Lohngerechtigkeit:In einem Arbeitsleben verdienen Frauen nur die Hälfte

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Auf Augenhöhe arbeiten - in der Automobilindustrie gehört es zum alltäglichen Geschäft. Trotzdem sammeln Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens nur die Hälfte des Einkommens eines Mannes eines ähnlichen Metiers. (Foto: imago stock&people)
  • Eine Studie zeigt: Über ein Arbeitsleben gerechnet verdienen Frauen im Vergleich zu Männern noch weniger als bisher angenommen.
  • Neben langen Teilzeitphasen berufstätiger Mütter in Deutschland führt auch schlichte Benachteiligung zu großen Unterschieden.
  • Wie groß die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern am Ende ausfällt, hat auch mit der Branche zu tun.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Parteien, Arbeitgeber und Gewerkschaften lagen jahrelang in der Frage überkreuz, ob und wie der Gesetzgeber darauf hinwirken sollte, dass Frauen und Männer für gleiche Arbeit auch das gleiche Geld bekommen. Am Mittwoch wurde ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht.

Eine neue Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) zeigt nun: Die Ursachen der Lohnlücke in Deutschland hat bisher noch keiner gründlich erkundet. Und über ein Arbeitsleben gerechnet können die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sogar noch wesentlich größer ausfallen als bisher angenommen.

"Frauen sammeln in Deutschland im Verlauf ihres Erwerbslebens durchschnittlich 49,8 Prozent weniger Einkommen an als Männer", sagt die Wirtschaftsforscherin Christina Boll. "Auch wenn man Männer und Frauen mit gleicher Berufsbiografie vergleicht, sieht man ein deutlich geringeres Einkommen von Frauen." Boll hat mit ihrem Team vom HWWI eine Studie zur Einkommensungleichheit im Lauf eines Berufslebens verfasst, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

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Darin wurden Informationen von knapp 94 000 Frauen und Männern der Jahrgänge 1950 bis 1964 analysiert. Ein Ergebnis: Bereits mit 35 Jahren haben Männer in allen Berufssegmenten mehr Einkommen angesammelt als Frauen. Die Ursachen: Neben langen Teilzeitphasen berufstätiger Mütter in Deutschland führt auch schlichte Benachteiligung zu großen Unterschieden.

Bei der herkömmlichen Berechnung des sogenannten Gender Pay Gap werden die Gehälter heute berufstätiger Frauen mit denen der heute berufstätigen Männer verglichen. Die unbereinigte Lohnlücke liegt demnach bei 21 Prozent. In der Studie des HWWI wird dagegen über einen Zeitraum von 30 Jahren beobachtet, wie viel Einkommen jeweils angesammelt wurde. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind bei dieser Betrachtungsweise mehr als doppelt so hoch und liegen bei knapp 50 Prozent. Das hat damit zu tun, dass die Studie auch Lebensphasen berücksichtigt, in denen nicht oder nur wenig gearbeitet wurde.

Wie groß die Lücke am Ende ausfällt, hat laut Studie auch mit der Branche zu tun. So macht der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern in Textilberufen längerfristig im Schnitt 74 Prozent aus, in der Gastronomie 55 Prozent, im Verkauf 61 Prozent. Selbst bei Ärzten, bei denen die Lohnlücke noch vergleichsweise klein ist, verdienen Frauen über 30 Jahre betrachtet im Schnitt 33 Prozent weniger als Männer.

Drei Viertel dieser Einkommeneinbußen sind nach der Studie darauf zurückzuführen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt weniger präsent sind als Männer. In Deutschland arbeitet zum Beispiel mehr als die Hälfte der berufstätigen Mütter auch dann noch in Teilzeit, wenn die Kinder schon im Teenager-Alter sind. Die negativen finanziellen Folgen sammeln sich oft unbemerkt auf dem Lebenskonto an.

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Die Einkommenslücke bei Frauen wächst sukzessive, mit 50 Jahren ist sie am höchsten. "Das liegt daran, dass Frauen in Deutschland überdurchschnittlich viel in Teilzeit arbeiten", sagt Wirtschaftsforscherin Boll. Junge Frauen machten heute zwar kürzere Babypausen als früher. "Aber auch hier sind erhebliche Einbußen durch Teilzeit noch ein Thema."

Dazu kommt schlichte Benachteiligung. Im Verkauf ist schon der Einstiegsverdienst von Männern höher als von Frauen, sie steigen auch schneller auf. Setzt eine Verkäuferin zweimal für Kinder aus und arbeite danach in Teilzeit, hat sie in 30 Jahren nur die Hälfte verdient wie der Kollege in Vollzeit. Eine Akademikerin, die beruflich so zurücksteckt, verdient über die Jahre im Schnitt 528 000 Euro weniger als eine gleich ausgebildete Vollzeitkollegin.

Doch auch, wenn man gleiche Berufsbiografien zugrunde legt, also bei Frauen wie Männern von Vollzeitarbeit ausgeht, gibt es laut Studie in nahezu jedem Beruf Verdienstunterschiede zulasten der Frauen. Das kann an Benachteiligung liegen, an der Besetzung von Führungsposten oder an schlechter ausgehandelten Gehältern. Bei Hochqualifizierten sind die Nachteile für Frauen am größten, etwa in Geisteswissenschaften, aber sie zeigen sich auch in der Kunst, beim Sport, bei Sicherheitspersonal. Weibliche Bürokräfte im Handel, die studiert haben, bekommen in Vollzeit auch ohne Babypause 16 Prozent weniger als männliche Kollegen. Frauen mittlerer Qualifikation verdienen hier 12,7 Prozent weniger. In Pflegeberufen hingegen ist es beruflich von Vorteil, eine Frau zu sein.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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