Berufswünsche:Wenn ich groß bin, werde ich ...

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Illustration: Jessy Asmus (Foto: Illustration: Jessy Asmus)

Ärztin, Polizist, Astronautin: Berufswünsche begleiten uns von Kindheit an, gehen aber selten in Erfüllung. Warum das nicht immer so schlimm ist - und warum es dennoch wichtig ist, dass Kinder träumen dürfen.

Von Laura Pickert

Es ist eine Frage, die vielen Kindern bereits im Grundschulalter gestellt wird: "Was willst du einmal werden?" Die Antworten darauf verändern sich seit Jahrzehnten erstaunlich wenig, sagt Peter Fischer, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Regensburg. "Trotz neuer Technologien denken die meisten Kinder eher an klassische Berufe." Das zeigt auch eine aktuelle Forsa-Studie zu den Traumberufen von Kindern: Polizisten und Tierärzte liegen ganz weit vorne, Berufe wie Influencer kommen zunächst nicht vor. Dabei seien Geschlechterstereotype nach wie vor spürbar. "Mädchen sehen sich eher in helfenden Berufen wie Krankenschwester oder Ärztin", erklärt Fischer. "Jungen denken eher an Berufe, bei denen man ein Risiko eingehen muss, wie zum Beispiel Polizist."

Dass Kinder damals wie heute sehr ähnliche Berufswünsche haben, kann an verschiedenen Gründen liegen. Eine besonders große Rolle spielt das soziale Umfeld: Da Kinder am Modell lernen, dienen Verwandte und insbesondere die eigenen Eltern als Vorbild, so der Professor. "Eltern müssen aufpassen, Kinder nicht bewusst oder unbewusst in eine bestimmte Richtung zu manipulieren." Zum Beispiel, indem sie sie dazu drängen, einen Beruf mit hohem Ansehen auszuüben - oder ebendiesen zu vermeiden, weil er vermeintlich unerreichbar ist. "Bestimmte Berufsgruppen haben einen Status, der besonders angesehen ist", sagt Fischer. Eine Forsa-Studie aus dem Jahr 2021 zeigt auf, um welche Berufe es sich handelt: Feuerwehrleute, Ärzte und Ärztinnen, Kranken- und Altenpfleger sowie Polizisten genießen in der Gesellschaft das höchste Ansehen. Das deckt sich mit vielen Berufen, die sich Kinder für ihre Zukunft wünschen.

Faktoren wie der Ausbildungsweg oder das Gehalt werden mit dem Alter wichtiger

Die Realität zeigt jedoch, dass diese Wünsche oftmals nicht umgesetzt werden - weil sie sich mit der Zeit ändern oder weil der Arbeitsmarkt anderen Regeln folgt. Laut dem Statistikportal Statista, das sich auf eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach bezieht, arbeiten 17,2 Prozent der Deutschen in kaufmännischen Berufen, in der Medizin allerdings nur 9,5 Prozent. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge arbeitet die große Mehrheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2020 im Büro. Vom Feuerwehrmann zum Kaufmann - wie kommt es zu dieser Diskrepanz zwischen ursprünglichem Wunsch und Realität?

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Stefanie Rektorschek, Berufsberaterin in der Agentur für Arbeit in München, sieht die Berufswahl als individuelle Entscheidung, die auf verschiedenen Beweggründen beruht: "Als Schüler beginnt man zu überlegen: Worin bin ich gut, was macht mir Spaß?" Aber nicht nur die eigenen Stärken und Interessen seien von Bedeutung. "Die aktuelle Arbeits- und Ausbildungslage spielt auch eine Rolle", sagt Rektorschek. Denn auch folgende Fragen sind entscheidend: Ist ein Berufsbild überhaupt gefragt oder nicht? Wer hat gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Teils verklärte Vorstellungen werden mit den Jahren - spätestens in der weiterführenden Schule - also nicht nur konkreter, sondern auch realistischer. Das bezieht Faktoren wie den Ausbildungsweg oder das Gehalt mit ein, die in der Kindheit weniger bedeutsam waren. Aber auch die soziale Position der Familie beeinflusst den späteren Job. So zeigen viele Studien, dass Arbeiterkinder und Kinder mit Migrationshintergrund im Bildungssystem häufiger benachteiligt werden und auf dem Arbeitsmarkt weniger Chancen haben.

"Damit sich Berufswünsche entwickeln können, sollte man sich als Eltern zurückhalten."

In der Folge stimmen Berufswünsche in der Kindheit oft nicht mit dem Job überein, der später tatsächlich ausgeübt wird. Das muss aber nicht dazu führen, dass Frust aufkommt. Zumindest nicht immer. "Im Laufe der Zeit entwickelt man auch andere Werte und Vorstellungen von Jobs", sagt Stefanie Rektorschek. Sie ist der Ansicht, dass Berufswünsche aus der Kinderzeit großes Potenzial haben - selbst dann, wenn sie sich nicht erfüllen. "Wenn wir darüber nachdenken, was uns als Kind imponiert hat, kann das für den späteren Job eine wichtige Orientierung sein." Die Gründe für die Begeisterung seien manchmal ganz banal: "Vielleicht hat mir beim Feuerwehrmann einfach gefallen, dass er eine Uniform tragen darf und damit etwas Besonderes ausstrahlt." Trotzdem könne diese Erkenntnis bei der Berufswahl weiterhelfen - das Interesse an Uniformen könne beispielsweise darauf hindeuten, im Job Sicherheit oder Autorität vermitteln zu wollen.

Der eigene Beruf ist für viele Menschen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität. Damit er als erfüllend wahrgenommen wird, müssen Peter Fischer zufolge die eigenen Stärken mit den Interessen verknüpft werden: "Im Optimalfall stimmt das, was ich gut kann, mit dem überein, was mir Freude bereitet", sagt der Professor. Um herauszufinden, worin die eigenen Stärken und Schwächen bestehen, müsse man sich ausreichend Zeit nehmen. Dieser Prozess bei Kindern und Jugendlichen betrifft auch die Eltern: "Damit sich Berufswünsche entwickeln können, sollte man sich als Eltern ein bisschen zurückhalten und dem Kind ein Mentor sein, statt Druck auszuüben", so Fischer. Aber nicht nur für junge Menschen ist die Wahl des passenden Berufs wichtig. Stefanie Rektorschek von der Agentur für Arbeit rät, auch im Erwerbsleben offen zu bleiben: "Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass wir uns einen Job aussuchen und ihn bis zu unserem Lebensende ausführen müssen." Es bestehe stets die Möglichkeit, sich weiterzubilden oder umzuorientieren. Vielleicht erfüllt sich der Traum aus der Kindheit dann doch noch.

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