Agrardiesel:Wenn die Bauern aufbegehren

Lesezeit: 4 min

(Foto: Karin Mihm)

Die Ampel wollte klimaschädliche Steuervergünstigungen in der Landwirtschaft streichen, ruderte nun aber teilweise zurück. Auch unter SZ-Lesern ist die Idee umstritten - ebenso wie der laute Protest der Bauern.

"Und schon wieder kracht es" vom 19. Dezember:

Hauruck-Entscheidung

Es ist nicht zu glauben: Die Ampel zerfleischt sich schon wieder, die Sparbeschlüsse zum Haushalt 2024 seien so nicht umsetzbar. Kann die Ampel nicht einmal etwas herausgeben, was dann auch so bleibt? Da wurden im Klein-Klein die fehlenden Milliarden gesucht und gefunden, unter anderem will die Ampel den Bauern Steuervergünstigungen für ihre Fahrzeuge und Zuschüsse für Treibstoff streichen, was nicht nur Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen, sondern auch den Herren der FDP nicht gefällt. Aber die Ampelparteien haben es so gewollt. So ist es, wenn man anstatt einiger großer Posten viele kleine Finanztitel streicht, was viel Verdruss hervorruft. Besser sollte die FDP vielleicht das Dienstwagenprivileg beerdigen oder die Subvention für Diesel generell. Oder vielleicht doch eine Autobahnmaut nach gefahrenen Kilometern einführen. Was wirklich die Menschen in Deutschland auf die Palme bringt, sind die Hauruck-Entscheide der Ampel.

Einsparentscheidungen sollten so getroffen werden, dass möglichst nur geringe Folgen für die Allgemeinheit entstehen. Richtig wäre ein höherer Steuersatz für hohe Einkommen oder auf Vermögen, dabei werden keine Normalbürger beeinträchtigt, sondern ein paar Menschen, die sehr viel Geld verdienen oder besitzen. Die Ampel stellt sich ungeschickt an, weil die FDP es so will. Bei den Bauern kann man die Steuerschraube anziehen, weil die Ampel ja sonst keine anderen Möglichkeiten hat. Zum Davonlaufen!

Axel Bock, München

Jämmerliches Bild der Bauern

Ich bin gespannt, wie Polizei und Justiz mit Straßenblockaden umgehen, die allein aus Profitinteressen der Demonstranten entstehen. Sind diese weniger kriminell als die von Bürgern, die uneigennützig die Einhaltung von Gesetzen fordern, damit unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben?

Wenn für Bauern das Wohl und Wehe allein auf Subventionen basiert, die klimaschädliche Anreize setzen, dann sollten die Bauern ihr Geschäftsmodell mal grundsätzlich hinterfragen. Bauern kassieren eh so viele Subventionen aus diversen Töpfen. Direkt das Opfer zu spielen, die Politik zu erpressen und mit Protesten zu drohen, die das Land noch nie gesehen habe, wenn eine der vielen Subventionen wegfällt, gibt ein ganz und gar jämmerliches Bild der Bauern ab.

Stefan Bluemer, Essen

Auf die weniger fette Weide

Auf den fetten Subventionsweiden des Staates grasen unzählige heilige Kühe. Die Namen der Tiere lauten etwa Dienstwagenprivileg, Dieselprivileg, Kerosinprivileg, Agrardieselprivileg, Ehegattensplitting. Die Not muss groß sein, wenn eine Bundesregierung es wagt, Hand an eine der heiligen Kühe zu legen und sie zur Schlachtbank zu führen. Noch größer als die Not ist jedoch der Aufschrei der Besitzer der Kuh, der es ans Leben gehen soll. Politisch klüger ist es daher, nicht eine heilige Kuh zu schlachten, sondern mehrere heilige Kühe auf eine weniger fette Weide zu treiben - sprich: mehrere Privilegien schrittweise abzubauen.

