Gesundheit - Karlsruhe:Trinken unter Aufsicht: Karlsruhe mit Angebot für Süchtige

Karlsruhe (dpa/lsw) - Butzenscheiben, karierte Tischdecken, Blumen, Kissen und Bilder an der Wand - das "A hoch 3" soll ein Ort zum Wohlfühlen sein. Es erinnert an die gemütliche Kneipe von nebenan. Doch kleine Verbotsschilder und die prominent platzierte Hausordnung weisen Gäste darauf hin, was geht - und was nicht: Bier und Wein dürfen mitgebracht und getrunken werden, Hochprozentiges nicht. Wer mit Drogen und Waffen oder beim Hehlen erwischt wird, fliegt raus. Im landesweit ersten Alkoholkonsumraum für Suchtkranke, der am Freitag in Karlsruhe eröffnet wurde, gibt es klare Regeln.

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Karlsruhe (dpa/lsw) - Butzenscheiben, karierte Tischdecken, Blumen, Kissen und Bilder an der Wand - das "A hoch 3" soll ein Ort zum Wohlfühlen sein. Es erinnert an die gemütliche Kneipe von nebenan. Doch kleine Verbotsschilder und die prominent platzierte Hausordnung weisen Gäste darauf hin, was geht - und was nicht: Bier und Wein dürfen mitgebracht und getrunken werden, Hochprozentiges nicht. Wer mit Drogen und Waffen oder beim Hehlen erwischt wird, fliegt raus. Im landesweit ersten Alkoholkonsumraum für Suchtkranke, der am Freitag in Karlsruhe eröffnet wurde, gibt es klare Regeln.

Der "Alkohol Akzeptierende Aufenthaltsraum" - so der offizielle Name - ist für Süchtige gedacht, die anders nicht mehr erreicht werden können. So wie der ab Anfang nächsten Jahres in Karlsruhe geplante erste Drogenkonsumraum im Südwesten. "Es ist ein Versuchsballon", sagt der Karlsruher Diakonie-Direktor Wolfgang Stoll - und Teil eines Konzepts zur Entschärfung der Situation am Karlsruher Werderplatz.

Der ist seit geraumer Zeit Drogen- und Trinkertreff. Bis zu 80 Süchtige versammeln sich dort täglich. Es wird gepöbelt, lautstark gestritten, draußen uriniert. Die Toiletten am Platz sind in einem schlimmen Zustand, Drogenspritzen liegen in Grünanlagen.

Eine Szene gibt es hier schon lange, sagt Sozialbürgermeister Martin Lenz (SPD). "Aber so schlimm war es noch nie." Süchtige sind Kranke. Sie einfach vertreiben, ist aus seiner Sicht keine Lösung. Die Stadt will deshalb für drei Jahre ein Konzept erproben, das auf Hilfen, aber auch auf Verbote setzt. Der kommunale Ordnungsdienst wurde aufgestockt, die Polizei ist sichtbar präsent, und ab 2019 soll es ein zeitlich begrenztes Alkoholverbot geben.

Im "A hoch 3", unweit vom Platz, steht Hilfe im Vordergrund. Auch wenn Alkohol akzeptiert wird - man kann genauso bei Limo, Kaffee oder Tee mit Sozialarbeitern ins Gespräch kommen. In der guten Stube, auf der Terrasse, beim Tischfußball, Billard oder in der Computerecke. Auch handwerkliche Angebote sind geplant, darunter Möbel restaurieren oder Schmuck herstellen aus Recycling-Stoffen.

"Wir wollen das an die Wünsche und das Können der Leute anpassen", erläutert die bei der Diakonie für Soziale Arbeit zuständige Leiterin Anita Beneta. Das Interesse ist groß, bemerkt "Arbeitsanleiter" Christian Ballon. Schon vor der Eröffnung sind jeden Tag an die acht Gäste vom Platz gekommen und haben beim Schrauben und Herrichten der Räumlichkeiten geholfen.

Rund 150 000 Euro soll der Alkoholraum jährlich kosten, der zunächst nur wochentags zwischen 11.00 und 17.00 Uhr aufhaben soll - den "Problem"-Zeiten am Platz. Die Durchsetzung des Projekts war nicht einfach. Doch für die suchtpolitische Sprecherin der Landtags-CDU, Christine Neumann-Martin, ist es "eine gute Sache". So wie der geplante Drogenkonsumraum, in dem Schwerstabhängige mitgebrachte Rauschmittel wie Heroin und Kokain unter hygienischen Bedingungen und unter Aufsicht von geschultem Personal einnehmen können.

Erfahrungen von bundesweit zwei Dutzend solcher Räume zeigen Suchtexperten zufolge, dass sie beim Ausstieg aus der Sucht helfen können und dass lebensbedrohliche Überdosierungen und Krankheiten wie Hepatitis oder HIV vermieden werden können. Insbesondere der Bochumer Drogenkonsum- und Alkoholraum macht Diakonie-Expertin Beneta Mut: "Die Erfahrungen sind sehr gut."

Um die "Fixerstube" wurde besonders heftig in der Stadt und in der grün-schwarzen Landesregierung gerungen. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) stand hinter dem Karlsruher Anliegen, das schwarz geführte Innenministerium hatte Bedenken. Erst ein Beschluss der Landtags-CDU machte den Weg frei für die nötige Landesverordnung. Sie begrenzt Drogenkonsumräume auf Städte mit mehr als 300 000 Einwohnern und schreibt eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei vor - ein entscheidender Punkt für das Innenministerium.

Das Sozialministerium geht davon aus, dass das Thema im Spätherbst im Kabinett behandelt wird. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Träger ist schon in der Detailplanung. "Unser Anliegen ist es, den Drogenkonsumraum möglichst zeitnah nach Erlass der Landesverordnung zu eröffnen", sagt der Karlsruher AWO-Geschäftsführer Markus Barton. Ein heikler Punkt ist offen: "Die Standortfrage ist noch nicht abschließend geklärt."

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