Männer in der Wirtschaftskrise:Herren am Herd

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Der Mann, das bedrohte Geschlecht: Die Wirtschaftskrise, so heißt es, sei eine reine Männerkrise. Fällt jetzt die letzte Bastion des männlichen Erfolgs - der lukrative Vollzeitjob?

Julia Bönisch

Der Mann - das bedrohte Geschlecht: "Jungs im Abseits", "Kleine Jungs - große Not" oder "Die Jungenkatastrophe: Das überforderte Geschlecht" heißen die Ratgeber und Analysen, die sich mit der angeblichen Vernachlässigung des männlichen Nachwuchses im Bildungs- und Erziehungssystem beschäftigen. Jungen werden öfter als Mädchen verspätet eingeschult, sie landen öfter auf Förder- und Hauptschulen und machen seltener als Mädchen Abitur.

Auch auf den Universitäten setzt sich der Erfolgskurs der Frauen heute fort: Sie haben häufiger einen Hochschulabschluss - und den auch noch mit besseren Noten. Trösten konnte sich die benachteiligte Spezies bislang allerdings immer noch damit, dass beim Eintritt ins Berufsleben alles ganz anders wird: In Chefetagen sind Frauen chronisch unterrepräsentiert, sie arbeiten öfter in Minijobs oder Teilzeit und verdienen im Durchschnitt 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Letzte Bastion des männlichen Erfolgs

Doch jetzt das: Die Wirtschaftskrise, so vermelden es die Bundesagentur für Arbeit, die EU und diverse Wirtschaftsinstitute, sei eine reine Männerkrise. Erstmals liegt die Arbeitslosenquote von Männern EU-weit über der von Frauen. Auch in Deutschland ist die Zahl der arbeitslosen Männer im Mai im Vergleich zum Vormonat um 13,4 Prozent gestiegen - die Zahl der arbeitslosen Frauen hingegen sank um 3,1 Prozent. Fällt jetzt also die letzte Bastion des männlichen Erfolgs?

"Ja, die Rezession ist eine Männerkrise", bestätigt Axel Plünnecke, Bildungsökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. "Dort, wo jetzt Arbeitsplätze abgebaut werden, sind vor allem Männer betroffen." Autoindustrie, Bauwirtschaft, Computerbranche und Bankensektor - das weibliche Geschlecht sei dort traditionell unterrepräsentiert. "Frauen arbeiten häufiger im öffentlichen Dienst, im Service oder in der Gesundheitsbranche. Diese Bereiche spüren den Abschwung nicht."

Gehaltsvernichter und Karrierekiller

Die Entwicklung beunruhigt Politik und Wirtschaft so, dass man verzweifelt nach Auswegen aus der Männerkrise sucht. Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (Saale), forderte kürzlich deutsche Paare dazu auf, die Rezession doch für die Kinderpause zu nutzen. Wie praktisch: Ziehen sich die Frauen aus der Berufstätigkeit zurück und kümmern sich daheim um Haus und Kind, werden wieder mehr Jobs für Männer frei. Die Herren am Herd, Frauen im Büro - dieses Modell soll trotz Krise unter keinen Umständen Wirklichkeit werden.

Sogar Ursula von der Leyen, der frauenfeindlichen Rhetorik eher unverdächtig, verabschiedete sich von ihrem bisherigen Ideal der Vollzeit arbeitenden Mutter. Sie will das Elterngeld von 14 auf 18 Monate verlängern, wenn sich ein Elternteil dazu entschließt, zu reduzieren.

Konjunkturspritzen für Männerbranchen

"Dabei gilt Teilzeit - die ja vor allem Frauen in Anspruch nehmen - zu Recht als Gehaltsvernichter und Karrierekiller", sagt Friederike Maier, Professorin für Verteilung und Sozialpolitik an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin. Fördere man dieses Instrument, dränge man Frauen weiter aus dem Arbeitsmarkt heraus.

Ohnehin ist für Maier das ganze Gerede von der Männerkrise ausgemachter Humbug: Es stimme zwar, dass im Moment Männer-Branchen betroffen seien, doch buttere der Staat mit Kurzarbeitergeld und Konjunkturspritzen unglaublich viel Geld in diese Bereiche. "So hofft die Politik, einen Großteil der Männerarbeitsplätze doch unversehrt durch die Krise zu bekommen."

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Hektische Rettungsversuche

Vergessen werde hingegen, wo das Geld später fehlen werde: "Verschuldet sich der Staat jetzt so immens, muss er später über Konsolidierung nachdenken. Dann wird gespart - und zwar genau dort, wo Frauen arbeiten: im öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern und der Verwaltung." Auf die Männerkrise folgt also die Frauenkrise, weibliche Angestellte haben ihre Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr den hektischen Rettungsversuchen der Männerarbeitsplätze zu verdanken. Zweitrundeneffekte nennen das Ökonomen. Opel mit den Bandarbeitern gerettet - Arcandor mit seinen Verkäuferinnen aufgegeben: ein erster Vorgeschmack auf 2010.

Hinzu kommt, dass Frauen, einmal in der Arbeitslosigkeit angekommen, viel schwerer herausfinden als Männer: Ihr Anteil unter Langzeitarbeitslosen liegt bei nahezu 70 Prozent - die sogenannte stille Reserve noch nicht eingerechnet. Die nicht arbeitslos gemeldeten Vollzeitmütter und Frauen, die sich entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben und gar nicht mehr nach einer Stelle suchen, tauchen in keiner Statistik auf.

Dabei wäre es ganz einfach, die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, erklärt Maier: "Minijobs als typische Frauenarbeitsplätze sollten abgeschafft werden, sie sind ein Einfallstor für extrem niedrige Löhne." Auch ein Mindestlohn von etwa 7,50 Euro würde Frauen, die viel häufiger als Männer in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, vor Hartz IV bewahren.

Positiver Nebeneffekt

Als wichtigsten Punkt nennt sie jedoch den Ausbau der Kinderbetreuung. "Selbst wenn Frauen nach der Geburt eines Babys arbeiten wollen, können sie das häufig nicht - weil sie keine Betreuungsmöglichkeit finden. Und sind sie einmal raus aus dem Arbeitsmarkt, kommen sie nur sehr schwer wieder hinein." Zudem hätte diese Maßnahme einen weiteren, sehr erwünschten Nebeneffekt: Es entstünden gleichzeitig mehr Frauenarbeitsplätze - in Kindergärten, Kitas und als Tagesmütter.

Doch was die Umsetzung ihrer Vorschläge angeht, ist die Professorin äußerst skeptisch. Sie rechnet damit, dass die Politik weiterhin alles dafür tun wird, die Männer vor den Folgen der Krise zu bewahren - und es stattdessen billigend in Kauf nimmt, dass Frauen unter vielen jetzt ergriffenen Maßnahmen leiden werden.

"Frauen", stellt sie fest, "sind in Deutschland Arbeitslose zweiter Klasse."

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