Demenz:Freundschaften halten das Hirn fit

Lesezeit: 2 min

Man sollte sich rechtzeitig fragen, wer liebevoll zuhören und Sorgen teilen kann. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Emotionale Nähe, Gespräche und Verständnis bremsen den geistigen Abbau schon in frühen Jahren.

Von Werner Bartens

Klar, mancher wendet sich enttäuscht von seinen Mitmenschen ab, zudem gibt es Eigenbrötler und Eremiten. Doch diesen wenigen Beispielen von selbstgewählter Isolation steht eine überwältigende Menge an Befunden gegenüber, die eindeutig zeigen: Der Mensch ist ein soziales Wesen und auf Nähe und Kontakt angewiesen. Wie ausgeprägt dieses Bedürfnis ist, hat sich während der Pandemie überdeutlich gezeigt. Ein Mangel kann psychische, soziale und gesundheitliche Folgen haben.

Auch für die geistige Frische ist es wichtig, Resonanz zu haben, also einen wohlwollenden Gesprächspartner und damit jemanden, der da ist, zuhört und Anteil nimmt. Neurologen und Altersforscher aus Harvard und von der New York University zeigen im Fachmagazin Jama Network Open, wie wichtig es für die kognitive Leistungsfähigkeit ist, sich auf soziale Unterstützung verlassen zu können. Enge Vertraute zu haben, fördert die Hirngesundheit.

Neue Alzheimer-Therapie
:FDA lässt eigene Entscheidung prüfen

Rund um die US-Zulassung des umstrittenen Alzheimer-Medikaments von Biogen sind neue Irritationen aufgetreten. Waren die Kontakte zwischen Behörde und Herstellern zu eng?

Von Berit Uhlmann

Wissenschaftler um Joel Salinas haben die Befunde von knapp 2200 Teilnehmern im Alter von durchschnittlich 63 Jahren ausgewertet. Dabei wurden die kognitiven Fähigkeiten mit neuropsychologischen Tests erfasst sowie das Hirnvolumen bestimmt. Mit nachlassenden geistigen Fähigkeiten kann auch die Größe des Gehirns abnehmen. Die Analyse zeigte, dass jene Menschen, die auf ein soziales Umfeld zurückgreifen, auf bewährte Vertraute setzen konnten und jemandem zum Reden und Zuhören hatten, kognitiv deutlich besser abschnitten. Wer hingegen nur selten einen Gesprächspartner fand, kam auf schlechtere Werte.

Das Hirn von Einsamen altert schneller

Die Forscher berechneten, wie viele Jahre an geistiger Leistungsfähigkeit es kosten kann, nicht über genügend soziale Kontakte zu verfügen. Für ihre Analyse griff das Team um Salinas auf die aus früheren Studien bekannte kognitive Kapazität in verschiedenen Altersstufen zurück. Wer wenig Austausch und Kontakt hatte, dessen Gehirn alterte schneller. Es ist demnach um durchschnittlich 4,25 Jahre "älter" und weniger agil, als es dem kalendarischen Alter entsprechen würde. Viel soziale Nähe und reger Austausch führen hingegen zu einer geringfügigen "Verjüngung" des Gehirns.

"Diese vier Jahre können ungeheuer wertvoll sein", sagt Salinas. "Oft denken wir erst im höheren Alter daran, wie wir unsere Geisteskraft erhalten können, dabei haben wir dann schon Jahrzehnte verloren, in denen wir uns Gewohnheiten hätten aneignen können, die unser Gehirn gesund erhalten." Deshalb müssten sich schon Jüngere fragen, wer liebevoll zuhören und Sorgen teilen kann und von wem emotionale Unterstützung zu erwarten ist. "Sich darum zu kümmern, setzt einen Prozess in Gang, der gute Chancen auf geistige Gesundheit und hohe Lebensqualität bietet", so Salinas.

Auch in der Anamnese und in anderen ärztlichen Gesprächen sollte stärker auf das soziale Netz der Patienten eingegangen werden. Nachzufragen, ob jemand da ist, der zuhört und sich auf den anderen einlässt, kann wichtige Hinweise geben. "Einsamkeit ist ein wichtiges Merkmal einer Depression und hat andere nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit", sagt Salinas. "Fragen zu sozialen Beziehungen verraten deshalb nicht nur etwas über die Lebensumstände der Patienten, sondern auch über ihr künftiges Befinden."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMedizin
:Wenn Einsamkeit krank macht

Wer unfreiwillig allein ist, leidet öfter unter Schmerzen und Erschöpfung. Der Griff zur Tablette mag Linderung versprechen. Oft beginnt damit aber ein Teufelskreis aus Komplikationen und Folgekrankheiten.

Von Werner Bartens

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: