Arbeitsrecht:Was passieren muss, damit Beamte rausfliegen

Fortsetzung im Prozess um Krankschreibung

Wegen ihrer Australien-Reise stand die Lehrerin bereits mehrfach vor Gericht (Aufnahme aus dem Amtsgericht Soltau).

(Foto: Philipp Schulze/dpa)

Beamte können nicht einfach entlassen werden, dafür ist zuweilen ein Disziplinarverfahren nötig - so wie bei der Lehrerin, die unbedingt ins RTL-Dschungelcamp wollte.

Von Larissa Holzki

Mit dem Attest eines wohlmeinenden Arztes blau machen und sich dann am anderen Ende der Welt im Fernsehen blicken lassen: Was in normalen Arbeitsverhältnissen womöglich nur mit einer Abmahnung geahndet wird, kann im Fall einer Lehrerin aus Niedersachsen ernste Konsequenzen haben. Vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg geht es heute darum, ob sie endgültig ihren Status als Beamtin verliert und damit auch ihre Pensionsansprüche.

Anfang 2016 hatte die Lehrerin für Mathematik und Physik ihre Tochter nach Australien zum Dreh für das RTL-Dschungelcamp begleitet, anstatt angehende Abiturienten auf die Prüfungen vorzubereiten. Für ihren Aufenthalt hatte sie zuvor vergeblich Sonderurlaub beantragt und sich schließlich ein ärztliches Attest wegen depressiver Erschöpfung besorgt. Die Krankheit sei vorgetäuscht gewesen, urteilten Richter in vorangegangenen Strafverfahren. Einstweilen war die Pädagogin mit halben Bezügen nur suspendiert, doch die Landesschulbehörde Niedersachsen als Dienstherrin strebt nun eine endgültige Entscheidung an.

Warum können Beamte nicht gekündigt werden wie Angestellte?

Beamte bekommen keinen Arbeitsvertrag und können deshalb auch nicht gekündigt werden. Für das sogenannte Lebenszeitprinzip bei der Verbeamtung gibt es gute Gründe: Vor allem soll sichergestellt werden, dass Beamte unabhängig sind - wirtschaftlich und gegenüber ihrem Dienstherrn. Ob Finanzbeamtin, Polizist oder Lehrerin: Beamte sollen nur dem Gesetz verpflichtet sein. Die Verbeamtung auf Lebenszeit schützt sie zum Beispiel davor, dass sie bei einem Regierungswechsel ihren Job verlieren, weil dem Dienstherrn ihre Ansichten nicht passen. Nichtsdestotrotz können Beamte aus dem Dienst entlassen werden.

Wann werden Beamte aus dem Dienst entfernt?

"Wenn ein deutsches Strafgericht einen Beamten wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt, ist er automatisch raus", sagt der Beamtenrechtler Dr. Frank Schulze aus Münster. Damit gehen auch die beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche verloren, selbst wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Tatsächlich drohte der Mathelehrerin eine Haftstrafe, weil sie betrogen hat. Letztlich wurde sie aber rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Oberlandesgericht Celle bestätigte im August 2018 die vom Landgericht Lüneburg verhängte Geldstrafe und verwarf eine Revision.

Über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen eines schweren Dienstvergehens kann auch in einem Disziplinarverfahren entschieden werden. Dazu gehören beispielsweise Korruption und Unterschlagung - Vergehen, bei denen es laut Schulze kein Pardon gibt. Die Aberkennung des Beamtenstatus ist die schwerste Disziplinarmaßnahme. Auch eine Zurückstufung, eine Kürzung der Bezüge, eine Geldbuße oder ein Verweis sind mögliche Sanktionen für die Lehrerin.

Wie wird über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entschieden?

Der Dienstherr (hier das Land Niedersachsen, vertreten durch die Landesschulbehörde) beantragte im Fall der Mathelehrerin beim Disziplinargericht die Entfernung aus dem Dienst. Entscheiden muss letztendlich die Justiz. "Das Kriterium ist, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Dienstherrn und dem Beamten oder der Beamtin endgültig zerstört ist", sagt Schulze. Dafür müsse schon einiges passieren. "Ein paar Tage oder wenige Wochen schwänzen reicht dafür nicht aus."

Können Beamte es sich erlauben, einfach mal Zuhause zu bleiben?

Im normalen Angestelltenverhältnis darf jeder in solchen Fällen auf ein bisschen Nachsicht hoffen, sagt der Arbeitsrechtler Daniel Hautumm: "Das alleinige (unentschuldigte) Fernbleiben vom Arbeitsplatz rechtfertigt eher selten direkt eine Kündigung, da muss in der Regel vorher eine Abmahnung erfolgen." Allerdings hatten vor Gerichten auch schon fristlose Kündigungen Bestand, bei denen es um geringfügigen Arbeitszeitbetrug und die Manipulation von Arbeitszeiterfassungssystemen ging. Beamte seien allgemein deutlich besser geschützt als normale Arbeitnehmer, sagt Hautumm.

Denn: "Bei Beamten liegt die Latte wesentlich höher, weil der Beamte sich nicht so einfach einen neuen Arbeitgeber suchen kann. Wenn ich Verwaltungsbeamter bin, dann kann ich nur Verwaltung und wenn ich bei einem Dienstherrn rausfliege, komme ich bei keinem anderen mehr rein", sagt Frank Schulze. Dass drei Wochen Schwänzen nicht zwingend zu einem endgültigen Vertrauensverlust führen müssen, lässt sich auch aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg entnehmen. Es musste im vergangenen Jahr bereits entscheiden, ob die Suspendierung der Lehrerin für die Dauer des Disziplinarverfahrens gerechtfertigt ist. Dafür muss ein Dienstvergehen von erheblichem Gewicht vorliegen. Doch dieses "ergibt sich (...) noch nicht unmittelbar aus der Gesamtlänge des Abwesenheitszeitraums als solcher", heißt es da.

Damals wie wohl auch jetzt bei der Entscheidung über den Beamtenstatus sind die "besonderen Umstände des Streitfalles" ausschlaggebend. Dabei geht es einerseits um die erschummelte Krankschreibung, andererseits um das Ansehen der Schulverwaltung und der Lehrer.

Welche Rolle spielt der Dienstfrieden?

Bei der Entscheidung im Fall der Mathelehrerin wird auch zur Sprache kommen, inwieweit der Dienstfrieden gestört worden ist. Da die Frau ihre Tochter nicht nur nach Australien begleitete, sondern auch an der Fernsehsendung mitwirkte, riskierte sie das Ansehen aller Lehrer - schließlich ist es ein weit verbreitetes Vorurteil, dass alle Beamten faul sind. Zuschauer konnten beobachten, dass sich die Pädagogin außerstande fühlte zu arbeiten, aber in der Lage war, Fernsehinterviews zu geben. Schließlich war es auch ein Fernsehzuschauer aus Hannover, der sie deshalb anzeigte. Dazu das Oberverwaltungsgericht Lüneburg: "Dass ein solches Verhalten objektiv geeignet ist, den Dienstfrieden zu stören und dem öffentlichen Ansehen der Schulverwaltung, der Lehrerschaft sowie dem gesamten öffentlichen Dienst erheblichen Schaden zuzufügen, liegt auf der Hand" - und das darf sich ein Beamter nicht leisten. Denn ein Kriterium, um festzulegen, ob das Vertrauensverhältnis zerstört wurde, ist "der Ansehensverlust, den der Dienstherr erleidet", sagt Frank Schulze.

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