US-Gesundheitsreform:Spiel mit der Gesundheit eines Volkes

Lesezeit: 3 min

Die geplante Abschaffung von Obamacare ruft Proteste hervor. (Foto: AP)

Der US-Präsident will die Gesundheitsversorgung in kurzer Zeit umbauen. Damit geht Trump ein unkalkulierbares Wagnis ein.

Von Berit Uhlmann

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die USA mit Obamacare ein Gesundheitssystem geschaffen haben, das theoretisch fast jedem Bürger eine Krankenversicherung ermöglicht. Dieses Werk innerhalb von nur zehn Wochen umzubauen, ist gewagt. Wie auch Präsident Donald Trump mittlerweile erkannt hat, ist das Gesundheitssystem "ein unglaublich komplexes Gebilde". Fünf Gründe, warum das Gesundheitssystem so komplex - und eine überhastete Reform gefährlich ist.

Es geht um sehr viel Geld - und Begehrlichkeiten

Im Gesundheitswesen steckt enorm viel Geld. Zur Verdeutlichung nur eine Zahl: 2016 gab das US-Gesundheitsministerium die gewaltige Summe von 994 650 662 844 Dollar aus. Dabei stehen die Politiker, die sich mit der Verteilung dieser Gelder befassen, in der Hierarchie des Politikbetriebes eher unten. Das macht sie anfällig für Einflussnahme anderer Politiker und Lobbyisten.

USA
:Dealmaker Trump ist angeschlagen

Es ist offen, ob sich die Republikaner dem Ultimatum des Präsidenten beugen und der Trumpcare-Gesundheitsreform doch zustimmen. Die zurückliegenden Tage zeigen: Trump versteht den Politikbetrieb nicht.

Analyse von Matthias Kolb

Zahlreiche Lobbyisten spielen mit

Zugleich gibt es sehr viele Akteure auf dem Markt der Gesundheit: Vertreter der Versicherungsbranche, Pharmafirmen, Klinikkonzerne, Ärzte, Gesundheitsämter, Patientenvereinigungen, Forscher, Kirchen, alternative Heiler und etliche andere versuchen, ihren Einfluss geltend zu machen. Kurz vor der Verabschiedung von Obamacare gab allein die Pharmaindustrie 150 Millionen Dollar für Lobbyisten aus, schreibt die New York Times. Wenn nun in sehr kurzer Zeit Änderungen an dem Gesetz vorgenommen werden, kann das den Lobbyismus zwar insgesamt begrenzen. Das enge Zeitfenster für die Einflussnahme könnte aber die ohnehin mächtigen Akteure begünstigen, die besonders schlagkräftig sind und bereits gute Kontakte in die Politik haben. Vertreter von Kranken und Benachteiligten gehören eher nicht dazu.

Kein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip in der Gesundheit

Die Gesundheit eines Menschen hängt von zahlreichen Faktoren ab. In vielen Fällen lässt sich daher allenfalls mit sehr großer Mühe abschätzen, welche Konsequenz eine politische Maßnahme hat. Ein Beispiel: Wenn die Trump-Regierung Frauen den Zugang zu legalen Abtreibungen nun erschwert, ist nicht gesagt, dass damit sehr viel mehr Kinder geboren werden. Frauen könnten sich stattdessen auch illegalen und damit riskanten Eingriffen unterziehen. Hinzu kommt, dass die Entscheidung zur Familiengründung Frauen auch deshalb schwerer fallen könnte, weil mit der Einführung von "Trumpcare" wahrscheinlich die Schwangerschaftsversorgung nicht mehr automatisch Teil der Krankenversicherung sein wird. Nicht jede Frau kann es sich leisten, eine teure Zusatzversicherung für die Schwangerschaft abzuschließen.

Die Prävention droht vergessen zu werden

Ein Gesundheitssystem muss nicht nur Kranke versorgen, sondern sich auch gegen plötzliche Krisen wappnen. Im Rahmen von Obamacare hatten die Demokraten dafür den sogenannten Präventions- und Public-Health-Fonds eingerichtet und mit einer Milliarde Dollar jährlich finanziert. Er wurde in erster Linie für Impfungen, das Monitoring von Infektionskrankheiten und die rasche Eindämmung von Krankheitsausbrüchen genutzt. Diesen Fonds will die Trump-Regierung nun schließen. Im Falle von größeren Ausbrüchen könnte dies zu Problemen führen. Denn der Kongress ist nicht gerade schnell im Bewilligen von Geldern für die Seuchenkontrolle. Als das Zika-Virus die USA bedrohte, dauerte es 220 Tage bis zusätzliche Mittel zu seiner Bekämpfung bereitgestellt worden.

Es gibt kein universelles Rezept für ein Gesundheitssystem

Bis heute gibt es keine klaren Kriterien, was ein gutes Gesundheitssystem überhaupt auszeichnet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bislang nur einen Versuch zur Klärung dieser Frage unternommen. Sie stellte im Jahr 2000 fünf Kriterien auf: Wie ist der Gesundheitszustand der Bevölkerung? Wie groß sind die Gesundheitsunterschiede zwischen Armen und Reichen? Gibt es ausreichende Gesundheitseinrichtungen? Ist der Zugang zu den Einrichtungen für alle Versicherten gleich? Und sind die finanziellen Belastungen der Versicherten fair verteilt? Gemessen an diesen Kriterien stand Frankreich an der Spitze, Deutschland gelangte auf Platz 25 und die USA nur auf Platz 37 - noch hinter Kolumbien. Aktualisiert wurde das Ranking seither nicht mehr, wahrscheinlich auch, weil es sehr viel Kritik daran gab. Hätte man auch nur ein anderes weiteres Merkmal angelegt - etwa die Zufriedenheit der Menschen - hätte die Liste komplett anders ausgesehen. Andere Kritiker zweifeln daran, dass man überhaupt ein universelles Rezept für ein Gesundheitssystem erstellen kann. Es scheint, als müsse jedes Land mit sehr großer Sorgfalt sein System an die Probleme, Bedürfnisse und Ressourcen seiner Einwohner anpassen.

© Sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

USA
:24 Millionen Amerikaner könnten ihre Krankenversicherung verlieren

Der US-Rechnungshof hat die Pläne der Republikaner für eine Gesundheitsreform bewertet: Der Staat spart viele Milliarden, doch schon kommendes Jahr wären 14 Millionen Bürger unversichert.

Von Beate Wild

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: