Psychiatrie:Tod und Depression

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Trauer kann krank machen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der unerwartete Tod eines nahen Menschen belastet viele Menschen so stark, dass sie seelische Krankheiten entwickeln. Ältere Menschen sind besonders gefährdet, mit Depressionen, Angststörungen oder Alkoholmissbrauch auf den Verlust zu reagieren.

Von Christian Weber

Die Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen ist schlimm genug. Zugleich mehren sich nun Hinweise, dass es bei vielen Hinterbliebenen zu weiteren psychischen Nebenwirkungen kommt, die bislang unterschätzt wurden. Darauf deutet eine Studie, die ein Forscherteam um die Epidemiologin Katherine Keyes von der Columbia University jetzt im Fachblatt American Journal of Psychiatry (online) vorgestellt hat.

Ihren Erhebungen zufolge verdoppelt sich bei Menschen über 30 Jahren das Risiko für den Ausbruch einer manischen Erkrankung, wenn ein nahestehender Mensch überraschend stirbt. Bei den 50- bis 70-Jährigen verfünffacht sich das Risiko sogar. Hingegen fand sich bei den Betroffenen unter 30 Jahren kein Effekt. Dabei wurden weitere Risikofaktoren wie frühere psychiatrische Diagnosen oder traumatische Erfahrungen sowie soziodemografische Faktoren berücksichtigt.

Die Studie erstaunt vor allem deshalb, weil psychische Störungen sonst häufig gerade im jungen Erwachsenenalter ausbrechen. Allerdings erklärten eben auch 20 bis 30 Prozent der über 27 000 Teilnehmer der Erhebung, dass für sie ein unerwarteter Todesfall das traumatischste Ereignis ihres Lebens war.

"Unsere Ergebnisse sollten die Aufmerksamkeit der Ärzte dafür schärfen, dass nach einem unerwarteten Todesfall viele psychische Störungen auftreten können", sagt Katherine Keyes. So hätten andere Studien gezeigt, dass ein plötzlicher Tod auch die Wahrscheinlichkeit von Depressionen, Alkoholmissbrauch und Angststörungen deutlich erhöht. Am größten sei das Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen; dieses erhöhe sich um den Faktor 30 und zwar quer durch alle Altersgruppen.

Seit Langem streiten Psychiater, ob Trauer nur normale Anpassungsreaktion sei, und wann sie sich zu einer ernsthaften psychischen Krankheit auswachsen könne. Nach dem im vergangenen Jahr neugefassten Diagnosekatalog DSM-5 können die Ärzte zumindest in den USA eine Depression diagnostizieren und deren Behandlung abrechnen, wenn ein Patient länger als zwei Wochen unter typischen Symptomen wie Freudlosigkeit, Antriebsstörung, Interessenverlust, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit leidet.

© SZ vom 31.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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