Streit um EZB-Präsidentschaft:Gegen die Geschmeidigkeit

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Bundesbankpräsident Axel Weber möchte gerne Nachfolger von EZB-Chef Jean-Claude Trichet werden. Aber nicht um jeden Preis.

H. Einecke, M. Kläsgen und C. Hulverscheidt

Der Rhein glitzert, in Eltville scheint die Sonne. Axel Weber steht gut gelaunt am Rednerpult. Losgelöst vom Manuskript schildert der Bundesbankpräsident im hauseigenen Ausbildungszentrum seine Welt. Es geht um Währungen, um Notenbanken, um Konferenzen in London, Toronto, Washington, Seoul. "Mein Gefühl ist: Wir wissen, was zu tun ist, aber wollen die Politiker das wirklich umsetzen?", fragt er.

Axel Weber und Jean-Claude Trichet: Am 1. November 2011 bekommt die Europäische Zentralbank (EZB) ihren neuen Präsidenten. (Foto: dpa)

Er scheint skeptisch, fordert stabile Staatsfinanzen, stabile Verhältnisse, einen stabilen Euro. Er preist seinen Weg zum harten Euro wie einen Exportschlager. Dafür legt er sich seit Wochen ins Zeug, kämpft. In Eltville hat er leichtes Spiel: Die Zuhörer stammen aus Botswana, Tadschikistan oder von den Malediven. Eine Notenbankerin aus Osteuropa sagt: "Der Mann weiß, was er will."

Anderorts wird das bezweifelt. Will Weber in einem Jahr Jean-Claude Trichet als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) beerben oder will er es nicht? Seit Mai hat er einiges getan, um sich das Leben zu erschweren. Der EZB-Rat hatte beschlossen, Staatsanleihen zu kaufen. Weber war dagegen, machte seine Opposition öffentlich, vom ersten Tag an.

Fels in der Brandung

Nicht einmal von Trichet lässt er sich seither den Mund verbieten. Der hat mehrfach gemahnt, es gebe nur eine gemeinsame Stimme dieses Gremiums, abweichende Positionen seien nicht erwünscht. Weber aber wiederholte sein Nein bei jeder Gelegenheit, stellt inzwischen seine Überzeugung über die Karriere. "Wenn das Implikationen für meine zukünftige Tätigkeit haben sollte, dann lebe ich gerne mit diesen Implikationen", formuliert er umständlich. Will er sich als harter Brocken positionieren, als Fels in der Brandung der Eurokrise?

Ein Wegbegleiter Webers hält diese Haltung für richtig. Der Bundesbankpräsident sei nicht der Typ, der sich verbiege, um einen Posten zu bekommen. Außerdem müssten grundlegende Diskussionen im Vorfeld stattfinden. Doch es gibt auch Kritik aus der Politik und aus der Bundesbank.

"Er tut sich keinen Gefallen, wenn er dauernd gegen den Comment der EZB verstößt", heißt es in Berlin. Ein Bundesbanker rät ihm, "geschmeidiger aufzutreten". Die Situation, so sagt der Zentralbanker, erinnere ihn an vergangenes Jahr: Damals galt Weber als führungsschwach, weil er Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin loswerden wollte, im Vorstand aber keine Mehrheit dafür fand. Erst im Sommer diesen Jahres löste er den schwierigen Fall.

Dieses Mal fällt die Bewährungsprobe härter aus. Weber hat im EZB-Rat die Mehrheit gegen sich. "Die würden ihn sicher nicht zum Präsidenten wählen", sagt einer aus dem Frankfurter Eurotower. Nicht die abweichende Meinung des Bundesbankpräsidenten stößt anderen sauer auf, sondern seine Art, diese ohne Rücksicht auf einen gemeinsamen Beschluss zu vertreten. Berufen wird ein EZB-Präsident allerdings nicht intern, sondern von den Regierungschefs der Euroländer, wobei die Achse Berlin-Paris eine wichtige Rolle spielt.

Offiziell galant

In Frankreich beobachtet man jeden Schritt Webers. Wohlgelitten ist er nicht. Präsident Nicolas Sarkozy will ihn nicht. Er hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Vernehmen nach nie sein Einverständnis gegeben, dass ein Deutscher Nachfolger Trichets wird. Und die Franzosen haben Geschick darin, ihnen unliebsame Kandidaten für wichtige internationale Ämter zu verhindern.

Offiziell bleibt der Elysée galant. Tatsächlich aber verkörpert Weber aus Pariser Sicht das neue, ein wenig eingebildete Deutschland, das als egoistisch, auftrumpfend und selbstherrlich empfunden wird. Die Zeitungen nennen ihn einen "Falken", weil er unnachgiebig harte Positionen vertritt. Er erfüllt die Angstvorstellung über deutsche Hegemonialbestrebungen, die angeblich darin gipfeln, die Eurozone währungspolitisch zu einem Groß-Deutschland und die EZB zu einer Filiale der Bundesbank zu machen. Demonstrativ empfing Sarkozy kürzlich den italienischen Notenbankpräsidenten Mario Draghi im Elysée, der bislang als einziger Ernst zu nehmender Gegenkandidat Webers gilt.

Allerdings: "Wenn es Weber nicht wird, wird es Draghi erst recht nicht", behauptet ein Notenbankbeobachter. Das hat mit der Nord-Süd-Arithmetik in Euroland zu tun. EZB-Vizepräsident ist der Portugiese Vitor Constancio - und seine Berufung war keineswegs ein Zufall: Vielmehr wurde er ausgerechnet von der Bundesregierung besonders kräftig unterstützt, da man in Berlin genau wusste, dass ein deutscher Kandidat im kommenden Jahr nur dann Chancen haben würde, wenn nicht auch der Stellvertreter aus Nordeuropa kommt.

Am Ziel, Weber am Ende durchzusetzen, hat sich im Kanzleramt nichts geändert. Denkbar wäre allerdings auch ein Kompromisskandidat aus einem der kleineren Länder. Zum Start der Währungsunion hatte man zum Beispiel den Niederländer Wim Duisenberg an die EZB-Spitze berufen.

Ein möglicher Wettbewerb mit anderen Kandidaten dürfte Weber eher beflügeln. Am Donnerstagabend wurde er am Frankfurter Flughafen auf einer Veranstaltung der amerikanischen Handelskammer als "geradlinig, ehrlich und zielstrebig" vorgestellt. Dieses Mal hielt er sich trotz einiger Nachfragen an die Regeln. "Notenbanker reden nicht übereinander, sondern miteinander", sagte er.

© SZ vom 30.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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