Potsdam:Rettungsschirm für Brandenburg beschlossen

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Der Landtag von Brandenburg. (Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB)

Brandenburg greift Bürgern und Wirtschaft in der Corona-Krise mit einem historischen Rettungsschirm von bis zu zwei Milliarden Euro unter die Arme. Der Landtag...

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Potsdam (dpa/bb) - Brandenburg greift Bürgern und Wirtschaft in der Corona-Krise mit einem historischen Rettungsschirm von bis zu zwei Milliarden Euro unter die Arme. Der Landtag beschloss die Hilfen am Mittwoch in Potsdam einstimmig bei Enthaltungen von Linken und Freien Wählern. Das Geld, das über neue Schulden finanziert wird, soll vor allem kleinen Unternehmen, Eltern ohne Kinderbetreuung und Krankenhäusern zugute kommen. Dafür stellte der Landtag eine außergewöhnliche Notsituation fest, damit Kredite trotz Schuldenbremse möglich sind.

REGIERUNGSERKLÄRUNG: Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rief zu Besonnenheit und Vertrauen auf. „Wir werden alles dafür tun, um die beispiellose Aufbauleistung der Brandenburgerinnen und Brandenburger in den letzten 30 Jahren zu bewahren“, sagte Woidke in einer Regierungserklärung im Landtag, der wegen Sars-CoV-2 mit mehr Abstand zwischen den Abgeordneten tagte. Die Besorgnis bei vielen sei groß, es gebe aber Hoffnung. Die Infektionszahlen vervielfachten sich nicht mehr so schnell. Er forderte, nicht nachzulassen beim Einschränken von Kontakten. „Abstand halten heißt Leben retten“, sagte Woidke. Er kritisierte die „wenigen Ignoranten“, die sich nicht an Regeln hielten: „Sie gefährden Menschenleben.“ Ab diesem Donnerstag drohen Strafen aus einem neuen Bußgeldkatalog. Brandenburg hatte am Dienstag die Ausgangsbeschränkungen um zwei Wochen verlängert, was Bund und Länder heute vereinbarten.

INFEKTIONEN: In Brandenburg sind bislang acht Menschen nach Angaben des Gesundheitsministeriums an einer Coronavirus-Infektion gestorben, erstmals wurden mehr als 1000 Infizierte registriert - genau 1038. Das Ernst-von-Bergmann-Klinikum, das größte Potsdamer Krankenhaus, nimmt wegen immer mehr Corona-Infizierten keine neuen Patienten mehr auf. Nur unabweisbare Notfälle wie akuter Herzinfarkt und Frauen, die ein Kind bekommen, sollen noch in die Klinik dürfen. Bisher wurde dort das Virus laut Klinik bei 61 Patienten nachgewiesen, 11 davon sind auf der Intensivstation.

WIRTSCHAFT: Brandenburg hilft kleinen Unternehmen und Freiberuflern bis 100 Beschäftigten mit einem Soforthilfeprogramm mit Zuschüssen von 9000 Euro bis 60 000 Euro. Bisher gingen 55 000 Anträge bei der Investitionsbank Brandenburg ein. Der Regierungschef versprach, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Den Rettungsschirm bezeichnete er als notwendig. „Ich will nie wieder einen Zusammenbruch erleben der Wirtschaftsstrukturen wie Anfang der 90er Jahre.“

HAUSHALT: Finanzministerin Katrin Lange (SPD) rechtfertigte den Rettungsschirm. „Man spart nicht gegen die Krise an“, sagte sie. Sie rechnet in diesem Jahr auch mit einer Milliarde Euro weniger Steuereinnahmen. Die Tilgung des Kredits wird den Landeshaushalt nach ihren Worten 30 Jahre lang mit bis zu rund 67 Millionen Euro pro Jahr belasten - ohne Zinsen. Für Ausgaben aus der zweiten Milliarde Euro des Schutzschirms muss der Haushaltsausschuss des Landtags zustimmen. Lange ließ offen, ob ein weiterer Nachtragshaushalt nötig wird.

REAKTIONEN: Die Industrie- und Handelskammern (IHK) nannten den Rettungsschirm das richtige Signal. Damit könnten die Folgen der Krise gemildert werden. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg sprach von einer richtigen Reaktion auf die Krise. Kurzarbeitergeld reiche allerdings für viele Menschen nicht zum Leben. AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz sagte der rot-schwarz-grünen Landesregierung konstruktive Mitarbeit an allen Maßnahmen zu, die dazu dienen, Leben zu retten. Der Linke-Abgeordnete Ronny Kretschmer kritisierte, dass die Regierung an dem ebenfalls über neue Schulden finanzierten Zukunftsinvestitionsprogramm festhält. Die Linke scheiterte mit der Forderung einer Pauschale von 500 Euro für Menschen in wichtigen Berufen in der Krise mit geringen Löhnen.

NOTBESETZUNG: Der Landtag kann wegen der Corona-Krise notfalls auch mit rund einem Viertel seiner Abgeordneten weiterarbeiten. Das Plenum beschloss mit Mehrheit, dass das Parlament bei einer außergewöhnlichen Notlage mit mindestens 23 der 88 Abgeordneten Beschlüsse fassen kann. Die Fraktionen sollen dann entsprechend ihrer Stärke vertreten sein. In diesem Fall müsste das Präsidium eine Notlage feststellen - anders als für die Schuldenaufnahme der komplette Landtag. Die Regelung ist bis Ende Juni befristet. Bisher ist der Landtag mit mindestens 45 anwesenden Abgeordneten beschlussfähig.

GRENZEN: Der Regierungschef sprach sich gegen Grenzschließungen in der Region Berlin-Brandenburg aus. „Auch deshalb halte ich nichts von geschlossenen Kreisgrenzen“, sagte Woidke. Die Kreisverwaltung Ostprignitz-Ruppin hatte vergangene Woche als bisher einzige Kommune Einreisen für Touristen untersagt, um das Gesundheitssystem nicht zusätzlich zu überfordern. Zwei Berliner Kläger dürfen dennoch zu ihren Zweitwohnsitzen reisen, beschloss das Potsdamer Verwaltungsgericht. Der Kreis prüft die weiteren Schritte, die sich daraus ergeben.

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