Der Bösewicht ist gar nicht die Schokolade, es ist die Limonade. Beide enthalten in großer Menge jenes harmlos erscheinende kleine, aber kalorienreiche Molekül, das Wissenschaftler C12H22O11 nennen und gewöhnliche Leute schlicht Zucker. Und dennoch: Dick machen überraschenderweise vor allem die flüssigen Kalorien aus der Limo, während die feste Nervennahrung weniger ins Gewicht fällt. Das haben vor wenigen Tagen gleich drei hoch angesehene Studien im New England Journal of Medicine belegt. Sie liefern dem New Yorker Bürgermeister Bloomberg damit Schützenhilfe für seine ungeliebte 16-Unzen-Regel.
Es sind tatsächlich die Softdrinks und nicht die Schokoriegel, die Menschen dick machen, folgerten die Wissenschaftler. Wer selten Softdrinks konsumiert, wird selbst dann nicht so leicht übergewichtig, wenn er Gene in sich trägt, die das Dickwerden begünstigen. Das zeigte eine Gruppe um Lu Qi von der Harvard School of Public Health im Versuch an mehr als 30.000 Erwachsenen. Und Wissenschaftler von der Universität Amsterdam übten einen gemeinen Anschlag auf 600 normalgewichtige Schulkinder aus: Eineinhalb Jahre lang wurden 300 der Kleinen täglich von ihren Eltern mit einem Viertelliter Limonade versorgt, die anderen 300 bekamen Diätlimonade. Wer die echte Limo bekam, legte in dieser Zeit ein gutes Kilogramm mehr zu.
Warum machen gerade die süßen Getränke dick? "Der Grund ist wahrscheinlich, dass Zucker in der Flüssigkeit nicht so satt macht", sagt Gerhard Rechkemmer, Präsident des Max-Rubner-Instituts, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. "Die Energie wird deshalb zusätzlich zum normalen Bedarf konsumiert." Die Kalorien, die nicht gebraucht werden, speichert der Körper als Fett. Ein Gutteil der modernen Übergewichts-Epidemie geht nach Ansicht von Wissenschaftlern deshalb auf die süßen Getränke zurück. Und diese Epidemie breitet sich weiterhin aus: 67 Prozent der Männer in Deutschland und 53 Prozent der Frauen gelten nach der Nationalen Verzehrstudie zufolge schon als dick.
Unsere Vorfahren trafen nur selten auf wirklich süße Nahrung, wir aber können uns täglich an Lebensmitteln dieser Geschmacksrichtung laben, und tun es meist mit Hingabe. "Wir sind darauf programmiert, Süßes zu essen", sagt der Ernährungswissenschaftler Rechkemmer. "Diese Vorliebe scheint dem Menschen angeboren zu sein." Süß ist in der Natur im Gegensatz zu bitter ein Zeichen, dass ein Lebensmittel nicht giftig ist. Wohl deshalb fallen bei den meisten Menschen alle Hemmungen, wenn es um Süßes geht. Der Psychologe Anthony Sclafani vom Brooklyn College in New York glaubt sogar, Zucker mache süchtig. "Er erzeugt im Gehirn die gleichen Aktivitätsmuster wie Drogen", sagt er.
Nur weil Ärzte, Wissenschaftler und staatliche Stellen den modernen Menschen immer wieder klarmachen, dass das ständige Konsumieren von Zucker nicht gut für sie sei, greifen sie zunehmend auch zu Diätprodukten, die mit Zuckerersatzstoffen gesüßt werden. "In den vergangenen zehn bis 20 Jahren hat der Zuckerkonsum in Deutschland nicht zugenommen", sagt Rechkemmer. 36 Kilogramm davon konsumiert jeder Deutsche pro Jahr. Das ist zwar längst nicht so viel wie in den USA, dort werden 58 Kilogramm pro Kopf und Jahr verspeist. Diese 36 Kilo sind aber immer noch doppelt so viel, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.