Experten uneins über neuen Euro-Schirm:Therapie mit fraglicher Wirkung

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Idyllische Toskana: Trotz des neuen Euro-Rettungsschirms fürchten viele Ökonomen, dass die griechische Schuldenkrise auf Italien übergreifen könnte. Für andere ist die Gefahr gebannt.

Catherine Hoffmann

Kollaps oder Rettung - was bedeutet der neue Rettungsschirm für die Euro-Staaten? Volkswirte und Vermögensverwalter streiten wie selten, ob der Weg mitten hineinführt in eine Transferunion, in der reiche Staaten den armen unter die Arme greifen müssen. Oder ist zu erwarten, dass die Staaten am europäischen Geldtropf nun langsam genesen. Oder bleibt am Ende doch nur der Notausgang: Pleite oder Inflation.

Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank sieht die Vorhaben der europäischen Staats- und Regierungschefs kritisch. "Die Politik hat beschlossen, dass wir in die Transferunion gehen", sagt Krämer. Das sei seit März vergangenen Jahres amtlich.

Praktisch gäben die bonitätsstarken Länder einen Teil ihrer Bonität an die schwachen Länder ab. Das stabilisiere zwar die Lage in den angeschlagenen Staaten wie Griechenland, Irland und Portugal. Der Erfolg habe aber seinen Preis, warnt der Ökonom: "Der Weg in die Transferunion wird teuer werden, weil wir dadurch langfristig Anreize schaffen für die Staaten, hohe Schulden zu machen."

Künftig würden Politiker nicht mehr versuchen, Wähler davon zu überzeugen, dass der Standort fitter werden muss, sondern man werde schauen, was sich in Brüssel herausholen lasse. Diese neue Richtung der Wirtschaftspolitik sei "schädlich für Europa". Krämer fürchtet einen neuen Fall von Eurosklerose wie sie Europa schon in den siebziger Jahren lähmte.

Genau das Gegenteil erwartet Holger Schmieding. "Die Schuldenländer werden jetzt zu den Wirtschaftsreformen gezwungen, die Deutschland mit der Agenda 2010 und den Hartz-IV-Reformen schon vor Jahren durchgeführt hat", sagt der Chefvolkswirt der Berenberg Bank. "In einigen Jahren werden die Peripheriestaaten deutliche Erfolge der neuen Wirtschaftspolitik sehen."

Die Regierungen in Griechenland und Irland muteten den Menschen sogar wesentlich härtere Einschnitte zu als die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder den Deutschen im Jahr 2003. Kein Bereich werde verschont, weder der Arbeitsmarkt, noch Renten- und Steuerpolitik.

"Hauptziel ist es, einen Dominoeffekt zu vermeiden"

Wichtiger sei ein anderer Erfolg des Euro-Gipfels: "Hauptziel des Rettungsschirms ist es nicht, Griechenland zu helfen, sondern einen Dominoeffekt zu vermeiden", sagt Schmieding. "Das hat wunderbar geklappt." Die Gefahr der Ansteckung unbeteiligter Staaten wie Spanien und Italien sei endlich gebannt, eine Panik wie nach der Pleite von Lehman Brothers nicht mehr möglich, die auch solide Banken unverschuldet in die Krise gestürzt habe.

Nun habe Athen die Chance, sich zu beweisen. Das Risiko sei allerdings hoch, dass es das Land trotz der Hilfen nicht schafft. Im Pleitefall müssten Gläubiger und Steuerzahler zahlen. Aber künftig sollen die Hilfsdarlehen der EU und des Internationalen Währungsfonds bevorzugt behandelt werden, das heißt im Falle eines Staatsbankrotts würden die öffentlichen Kreditgeber vor den privaten Gläubigern ausgezahlt.

"Das ist in Ordnung", sagt Andrew Bosomworth, Rentenfondsmanager bei der Vermögensverwaltung Pimco. "Privatanleger müssen das zusätzliche Risiko in Kauf nehmen, aber sie werden höhere Renditen verlangen." Allerdings hat Bosomworth eine "Glaubwürdigkeitslücke" ausgemacht, die durch die Gipfelbeschlüsse nicht geschlossen werde: Trotz aller öffentlicher Beteuerungen des europäischen Zentralbankchefs Jean-Claude Trichet und einiger Politiker, dass es in der Euro-Zone keine Pleiten geben werde, würden die Anleihen Griechenlands noch immer mit hohen Abschlägen gehandelt.

"Ansteckungsgefahr ist nicht gebannt"

Anleger fürchten eine Pleite des überschuldeten Staates. "Solange der Markt nicht weiß, was mit Griechenland passiert, ist auch die Ansteckungsgefahr in Spanien und Italien nicht gebannt", sagt der Portfoliomanager. Die Renditen stiegen dort bereits.

Bosomworth ist aber zuversichtlich, dass es den beiden Schwergewichten gelingt, eine Feuerschutzwand einzurichten, die vor dem Schwelbrand in Griechenland, Irland und Portugal schützt. "Wir setzen unser Engagement in Spanien fort", betont der Manager. Auch Italien hält er für sicher. "Aber wir vermeiden weiterhin Engagements in Griechenland, Irland und Portugal", sagt Bosomworth.

Auch Philipp Vorndran, Stratege bei Flossbach & von Storch, ist skeptisch, dass die jüngsten Beschlüssen schon den großen Befreiungsschlag bedeuten: "Ich befürchte, dass die Transferunion früher oder später an der Akzeptanz der Bevölkerung scheitern wird." Vorndran empfiehlt: "Lieber ein Schrecken mit Ende als das Schuldenproblem länger zu verschleppen." Dadurch gerate die EZB in die Zwickmühle: Um der steigenden Inflationsgefahr zu begegnen müsste sie die Zinsen kräftig anheben, das traue sie sich aber nicht, weil viele Volkswirtschaften nicht in der Lage seien, höhere Zinsen zu verkraften.

"Dadurch wird das Vertrauen unsere Währungen geschwächt", erwartet Vorndran. "Die Kaufkraft des Euro wird massiv sinken." Der Vertrauensverlust in das Papiergeld würde die Inflation anheizen. Vorndran schließt zweistellige Raten nicht aus als Folge einer verfehlten Krisenpolitik.

© SZ vom 24.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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