Rauchverbot im Freien:Blinder Aktionismus

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Wo kein Abstand von zwei Metern gewährleistet werden kann, darf in Spanien fortan weder gequalmt noch gedampft werden. (Foto: dpa)

Die spanische Regierung will im Kampf gegen Corona das Rauchen im Freien verbieten. Doch die Maßnahme könnte nach hinten losgehen.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Die Verantwortung der Politik in der Coronakrise ist keine geringe, und bisweilen schlägt sie um in Verzweiflung. Auch die spanische Regierung hat derzeit ihre Not. Nach der fulminanten Eindämmung des neuen Virus im Frühsommer folgt nun die spätsommerliche Ernüchterung. Am Mittwoch meldete Spanien fast 7000 neue Infektionen, das ist nicht mehr weit von den Höchstwerten im März entfernt. Und was macht die krisenerprobte spanische Regierung? Sie sperrt in blindem, wenn nicht gefährlichem Aktionismus die Raucher ein.

Als erstes Land in Europa verbieten die Spanier das Rauchen im Freien. Wo kein Abstand von zwei Metern gewährleistet werden kann, darf weder gequalmt noch gedampft werden. Schließlich könnten Rauch oder Dampf besonders viele infektiöse Tröpfchen enthalten, die Nichtraucher gefährden. Doch es geht nicht allein um die passiven Opfer. Wer Zigaretten raucht, hat schließlich ein erhöhtes Risiko, besonders schwer an Covid-19 zu erkranken. Und Raucher stecken sich mutmaßlich auch leichter an, weil sie ständig an ihrem Mund herumfummeln. Es soll also auch um den Schutz der Raucher vor sich selbst gehen. Das zumindest vermitteln Spaniens Epidemiologen und Lungenfachärzte, die das Verbot wollten. Die Politik vollstreckt diesen Wunsch nun.

Wem das Rauchen im Freien verboten wird, der raucht weiter - vermutlich zu Hause

Wie heuchlerisch dieses Freiluft-Rauchverbot ist, liegt jedoch auf der Hand. Erstens, weil es keinerlei wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass Rauch im Freien ansteckender ist als der Atem eines Nichtrauchers. Das bedeutet zwar nicht, dass ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen wäre. Aber eine Studie zu dieser Frage fehlt. Und so lange das so bleibt, handelt es sich bei dem angeblichen Risiko um reine Spekulation. Und zweitens weiß bereits ein Medizinstudent, dass ein Raucher nicht mal eben aufhört zu rauchen, wenn es nun auch vor der Kneipe verboten ist. Er raucht weiter, wo er noch darf. In diesem Fall: zu Hause.

Die damit verbundene Gefahr sollte eigentlich auch jenen Medizinern klar sein, die sich das Verbot ausgedacht haben. Denn während sowohl Rauch, als auch feine und größere Tröpfchen an der Frischluft verwehen, steigt in geschlossenen Räumen das Ansteckungsrisiko. Wenn die Süchtigen nun in diese riskante Umgebung gedrängt werden, mit Freunden vielleicht, die einem sonst vor der Kneipe Gesellschaft geleistet hätten, oder mit der Familie, die der Raucher sonst durch einen Gang ins Freie geschont hätte - dann erhöht man das Risiko für all diese Menschen auf jeden Fall.

Die Politik ist deshalb zwar gut beraten, auf die Wissenschaft zu hören. Doch nur, wenn der Rat der Wissenschaft ein wissenschaftlicher ist. In diesem Fall ist er das nicht.

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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