Potsdam:Linken-Ministerin Golze tritt im Pharmaskandal zurück

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Potsdam (dpa/bb) - Im Pharmaskandal um gestohlene Krebsmedikamente hat Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze ihren Rücktritt erklärt. Es habe "strukturelle und organisatorische Mängel" gegeben, "für die letzten Endes die Ministerin die politische Verantwortung zu tragen hat", erklärte die 43 Jahre alte Linken-Politikerin am Dienstag in Potsdam. Damit reagierte Golze auf den lange erwarteten Bericht einer Expertenkommission, die schwere Mängel in der Arzneimittelaufsicht des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden festgestellt hatte.

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Potsdam (dpa/bb) - Im Pharmaskandal um gestohlene Krebsmedikamente hat Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze ihren Rücktritt erklärt. Es habe „strukturelle und organisatorische Mängel“ gegeben, „für die letzten Endes die Ministerin die politische Verantwortung zu tragen hat“, erklärte die 43 Jahre alte Linken-Politikerin am Dienstag in Potsdam. Damit reagierte Golze auf den lange erwarteten Bericht einer Expertenkommission, die schwere Mängel in der Arzneimittelaufsicht des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden festgestellt hatte.

Die Brandenburger Firma Lunapharm soll in Griechenland gestohlene und womöglich unsachgemäß gelagerte Krebsmedikamente an Apotheken und Großhändler in mehreren Bundesländern geliefert haben. Nach dem am Dienstag vorgelegten Untersuchungsbericht einer Expertenkommission hätten die Behörden bereits im Februar 2017 eingreifen müssen, denn schon damals habe es den begründeten Verdacht gegeben, dass das Unternehmen unzulässige Arzneimittel vertreibe.

„Daraus ergab sich die Notwendigkeit, zu diesem Zeitpunkt erforderliche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Patienten einzuleiten“, heißt es in dem 59 Seiten starken Bericht. „Die Task Force konnte nicht schlüssig klären, warum dies nicht geschah“, heißt es dort weiter. Erst nach einem Bericht des ARD-Magazins „Kontraste“ wurde der Firma der Betrieb untersagt.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte erleichtert auf Golzes Rücktritt. „Ich halte den Schritt nicht nur für richtig, ich halte diesen Schritt auch für notwendig“, sagte er. Der Bericht der Expertenkommission habe gezeigt, dass es im Ministerium große Mängel in kommunikativen Abläufen, in der Organisation und in strukturellen Fragen gegeben habe.

Die Linkspartei, die seit 2009 in Brandenburg als Juniorpartner mit der SPD regiert, stürzt der Pharmaskandal in eine Krise. Golze war erst Anfang des Jahres als Co-Parteichefin gewählt worden und galt als voraussichtliche Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in einem Jahr. Ob sie ihr Parteiamt nun behält, blieb zunächst offen.

Regierungschef Woidke benötigt nun neben einer neuen Führung für das Gesundheitsressort auch einen neuen Wirtschaftsminister, nachdem Amtsinhaber Albrecht Gerber (SPD) vergangene Woche aus persönlichen Gründen seinen Rücktritt angekündigt hatte. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, soll der Nachfolger von Gerber voraussichtlich an diesem Mittwoch, aber auf jeden Fall in dieser Woche, bestimmt werden. Das Gesundheitsministerium werde zunächst von Justizminister Stefan Ludwig (Linke) mitgeleitet, sagte Woidke. Über die Nachbesetzung müsse der Koalitionspartner entscheiden.

Ludwig übernahm bereits am Dienstagnachmittag die Vertretung von Golze im Gesundheitsausschuss des Landtages, der zu einer schon vor dem Rücktritt geplanten Sondersitzung zusammenkam. Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt (Linke) kündigte dort am Abend eine Reihe von Konsequenzen an - so soll nun ein eigenes Referat nur für die Arzneimittelaufsicht geschaffen und eine Innenrevision eingerichtet werden. Bereits seit vielen Jahren habe die Fachaufsicht nicht adäquat gehandelt, sagte sie. In einem Dringlichkeitsantrag an den Haushaltsausschuss soll zudem mehr Personal erbeten werden.

Linksfraktionschef Ralf Christoffers hatte sich zuvor bereits für die Entlassung von Hartwig-Tiedt ausgesprochen. „Dies ist die notwendige Konsequenz, die sich aus dem Bericht der Taskforce zur Aufklärung des Pharma-Skandals ergibt“, sagte Christoffers. Woidke wollte dagegen zunächst abwarten, damit das Ministerium nicht gänzlich führungslos dasteht.

Vertreter der Oppositionsfraktionen CDU, AfD und Grüne bezeichneten den Rücktritt von Golze als unausweichlich. „Wir haben erlebt, dass die Aufsicht im Ministerium und im Landesgesundheitsamt zum Erliegen gekommen ist - wegen Krankmeldungen oder innerer Emigration von Mitarbeitern, die nur noch über Anwälte mit der Ministeriumsspitze kommunizieren wollten“, sagte Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher.

Die AfD-Fraktion forderte weitere personelle Konsequenzen. Wegen schwerwiegender Versäumnisse müssten auch Hartwig-Tiedt und der Präsident des Landesgesundheitsamtes, Detlev Mohr, ihre Posten räumen, sagte die AfD-Abgeordnete Birgit Bessin.

CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben regte einen Entschädigungsfonds für die Opfer des Medikamentenskandals an. „Wir sehen die moralische Notwendigkeit, gegenüber den betroffenen Patienten Verantwortung zu übernehmen“, sagte Senftleben. „Es wäre schön, wenn der Landtag dafür geschlossen ein Signal geben könnte.“ Wichtigste Aufgabe sei es, zunächst die Patienten zu identifizieren, die möglicherweise unsachgemäß gelagerte Medikamente bekommen hätten.

Im Pharmaskandal selbst ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen sieben Beschuldigte. Ihnen wird gewerbsmäßige Hehlerei und der Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen. Vergangene Woche waren dazu auch elf Orte in Hessen durchsucht worden.

Nach den bisherigen Ermittlungen wurden teure Krebsmedikamente in Griechenland gestohlen und dann in Deutschland verkauft. Zudem gibt es Spuren auch in andere Länder. Allein in Berlin-Brandenburg soll es 220 betroffene Patienten geben. Weil die Medikamente bis auf wenige Rückstellproben alle inzwischen aufgebraucht sein dürften, ist unklar, ob sie wirklich wirkten.

Die Expertenkommission gab zahlreiche Empfehlungen ab, unter anderem zur Fortbildung der Mitarbeiter in der Aufsicht. Sie hält aber auch die Änderung von Gesetzen auf Bundesebene für notwendig, etwa zu den sogenannten Re-Importen von im Ausland preiswerteren Arzneimitteln.

Die Stiftung Patientenschutz forderte indes eine Neuordnung der Medikamentenaufsicht. „Alle Bundesländer sind nun gefordert, ihre Aufsichtsstrukturen zu überprüfen und festgestellte Mängel zügig abzustellen“, verlangte Vorstand Eugen Brysch. Der Arzneimittelmarkt sei globalisiert und halte sich nicht an Ländergrenzen. Es müssten die Vorgaben für die Medikamentenüberwachung verschärft werden, sagte er. Hier sei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert.

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