Führungsspitzen:Nachplappern auf hohem Niveau

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Chancen kreieren und Überzahlsituationen schaffen: Welche Möglichkeiten die Fußballersprache im Arbeitsleben bietet.

Harald Freiberger

Neulich in der Teamsitzung: Der Chef meint, seine Mitarbeiter wieder einmal motivieren zu müssen. Er hält eine feurige Rede, in der er diesen Satz fallen lässt: "Ich erwarte von jedem, dass er im nächsten Monat zehn Prozent mehr Kundenkontakte kreiert." Kreieren, kreieren... So hat man das vom Chef noch nie gehört, aber irgendwoher kennt man das Wort. War das nicht im Fernsehen?

Direkt übersetzt

Genau, und zwar beim Fußball. Louis van Gaal, der Trainer von Bayern München, benutzt es oft, meist im Zusammenhang mit "Chancen". Und seine Spieler plappern es nach, bald wird in Deutschland niemand mehr wissen, dass man Chancen eigentlich herausspielt. Dabei hat van Gaal nur den niederländischen Ausdruck "kansen creëren" direkt ins Deutsche übertragen.

Wenn nun auch schon Führungskräfte das Wort verwenden, zeigt das wieder einmal, wie schnell die Sprache des Fußballs Einzug in das Arbeitsleben hält. Man kennt das von dem Ausdruck "Wir sind gut aufgestellt", den früher nur Leute wie Sepp Herberger benutzten und den man heute täglich von Managern hört, wenn sie sonst auch nicht wissen, was sie sagen sollen. Nun hat es in den letzten Jahren im Fußball einige interessante neue Entwicklungen taktischer Natur gegeben. Man kann also davon ausgehen, dass sie sich bald im Arbeitsleben widerspiegeln.

Leidende Torhüter

Gehen wir die einzelnen Mannschaftsteile durch. Der Torwart leidet derzeit besonders unter dem neuen Ball, den Adidas für die WM in Südafrika kreiert (!) hat. Dafür wurde der Ausdruck "Flatterball" erfunden. Die Torhüter betonen immer wieder, dass die Bälle wirklich flattern, besonders betonen sie es, wenn sie bei Konkurrenzfirmen von Adidas unter Vertrag stehen. Man könnte das Wort "Flatterball" auch als Synonym für "Ausrede" nehmen. Wenn der Chef einen Mitarbeiter das nächste Mal wieder zusammenstaucht, weil er seine Leistung nicht abgerufen und zu wenig Kundenkontakte kreiert hat, kann dieser alles auf den flatterhaften Kunden oder auch den "Flatterkunden" schieben.

Was die Abwehr betrifft, hat Trainer Huub Stevens, auch er Holländer, alles gesagt, was es zu sagen gibt: "Die Null muss stehen." Man kann nur hoffen, dass der Chef das nicht in der Teamsitzung einführt, in der naturgemäß alle sitzen; eine solche öffentliche Brandmarkung von Minderleistern wäre dann doch zu viel.

Doppelnull statt Doppelsechs

Im Mittelfeld spricht man seit einiger Zeit von der "Doppelsechs", der eine zentrale Rolle bei der kreativen Eröffnung des Spiels zufällt. Kreativität erwartet man im Betrieb am ehesten von der Entwicklung und vom Marketing. Schlimm für das Unternehmen, wenn es sich bei ihnen statt einer Doppelsechs um eine Doppelnull handelt.

Ansonsten geht es im Mittelfeld darum, Überzahlsituationen zu schaffen, was Chefs auch in Teamsitzungen bei Abstimmungen gerne machen, um ihre eigenen Pläne durchzubekommen. Wenn sie nicht genug Leute finden, die ihnen zustimmen, dann müssen Positionen verschoben werden. Als Begründung dafür könnte der Spruch von Ex-Nationalteamchef Jürgen Klinsmann herhalten, als er vor der letzten WM Oliver Kahn absägte und Jens Lehmann zur Nummer eins im Tor beförderte: "Der eine hatte das Näschen ein bisschen vorn, der andere war einen Tick hinterher." Hat ein Mitarbeiter auf diese Weise seine Position im Team verloren, kann er sich ja im Training wieder anbieten.

© SZ vom 15.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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