Potsdam:Entsetzen über illegalen Handel mit Medikamenten

Lesezeit: 2 min

Potsdam (dpa/bb) - Im Skandal um illegalen Medikamentenhandel hat Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) ein Versagen der behördlichen Aufsicht eingeräumt. Offensichtlich kriminelle Energie sei nicht durchschaut und verhindert worden, sagte Golze am Mittwoch in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Landtags in Potsdam.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Potsdam (dpa/bb) - Im Skandal um illegalen Medikamentenhandel hat Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) ein Versagen der behördlichen Aufsicht eingeräumt. Offensichtlich kriminelle Energie sei nicht durchschaut und verhindert worden, sagte Golze am Mittwoch in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Landtags in Potsdam.

Ein Brandenburger Pharmaunternehmen soll in Griechenland gestohlene und womöglich unsachgemäß gelagerte Krebsmedikamente an Apotheken in mehrere Bundesländer geliefert haben. Erste Hinweise darauf gab es bereits 2016, aber erst vergangene Woche wurde der Firma die Betriebserlaubnis entzogen und versucht, ausgelieferte Medikamente zurückzurufen.

Es habe in der Aufsicht eine gravierende Fehleinschätzung oder Vorsatz gegeben, sagte Golze vor dem Ausschuss. Außerdem sei die Ministeriumsspitze viel zu spät über die Vorwürfe informiert worden. Auch nach der Aufdeckung des Skandals habe sie teilweise falsche Informationen erhalten. „Wir haben uns zu lange verlassen auf Informationen, die wir bekommen haben.“

Golze kündigte an, nun die Aufsichtsbehörde „auf den Kopf“ zu stellen, damit sich so etwas nicht wiederhole. Im Ministerium wurden bereits Zuständigkeiten für die Medikamentenaufsicht neu geordnet.

Bei den betroffenen Patienten und deren Angehörigen entschuldigte sich die Ministerin für das Versagen der Aufsicht. Ihr Ressort hatte in der vergangenen Woche eine Telefon-Hotline für Betroffene eingerichtet. Dort hätten sich inzwischen mehr als 600 Menschen gemeldet, berichtete Golze.

Die Oppositionsfraktionen CDU und Grüne, die die Sitzung in den Parlamentsferien beantragt hatten, zeigten sich am Nachmittag enttäuscht. „Frau Golze hat die Kontrolle verloren“, sagte der CDU-Abgeordnete Raik Nowka. „Es gibt weiterhin viele offene Fragen.“ Die Betriebserlaubnis hätte der Firma schon vor eineinhalb Jahren entzogen werden müssen. Die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher meinte, die zentrale Frage, wer was wusste, sei weiterhin offen. Der Beweis, das es sich um Korruption und nicht um Fehler in der Organisation handele, sei nicht gekommen - es gebe nur einen Anfangsverdacht.

Ausschussvorsitzende Sylvia Lehmann (SPD) hatte bereits zum Auftakt der Sitzung gesagt: „Wir sind alle entsetzt über das Ausmaß krimineller Energie.“ Die Linken stellten sich vor ihre Ministerin - Golze werde den Fall weiter aufklären. Die AfD bekräftigte ihre Forderung nach einem Rücktritt der Ministerin.

In dem Skandal geht um rund zwei Dutzend teure Medikamente, die in der Regel nicht auf Vorrat gekauft, sondern passgenau geliefert werden. Wer die Medikamente erhalten hat und in welchem Zustand sie sich befanden, ist laut Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt unklar. Bei falscher Lagerung könnte die Wirksamkeit fehlen. Derzeit werden noch sogenannte Rückstellproben untersucht; Arzneimittel aus dem Rückruf liegen noch nicht vor. Womöglich kann nie geklärt werden, ob die Medikamente in Ordnung waren.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt gegen Verantwortliche des Pharmaunternehmens. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft Neuruppin Verfahren gegen zwei Mitarbeiter der Aufsicht, wie der Präsident des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit, Detlev Mohr, im Ausschuss berichtete.

Er sei von den zuständigen Mitarbeitern auch nicht informiert worden, sagte Mohr. „Die Kommunikation ist weiter an mir vorbeigegangen.“ Die Justiz müsse prüfen, ob das Vorsatz war. „Anders ist das kaum erklärlich.“ Deshalb habe er die Staatsanwaltschaft gebeten, den Verdacht der Vorteilsnahme zu prüfen.

Die Brandenburger Behörden hatten zunächst Hinweise aus Griechenland und Polen auf Unregelmäßigkeiten bei dem Brandenburger Pharmaunternehmen erhalten. Ein früher, vorsorglicher Rückruf der Medikamente blieb aber aus. Erst nachdem das ARD-Magazin „Kontraste“ Mitte Juli über den Fall berichtet hatte, griffen die Behörden durch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: