Werbung bei Google und Facebook:Angriff auf die Unangreifbaren

Werbung bei Google und Facebook: Google ist längst nicht mehr unangreifbar auf dem Werbemarkt im Internet.

Google ist längst nicht mehr unangreifbar auf dem Werbemarkt im Internet.

(Foto: Pavel Czerwinski/Unsplash)

Erstmals seit Langem hat Google Konkurrenz auf dem Werbemarkt. Doch der Mutterkonzern macht Milliardengewinne - und das trotz der Rekordstrafe der EU. Entscheidend wird sein, ob die Regeln des Spiels geändert werden.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Wie man sich wohl fühlt, wenn einem eine Rekordstrafe kaum mehr ausmacht als einem Normalbürger eine Delle im Auto: ärgerlich, aber verschmerzbar? Obwohl das von der EU auferlegte Bußgeld - fünf Milliarden Dollar - schon einberechnet wurde, hat Alphabet, die Konzernmutter von Google, im zurückliegenden Quartal einen Gewinn von 3,2 Milliarden Dollar erwirtschaftet, nur zehn Prozent weniger als im selben Quartal des Vorjahrs. Ein weiteres Mal wuchs das Anzeigengeschäft, die wichtigste Geldquelle des Konzerns, um mehr als 20 Prozent. Gut möglich, dass es unter solchen Umständen schwerfällt, das Gefühl von Unbesiegbarkeit loszuwerden.

Doch das kann trügen. Als Google noch ein Start-up zweier Studenten auf der Suche nach einem tragfähigen Geschäftsmodell war, ähnlich wie einige Jahre später Facebook, ist bei Yahoo, damals ein Schwergewicht der Internetbranche, auch niemand nervös geworden. Zumindest nicht nervös genug, um vorherzusehen, wie gefährlich die neue Konkurrenz einmal werden könnte. Heute gehören die Reste von Yahoo zur Unternehmensgruppe Oath der US-Telekommunikationsfirma Verizon. Google und Facebook dagegen beherrschen den Anzeigenmarkt im Internet.

Ganz ohne Konkurrenz sind sie indes nicht mehr: Der Internethändler und Datenkonzern Amazon schafft es nach und nach, auch auf dem Werbemarkt Fuß zu fassen. Der Konzern hat Daten darüber, was die Menschen wirklich kaufen. Und vor allem über sein Prime-Programm, das etwa mit der Möglichkeit lockt, kostenlos Videos und Musik abzurufen, kennt er die Identität seiner Kunden. Mit seinen überaus erfolgreichen Alexa-Produkten - per Sprache steuerbaren, vernetzten Lautsprechern - dringt Amazon sogar in die Wohnräume vor. Natürlich mit dem Ziel, noch viel mehr Daten zu gewinnen. Alle Anfragen der Kunden landen schließlich auf Amazons Servern, inklusive der Nebengeräusche: Bellt da ein Hund, schreit ein Baby, was läuft im TV? Alles Ansatzpunkte für zielgenaue Werbung.

Zur Not kauft man eben die Konkurrenz

Ohne dass es bisher groß aufgefallen wäre, hat es Amazon geschafft, auf seinen Angeboten mehr und mehr Werbung zu platzieren. Die Kunden erhalten überaus präzise Angaben über die Verbraucher, können also sehr zielgerichtet werben. Amazons Werbegeschäft wuchs laut der US-Firma für Digitalmarketing Merkle bei einigen Formaten im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 165 Prozent. Und Anzeigen bei Amazon führten um ein Vielfaches mehr zu Käufen als solche bei Google.

Wird Google (und womöglich auch Facebook) also das nächste Yahoo?

Dazu wird es so schnell nicht kommen. Alphabet hat sich einerseits durch seine gut funktionierenden Dienstleistungen, andererseits durch den geschickten Ausbau seiner Machtposition zwar nicht völlig unangreifbar gemacht. Aber der Konzern hat dennoch eine Stellung erreicht, von der aus er diese Macht bisher ohne allzu große Mühe verteidigen konnte. Zur Not kauft man eben mal einen Konkurrenten auf oder imitiert seine Idee so lange, bis der eingeht. Außerdem gibt es noch immer genug Werbung in anderen Medien, die ins Netz abwandern kann - jede Menge Futter für die großen Fische im Teich.

Was Alphabet gefährlicher werden könnte, wären Regeln, die das Unternehmen sehr konkret dazu zwingen würden, der Konkurrenz eine Chance zu geben. Doch im jüngsten Fall - der Milliardenstrafe dafür, dass Google die marktbeherrschende Stellung seines Mobilbetriebssystems Android ausgenutzt habe - ist bis dato unklar, was genau Google tun soll. 2004, als Microsoft dafür bestraft wurde, Windows-Nutzern seine Software Media Player aufzudrängen, musste der Konzern für EU-Kunden Windows-Versionen ohne das Programm bereitstellen. Und fünf Jahre später - nun ging es um Internetbrowser - musste Microsoft den EU-Kunden eine Auswahl anbieten, von denen sie einen als Standardbrowser auswählen konnten.

Dass es solch klare Ansagen zumindest bisher nicht gibt, wird man bei Google mit Freude zur Kenntnis genommen haben. Erst einmal wird man dort versuchen, die Sache mit juristischen Mitteln hinauszuzögern. Wenn dann etwas Gras über die Sache gewachsen ist, wäre die Zeit, zu einem Kompromiss zu kommen, der Google nicht allzu wehtut und der EU das Gesicht wahrt. Dabei profitiert Google natürlich enorm davon, dass sich das Wachstum des Konzerns nach Internetmaßstäben entwickelt - also rasend schnell. Die Regulierung hinkt weit hinterher. Wenn sie wirklich etwas erreichen soll, müsste sich das ändern.

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