Roland Sommer, Diedorf

Ausgleichende Gerechtigkeit

Agrardiesel bedeutet, dass sich Landwirte für ihre landwirtschaftlichen Maschinen einen Teil der Mineralölsteuer rückerstatten lassen können. Allgemein sollen mittels der Mineralölsteuer die Nutzer des Straßennetzes nach dem Verursacherprinzip die Kosten für Bau und Erhaltung des Straßennetzes zahlen. Landwirtschaftliche Maschinen jedoch fahren in der Regel auf dem Acker und nutzen das öffentliche Straßennetz nur wenig. Müssten für den Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen der gleiche Dieselpreis und die gleiche Kfz-Steuer gezahlt werden wie für Pkw und Lkw, würde dies eine Ungleichbehandlung und einen Bruch mit dem Verursacherprinzip bedeuten. Es handelt sich beim Agrardiesel nicht um einen Vorteil für Landwirte oder gar eine Subvention, sondern um Schaffung ausgleichender Gerechtigkeit. Ohne diese würde der Landwirtschaft ein überproportionaler Anteil an den Kosten des Straßennetzes aufgebürdet, das sie unterproportional nutzt. Daher wäre eine Abschaffung des Agrardiesels ebenso unlogisch wie ungerecht.

Karsten Lieberam-Schmidt, Reinbek

Hochgerüstete Agrarmaschinen

Mich beschäftigt seit Tagen die Aussage eines Landwirts in der SZ, er verlöre jährlich 50 000 Euro durch die Kürzung der Dieselbeihilfe. Bei 21 Cent Zuschuss pro Liter ergibt das rechnerisch einen jährlichen Verbrauch von 238 000 Liter Diesel. Wäre vielleicht eine Einsparung möglich, wenn der Traktor einmal weniger über das Feld fährt, um zu spritzen?

Wir können an den Demozügen der Traktoren erkennen, wie die Landmaschinen in den vergangenen Jahrzehnten immer größer, immer leistungsstärker, zu immer imposanteren Helfern in der Landwirtschaft geworden sind. Wurde bei dieser Entwicklung auch darauf geachtet, dass der Treibstoffverbrauch pro Leistung gesenkt wurde? Und fahren Landwirte heutzutage immer noch auch privat Dieselfahrzeuge, um hier ebenfalls von der Vergünstigung zu profitieren?

Die Ampel hat den Landwirten einen großen Gefallen getan, weil sie jetzt im Winter, wo die Feldarbeit ihnen Freiräume lässt, endlich ihre Statussymbole zur Schau stellen können. Schade, dass arme Kinder nicht so eindrucksvoll demonstrieren können.

Erika Blass-Loss, Haan

Protest nicht nachvollziehbar

Die Ampelkoalition erwägt, zur Kompensation des Haushaltsdefizits zwei überholte und zudem klimaschädliche Landwirtschaftssubventionen zu streichen. Die Proteste sind nicht nachzuvollziehen. Vor wenigen Wochen hat noch der deutsche Bauernverband berichtet, dass sich die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft deutlich verbessert hat. Es wurden sicherlich über viele Jahre zu geringe Preise für Lebensmittel erlöst. Doch das hat sich geändert. Einige Landwirte werden sicherlich aufgeben, aber dies hat dann wohl eher mit nicht wirtschaftlichen Betriebsgrößen zu tun als mit dieser Subventionskürzung. Wenn es das politische Ziel sein sollte, kleinere Höfe zu subventionieren, dann sollte man das durch gezielte Maßnahmen tun und nicht nach dem Gießkannenprinzip, wie bei den nun angezählten Subventionen.

Frank Arendt, Bretten

Steigende Pachtkosten

Sowohl Cem Özdemir, vor allem aber Joachim Rukwied und sein (konventioneller) Bauernverband vergießen Krokodilstränen zur geplanten Streichung des - umweltschädlichen - Agrardieselprivilegs. Würden beide nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern in die Tiefe der wirklichen agrarwirtschaftlichen Probleme gehen, gäbe es einen leicht beschreitbaren Weg: Wenn circa 60 Prozent des Agrarlandes nicht den Landwirten selbst gehören, führt das zu sehr hohen Pachtzahlungen von Landwirten an überwiegend vermögende Bodenbesitzer, die damit also ein leistungsloses Einkommen beziehen. Durch eine kleine Abgabe auf den Marktwert nicht landwirtschaftlich genutzten Bodeneigentums könnte der Staat neue Einnahmen schaffen. Leider haben wir einen Finanzminister, dessen Herzensanliegen es zu sein scheint, den deutschen Höchstvermögenden kaum einen Beitrag für das Gemeinwohl zuzumuten.

Das von Bauernpräsident Rukwied beschworene drohende massenhafte Höfesterben wird nicht durch teureren Agrardiesel verursacht, sondern durch steigende Pachthöhen, die durch landwirtschaftliche Erträge nicht mehr bezahlbar sein werden.

Dr. Gerhard Herz, Gröbenzell

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung , gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und dem Wohnort. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de . Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: