Bundesbank:Keine Zeit für Sarrazin

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Die Bundesbank hat die Entscheidung zum Umgang mit ihrem umstrittenen Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin vertagt: Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte am Mittwoch einfach keine Zeit mehr für den Provokateur.

Die Deutsche Bundesbank hat die Entscheidung zu ihrem Umgang mit dem umstrittenen Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin vertagt. "Vor Donnerstag ist nicht mit Ergebnissen zu rechen", sagte ein Notenbank-Sprecher. Zu weiteren Details sei Stillschweigen vereinbart worden.

Eigentlich wollte sich die Bundesbank am heutigen Mittwoch damit befassen, ob sie die Abberufung ihres Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin beantragt. Doch dann war Vorstandschef Axel Weber verhindert. (Foto: dpa)

Die Bundesbank prüft derzeit, ob sie die Abberufung Sarrazins durch den Bundespräsidenten beantragt. Der frühere Berliner SPD-Finanzsenator Sarrazin ist wegen seiner Äußerungen zu muslimischen Zuwanderern unter Druck geraten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntag in einem Fernsehinterview Sarrazins Äußerungen als "vollkommen inakzeptabel" kritisiert und die Erwartung geäußert, dass sich der Bundesbankvorstand mit Sarrazin befassen werde.

"Verantwortungsloser Unsinn"

Am Montag distanzierte sich die Notenbank von den "diskriminierenden" Thesen ihres Vorstandsmitglieds, am Dienstag musste Sarrazin dem Leitungsgremium Rede und Antwort stehen. Die Gespräche über Sarrazin wurden dem Vernehmen nach am Mittwochmittag unterbrochen, weil sich Bundesbankpräsident Axel Weber auf die Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag vorbereiten müsse.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte unterdessen fest, Sarrazin habe "ersichtlich gegen seine Verpflichtung zur Zurückhaltung" verstoßen.

Schäuble appellierte an die Medien, sich zu fragen, ob es unvermeidlich sei, dass ein "verantwortungsloser Unsinn", wie ihn Sarrazin verbreite, immer auch transportiert werden müsse.

Er zitierte in dem Zusammenhang den ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss mit dem Satz: "Den ignorieren wir nicht mal." Er würde sich freuen, wenn das Kalkül derer nicht aufgehe, die darauf setzen, dass schon genug Medien solchen "Unsinn" reproduzieren.

"Vielleicht keine gute Idee"

Schäuble sagte weiter, diese "Art von Tabuverletzung" helfe dem Land nicht. Er verwies auf Umfragen, nach denen trotz der "Nazi-Barbarei" in Israel die Stadt Berlin heute als eine der liebenswürdigsten Hauptstädte der Welt gelte. Dieser Erfolg dürfe nicht "sinnlos und verantwortungslos zerstört werden".

Zurückhaltend äußerte sich Schäuble zu Überlegungen, das Auswahlverfahren für Bundesbank-Vorstände zu ändern. Bisher werden die Vorstände weniger nach Qualifikation als vielmehr nach parteipolitischem Proporz abwechselnd vom Bund und den Ländern gestellt.

Sarrazin wurde als Kandidat der SPD und der Länder Berlin und Brandenburg nach Frankfurt entsandt. Schäuble sagte, die Politik denke permanent über alles nach. In dieser Frage habe er aber den Eindruck, dass diejenigen, die diese Personalie zu verantworten hätten, "inzwischen gemerkt haben, das das vielleicht keine gute Idee war".

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