Gesundheit - Berlin:"Die Leute fehlen": Infektionswelle belastet Krankenhäuser

Gesundheit - Berlin: Eine Pflegekraft geht auf einer Intensivstation über den Flur. Foto: Fabian Strauch/dpa/Symbolbild
Eine Pflegekraft geht auf einer Intensivstation über den Flur. Foto: Fabian Strauch/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Abgesagte Operationen, volle Notaufnahmen: Rund eine Woche vor Weihnachten ist die Lage in den Berliner Krankenhäusern angespannt. Anders als in vorherigen Jahren ist die Corona-Pandemie nicht das größte Problem.

Was belastet die Berliner Krankenhäuser aktuell?

Mehrere Infektionskrankheiten kursieren zurzeit: Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ist die Zahl der Grippefälle in Deutschland in der vergangenen Woche stark angestiegen. Neben dem Influenzavirus kursiert das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) weiter stark, das vor allem für kleine Kinder und Säuglinge gefährlich sein kann. Vor allem Kinderkliniken und -stationen sind dadurch im Moment stark ausgelastet. "Die Rettungsstellen sind voll. Und auch die Kinderkliniken sind voll", sagte ein Sprecher des Krankenhauskonzerns Vivantes in Berlin.

Laut Berlins Senatsverwaltung für Gesundheit kommen in diesem Winter mehrere Faktoren zusammen. Es gebe eine "Dreifachwelle aus RS-Virus, Corona und Influenza", heißt es. Zudem gebe es eine langjährige strukturelle Unterfinanzierung durch den Bund in allen Bereichen.

Hinzu kommt: Auch Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegepersonal stecken sich an. "Der Krankenstand ist deutlich erhöht, das sehen wir", sagte der Vivantes-Sprecher. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien an Influenza, RSV und Corona erkrankt. "Das führt zu Krankschreibungen und Isolationspflicht. Die Leute fehlen dann." Auch die Berliner Charité spricht von einem "anhaltenden und sich verstärkenden krankheitsbedingten Ausfalls" des Personals.

Die Infektionswellen belasten die Krankenhäuser also doppelt: Es gibt mehr Patienten und weniger Ärzte und Pflegepersonal, die diese versorgen können. Hinzu kommt, dass in vielen Kliniken schon vorher Personal fehlte. Wirtschaftlicher Druck und "milliardenschwerer Investitionsstau durch den Berliner Senat" hätten zu Einsparungen beim Personal geführt, so die Kritik der Berliner Krankenhausgesellschaft. "Die Folgen der Unterfinanzierung bei Betriebsmitteln und Investitionen zeigen sich nun akut."

Was machen die Kliniken?

Um Patienten und Patientinnen weiterhin versorgen zu können, verteilen die Krankenhäuser teils das noch vorhandene Personal um. So hat die Charité etwa Personal in die Kinderklinik verlegt, um dort der RSV-Welle entgegenzutreten. Nach Ansicht der Krankenhausgesellschaft ist dieses Mittel aber begrenzt. "Flexibler Einsatz von Personal ist aufgrund zahlreicher Vorgaben und Gesetze sowie akutem Fachkräftemangel kaum möglich."

Außerdem werden Patienten nach Möglichkeit zwischen den Krankenhäusern verteilt. Ein von der Charité koordiniertes "Netzwerk Kindermedizin" organisiert die Verlegungen der kleinsten Patienten. "Die Abstimmung funktioniert, die Belastung in den Häusern ist aber anhaltend stark und die Möglichkeiten für Verlegungen bleiben sehr begrenzt", teilte die Charité mit.

Um mehr Kapazitäten für Notfälle frei zu halten, hat die Charité zudem angekündigt, ab Montag keine verschiebbaren Operationen mehr durchzuführen. Das sei zunächst bis Jahresende geplant.

Was sagt die Politik?

"Es ist in der Tat so, dass sich aktuell der Krankenstand gerade auch in den Kliniken extrem zuspitzt, so wie in allen Arbeits- und Lebensbereichen im Moment in unserer Stadtgesellschaft", sagte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Donnerstag bei einer Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus.

Sie appellierte an die Menschen, Masken zu tragen. "Und ich glaube das wäre tatsächlich auch ein wichtiger Beitrag, um hier Sorge zu tragen, dass nicht noch mehr Beschäftigte krank werden", sagte sie. Auch andere Hygienemaßnahmen wie Lüften und Händewaschen würden helfen. "Alles das, was wir gut eingeübt haben in den letzten Jahren, sollten wir jetzt noch mal ganz besonders beherzigen."

Der Vorsitzende des Berliner Gesundheitsausschusses, Christian Gräff (CDU), sagte am Donnerstag: "Ich glaube, wir haben eine dramatische Situation, die noch nicht mal den Höhepunkt erreicht hat." Auf Vorschlag der CDU soll es deshalb am Dienstag eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses zur Lage in Berlins Kinderkliniken geben. "Und da muss es einen Notfallplan für Berlin geben und den müssen wir am Dienstag diskutieren", sagte Gräff.

Wie geht es weiter?

Eine Entspannung der Lage ist erstmal nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Krankenhausgesellschaft warnt angesichts des fehlenden Personals vor einer Zuspitzung. "Mit der erwarteten hohen Zahl an zusätzlichen RS-Infektionen und weiterhin einem hohen Krankenstand beim Krankenhauspersonal kann sich die Lage über die Weihnachtsfeiertage weiter zuspitzen."

Nach einem Gipfelgespräch zwischen Gote und Vertretern der Ärzte und Kliniken sollen zudem Medizinstudierende in Kinderkliniken und Rettungsstellen unterstützen. Zudem sollen Krankschreibungen für Schülerinnen und Schüler ausgesetzt werden, um das Personal zu entlasten. "Hierzu hat sich die Senatsgesundheitsverwaltung bereits an die zuständige Bildungsverwaltung gewandt", hieß es. Auch die Koordinierungsstelle für Kindermedizin an der Charité soll demnach weiter ausgebaut werden.

Patienten brauchten zunächst vor allem eines: Geduld. "Wer nicht akut sehr krank ist, muss in der Rettungsstelle schon mit mehreren Stunden Wartezeit rechnen", sagte der Vivantes-Sprecher.

© dpa-infocom, dpa:221215-99-911930/4

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