Selbstmitleid und Bedauern kommen garantiert immer zu spät. Die Schwüre auf künftigen Verzicht ("nie wieder") lösen sich sofort in Luft auf, sobald der Kater verschwunden ist und der Kopf nicht mehr brummt. Gar vielfältig sind die Gründe für Störungen des Wohlbefindens nach alkoholhaltigen Abenden. Es kann sich um ein Qualitätsproblem handeln - ein Mangel, den schon die Gebrüder Blattschuss in ihrer Wirtshausballade von den "Kreuzberger Nächten" aufgezeigt haben: "Eins von den dreißig Bierchen gestern war wohl schlecht." Manchmal liegt es auch daran, dass die Konsumenten sich schlicht in der Dosis verschätzen, die gerade noch bekömmlich ist ("Sieben Fässer Wein können uns nicht gefährlich sein"). In fast allen Fällen ist das Unwohlsein jedoch Kopfsache.
In diesem Kontext ist das Schädelweh zu sehen, das bedauernswerte Zeitgenossen nach dem Genuss von - manchmal schon kleinen Mengen - Rotwein ereilt. Nun erfordert Rotwein-Kopfweh keinen Rote-Kreuz-Einsatz, lästig ist es trotzdem. Forscher der University of California in Davis haben eine verdächtige Substanz ermittelt, die dazu führen kann, dass sogar bedächtige Zecher nach Rotwein über Kopfschmerzen klagen, auch wenn sie andere Alkoholika gut vertragen. Die Beschwerden setzen zumeist im Zeitraum von einer halben Stunde bis zu drei Stunden nach dem ersten Schluck ein. Den Wissenschaftlern zufolge könnte Quercetin, ein gelblicher Naturfarbstoff, der in vielen Obst- und Gemüsesorten enthalten ist, für die Pein nach dem Wein verantwortlich sein.
Unter der Schale der Trauben findet sich besonders viel Quercetin. Während der Herstellung von Rotwein kommen - anders als bei Weißwein - Schalen und Kerne mit dem Most in Kontakt, deswegen enthält roter Wein mehr Quercetin als weißer. Nach der Lagerung im Holzfass, Spötter sprechen von "Schreiner-Wein", geht ebenfalls mehr Quercetin in den Rebensaft über. Stärkere Sonneneinstrahlung erhöht ebenfalls den Quercetin-Gehalt. "Wer solche Rebsorten kultiviert, wie hier im Napa Valley, erhält eine bis zu fünffach höhere Konzentration", so Andrew Waterhouse, ein an der Studie beteiligter Weinbauexperte. Im Körper greift die Substanz in den Alkoholstoffwechsel ein. Ein Enzym in der Leber wird gehemmt, und es fällt vermehrt Acetaldehyd an - ein Abbauprodukt des Ethanols, das die typischen Kater-Symptome auslöst.
Allerdings gibt es weitere Gründe für Schädelbrummen und Hitzewallungen nach dem Genuss von Rotwein. Manche Menschen - besonders betroffen sind Frauen mittleren Alters - vertragen histaminhaltige Lebensmittel nicht gut. Während in Weißwein kaum etwas von dem Botenstoff zu finden ist, kommt er in größeren Mengen in Rotwein, gereiftem Käse, aber auch in Meeresfrüchten und Innereien vor. Die Abendeinladung kann daher deutlich vor der Zeit enden, mit roten Flecken im Gesicht und Schwindel. Manchmal gibt es jedoch auch ganz banale Gründe für den schweren Kopf am nächsten Tag: Wenn der Alkohol die Sicht auf die schlechte Gesellschaft vernebelt hat, in der man sich befand und in der Dinge passiert sind, von denen Kopfschmerzen noch als glimpflichste Nebenwirkung gelten müssen.