Skandal um weltweite Überwachung:Tausende US-Firmen sollen Geheimdiensten helfen

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Patriotische Software-Tipps: Einem Medienbericht zufolge unterstützen Tausende amerikanische Unternehmen die US-Geheimdienste mit internen Informationen, unter anderem Windows-Anbieter Microsoft und Sicherheitssoftware-Spezialist McAfee. Dabei soll es zwar nicht um Nutzer-Daten gehen, aber um erleichterte Spionage-Aktionen.

Der Skandal um massive weltweite Überwachung durch US-Geheimdienste weitet sich aus. Laut neuen Enthüllungen unterstützen Tausende amerikanische Unternehmen die Behörden mit internen Informationen. Dabei gehe es nicht um Nutzer-Daten, aber die Hilfe erleichtere Spionage-Aktionen, schrieb der Finanzdienstleister Bloomberg am Freitag.

Die US-Geheimdienste bekämen zum Beispiel Informationen über noch öffentlich unbekannte Software-Schwachstellen, so Bloomberg. Mit solchem Wissen könnten die Spionage-Agenturen etwa fremde Computer leichter ausspähen. An den Kooperationen beteiligten sich verschiedenste US-Unternehmen wie Hersteller von Software und Geräten, Banken, Anbieter von Satelliten-Kommunikation sowie Spezialisten für Internet-Sicherheit, vermeldete Bloomberg. Konkret wurden der Windows-Anbieter Microsoft und der zum Intel gehörende Sicherheitssoftware-Spezialist McAfee genannt.

Die Zusammenarbeit der Unternehmen mit den US-Geheimdiensten bleibe im rechtlichen Rahmen, betonten die Bloomberg-Quellen. Einige amerikanische Telekommunikationsfirmen hätten Geheimdiensten Zugang zu Standorten und Daten außerhalb der USA gewährt - was im Heimatland die Zustimmung eines Richters erfordert hätte.

Die Kontakte seien nur wenigen Personen bei den Firmen bekannt und würden oft direkt über die Chefetage eingefädelt. Die Regierung überschütte kooperierende Unternehmen dafür mit Aufmerksamkeit und versorge sie auch mit Informationen. Zugleich arbeiteten einige Manager aus patriotischer Überzeugung mit den Behörden zusammen.

Michael Hayden, ein früherer Chef von CIA und NSA, betonte, wenn er ein gutes Verhältnis zu einer Firma hätte, die einen Beitrag zur nationalen Sicherheit leiste, "würde ich alles tun, um ihnen zu danken und ihnen das Gefühl zu geben, dass es wichtig und nützlich ist". Wie Bloomberg berichtete, bekam Google-Mitgründer Sergey Brin nach einem massiven Hackerangriff 2010 geheime Informationen, die auf eine bestimmte Einheit der chinesischen Armee als Ursprung der Attacke hinwiesen. Brin wurde demnach sogar vorläufiger Zugang zu geheimen Informationen gewährt, damit er an einem Behörden-Treffen teilnehmen konnte.

Zugleich wurde jetzt bekannt, dass sich der Internet-Konzern Yahoo 2008 vergeblich gegen die Herausgabe von Informationen an die Behörden gewehrt hatte. Das Unternehmen sei vor das geheime Gericht gezogen, das Überwachungsanfragen nach dem Auslandsspionagegesetz Fisa freigebe, berichtete die New York Times am Freitag. Die Regierung habe eine Vollmacht zum breit angelegten Abgreifen von Daten außerhalb der USA gefordert - das passt zum heutigen Wissen über das Spionageprogramm "Prism". Yahoo weigerte sich vergeblich. Für andere Internet-Firmen sei dies ein Signal gewesen, dass Widerstand zwecklos sei, schrieb die Zeitung.

Die USA sagten der EU unterdessen detaillierte Informationen zu. Eine gemeinsame Expertengruppe soll eingesetzt werden, um mehr über das Prism-Programm zu erfahren. "Wir haben vereinbart, dass Vertreter beider Seiten sich treffen und den Dialog fortsetzen, den wir heute begonnen haben", sagte US-Justizminister Eric Holder nach einem Treffen mit EU-Vertretern in Dublin. Dabei wird es nach Worten von EU-Justizkommissarin Viviane Reding vor allem um den Datenschutz gehen.

Ein Berliner Treffen der Bundesregierung mit amerikanischen Internet-Unternehmen brachte "mehr offene Fragen als Antworten", wie der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP) sagte. In der Frage, ob sie Daten über technische Schnittstellen an US-Dienste leiten, seien die Unternehmen vage geblieben, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Die deutschen Vertreter hätten wenig über US-Spionageprogramme gewusst - und ihrerseits die deutsche Regierung gebeten, beim Berlin-Besuch von US-Präsident Barack Obama auf mehr Transparenz zu dringen.

Unterdessen trat China erstmals in der Kontroverse um den amerikanischen Informanten Edward Snowden aus der Deckung. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua hieß Snowden in einem Kommentar in China willkommen. Sie setzte Snowden in eine Reihe mit dem Wikileaks-Informanten Bradley Manning und Wikileaks-Gründer Julian Assange: "Diese Leute sind zu brillant, um eingesperrt zu werden."

Für Snowden könnte dies eine brisante Sympathie-Erklärung werden. Da er sich mit geheimen NSA-Dokumenten nach Hongkong abgesetzt hatte, müssten letztlich die chinesischen Behörden über einen möglichen Auslieferungsantrag der USA entscheiden. US-Ermittler prüften bereits, ob Snowden mit chinesischen Geheimdiensten kooperiert habe. Derzeit hätten sie aber keine Anhaltspunkte dafür, schrieb Bloomberg.

China wird von den USA als Hacker-Hochburg gebrandmarkt und immer wieder von Menschenrechtsgruppen für den Umgang mit Dissidenten kritisiert. Snowdens Enthüllungen wurden unmittelbar vor einem Gipfeltreffen veröffentlicht, bei dem Obama die chinesische Führung zur Rede stellen wollte. Die Enthüllungen zeigten einmal mehr die arrogante Seite der USA, schrieb Xinhua.

© SZ vom 15.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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