenster? Dabei stellt sich allerdings eine Frage: Welche Aufmerksamkeit erlangt die GDL denn noch mit ihren Streiks? Denn eines ist klar: Das Verständnis sowohl der Politik als auch der Bevölkerung nimmt ab. Am härtesten treffen die Streiks Bürgerinnen und Bürger, die auf eine funktionierende Bahn angewiesen sind. Ich möchte der GDL keineswegs ihre Forderungen absprechen, es geht um die Wahl der Mittel. Um es mit den Worten des TV-Moderators Oliver Welke zu sagen: Ich bin instinktiv immer auf Gewerkschaftsseite, aber Weselsky macht es einem schon verdammt schwer. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf den Klimaschutz, wenn die Menschen sich nicht auf die Bahn verlassen können und auf Autos umsteigen müssen.
Mit den Streiks wird gerade mehr kaputt gemacht, als Erfolge errungen werden. Darum appelliere ich ausdrücklich: Aufhören mit dem Zirkus, bevor der Schaden zu groß ist.
Gretha Keim, Frankfurt am Main
Wette zulasten des Steuerzahlers
Ein Grundprinzip für den Erfolg von Verhandlungen ist, dass jeder Verhandlungspartner gibt und nimmt. Am Ende steht ein Kompromiss, der irgendwo in der Mitte liegt. Herr Weselsky setzt dieses Prinzip außer Kraft.
Der Verhandlungsführer der Deutschen Bahn nennt ihn "stur und egoistisch". Wahrscheinlich verbietet es die Höflichkeit dem Personalvorstand Martin Seiler, drastischere Worte zu wählen. Herr Weselsky werkelt nur noch an seinem eigenen Denkmal. Bis zu einem gewissen Grad kann ich ihn sogar verstehen. Die Bahn wird vom Staat unterstützt. Und wahrscheinlich denkt sich Herr Weselsky, dass Herr Lindner nur tiefer in die Schatulle greifen muss, dann passt das schon. Aber, Moment, das sind Steuergelder, über die er selbstherrlich verfügt.
Alexander Engel, Brüssel (Belgien)
Tücken der Privatisierung
In diesen Tagen erinnert sich mancher wehmütig an die Zeit, als die Lokomotivführer noch Bundesbeamte waren, die nicht streiken durften. Es war wohl doch keine gute Idee, die Bundesbahn zu privatisieren.
Alfred Meier, Hohenpeißenberg
Wo ist Wissing?
Dieser Herr Weselsky erpresst mit seinen Spießgesellen die gesamte Republik. Es ist ja nicht so, dass alle Beschäftigten dort finanziell am Krückstock gingen, ganz im Gegenteil. Aber die Spitzenpolitiker vermeiden jede Wortmeldung dazu. Nachdem sich die CSU an diesem Ressort jahrzehntelang gütlich getan hatte, stellt nun die FDP den offenbar total unfähigen Verkehrsminister. Hat's dem Mann die Sprache verschlagen? Wie heißt der überhaupt? Wie sieht er aus? Wo macht er gerade Urlaub?
Ralf Mulde, Bremen
Unattraktiver Arbeitgeber
Die bisherigen Vorschläge der Bahn im Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft GDL sehen eine ganze Reihe von Verschlechterungen für das Personal vor. Abgesehen von den Wochenstunden liegen die Vorschläge der Deutschen Bahn weit weg von den Forderungen der GDL, dabei hat die GDL schon große Zugeständnisse gemacht. Die Deutsche Bahn kann es sich leisten, ihre Mitarbeiter im Arbeitskampf auszuhungern, um nicht auf ihre Forderungen eingehen zu müssen, denn sie bezieht ihr Geld in großen Anteilen widerspruchslos vom Staat. Herr Wissing sollte seinen Aufgaben als Verkehrsminister nachkommen und die Führung der Deutschen Bahn einnorden.
Sollte diese Tarifauseinandersetzung nicht eine signifikante Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in Deutschland bringen, wird es immer weniger geben. Der Umgang der Deutschen Bahn mit den Forderungen ihrer Mitarbeiter beschleunigt den Abgang von Fachkräften aus dem Unternehmen. Ich bin selbst Lokführer und mag meine Arbeit. Ich muss in der aktuellen Situation aber öffentlich davor warnen, diesen Beruf oder einen anderen Schichtdienstberuf im Eisenbahnverkehr zu ergreifen. Setzt sich die aktuelle Personalentwicklung fort, werden in wenigen Jahren viele Strecken nicht mehr regelmäßig befahrbar sein. Das hätte wesentlich größere Auswirkungen, als alle Streiks aller Gewerkschaften zusammen.
Einige Eisenbahnverkehrsunternehmen haben schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Deutsche Bahn verweigert sich. Ich selbst werde unter diesen Umständen voraussichtlich nicht in die Vollzeitarbeit zurückkehren.
Daniel Niggemann, München
Fehlende Einnahmen kontraproduktiv
Für das Verhalten von Herrn Weselsky fehlt mir jedes Verständnis. Seine Unehrlichkeit kann einen nur empören. Er sagt, er habe einen Denkfehler begangen, als er den Streik damit begründetet, die Bahn habe nur eine Arbeitszeitreduzierung auf 37 Stunden pro Woche angeboten, obwohl es offenbar 36 Stunden waren. Aber selbst wenn so gewesen wäre, wie Weselsky erst meinte: Dass die Bahn sich nicht bewege, wäre glatt gelogen. Eine Wochenarbeitszeitverkürzung von einer Stunde statt der gewünschten drei Stunden hieße: Die Bahn wäre der Forderung zu einem Drittel entgegengekommen. Ein Drittel als Null zu verkaufen ist mathematisch gesehen, sagen wir mal: neuartig.
Es ist für mich als Vorstadtbewohner ohne eigenes Auto oft beschwerlich genug, in die Arbeit zu kommen. Wenn dann eine Gewerkschaft das, was heute vermutlich unter "kritische Infrastruktur" läuft, regelmäßig und neuerdings auch noch ohne Ankündigung lahmlegt, dann ist diese Deutsche Bahn für mich keine Alternative mehr. Tatsächlich überlege ich nach über einem Jahrzehnt wieder, mir ein Auto anzuschaffen. Denn Herr Weselsky täuscht sich, wenn er meint, seinen Gewerkschaftern zu helfen, indem er die Kunden verprellt. Kundenvertrauen zu zerstören, ist der schnellste Weg in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit.
Herr Weselsky, Sie ruinieren gerade die Verkehrswende und hinterlassen Ihrem Nachfolger, der Deutschen Bahn und jedweder Nachfolgeregierung einen Scherbenhaufen. Fehlende Einnahmen durch wegbrechende Fahrgäste sind eher kontraproduktiv. Bereits jetzt fehlen Milliarden, und das Loch wird immer größer, wenn Sie den Menschen, die Sie vertreten, die Fahrgäste verprellen. Wem soll damit geholfen sein?
Gregor Meyer-Bender, Gilching
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