Schularbeiten:Ober- und Untergrenzen für Hausaufgaben?

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Ob und wie viel Schüler Zuhause lernen sollten, ist umstritten. (Foto: dpa)

Sollen Schüler das Gelernte Zuhause wiederholen und sich allein Wissen aneignen? Mit einem überraschenden Argument belebt Hamburgs Bildungssenator einen alten Streit.

Von Paul Munzinger

Schüler ächzen, Eltern klagen, Wissenschaftler zweifeln an ihrem Zweck: Über Sinn und Unsinn von Hausaufgaben wird seit Jahrzehnten gestritten, doch so stark in der Kritik wie zuletzt waren sie womöglich noch nie. Zum Beginn des neuen Schuljahres in der Hansestadt hat sich nun Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) zu Wort gemeldet, mit einer klaren Botschaft: Er sehe es mit Sorge, "dass immer mehr Schulen die Schulaufgaben einschränken oder komplett abschaffen. Ich finde das nicht richtig". Rabe fordert eine Diskussion über das richtige Maß, über "Obergrenzen und Untergrenzen": Sein Vorschlag: 20 Minuten für Grundschüler, eine halbe Stunde für Jugendliche.

Es stellt sich als Erstes die Frage, ob das überhaupt stimmt: ob die Hausaufgaben tatsächlich auf dem Rückzug sind. Statistiken gibt es dazu nicht, aber Erfahrungswerte. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands und Leiter eines Gymnasiums in Deggendorf, bestätigt Rabes Einschätzung. Die "Hausaufgabenmoral", sagt er, habe nachgelassen, bei Schülern ebenso wie bei Lehrern.

Meidinger nennt zwei Gründe: Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums in vielen Bundesländern sowie der Ausbau des Ganztagsunterrichts hätten an vielen Schulen zu vermehrten Klagen über die hohe Belastung der Schüler geführt. Die Lehrer seien in der Folge zurückhaltender geworden, in einigen Bundesländern wurden sogenannte Hausaufgabenerlasse erarbeitet, die genau vorgeben, wie viel Arbeit den Schülern mit nach Hause gegeben werden darf. In Nordrhein-Westfalen etwa muss sie in der ersten und zweiten Klasse in einer halben Stunde zu erledigen sein, in den Klassen acht bis zehn in 75 Minuten - deutlich mehr also als die Zeiten, die Rabe vorschlägt.

Hausaufgaben vertiefen soziale Unterschiede, sagen Kritiker. Rabe sagt genau das Gegenteil

Bleibt die Frage nach dem Sinn. Er sei überzeugt, sagt Rabe, "dass Schüler besser lernen, wenn sie das Gelernte nach dem Unterricht wiederholen und üben oder nachmittags Literatur lesen und dabei zugleich selbständiges Arbeiten lernen". Auch Meidinger sieht das so. Während es über den richtigen Umfang der Hausaufgaben auch unter Lehrern Debatten gebe, herrsche über ihre Berechtigung Einigkeit: "Jeder Lehrer wird die Effektivität von Hausaufgaben bejahen." Meidinger räumt aber ein, was auch die Forschung in zahlreichen Studien herausgearbeitet hat: dass der Sinn der Arbeiten vor allem davon abhängt, wie sie gestellt sind.

Gute Hausaufgaben inklusive sinnvoller Betreuung und Nachbearbeitung helfen demnach beim Lernen - sind aber nicht unbedingt die Regel; die Kritik an den Hausaufgaben richtet sich vor allem gegen häufige Pflichtübungen, die als stumpfsinnig empfunden werden. "Wenn die Schüler daheim nacharbeiten sollen, was im Unterricht nicht mehr geschafft wurde, bringt das nichts", sagt auch Meidinger.

Kritik an den Hausaufgaben entzündet sich auch daran, dass sie soziale Unterschiede vertieften. Gebildete Eltern übten zu Hause mit ihren Kindern, während Kinder mit weniger günstigen Bedingungen häufig auf sich alleine gestellt seien - mit entsprechend schlechteren Resultaten. Rabe dreht die Argumentation nun um. Hausaufgaben, sagt er, seien besonders für Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien wichtig. Seine Begründung: Bildungsnahe Eltern üben und lernen mit ihren Kindern so oder so. "Kinder aus bildungsfernen Familien hingegen", sagt Rabe, "haben am Nachmittag kaum Anlass, zu üben und zu wiederholen, wenn die Schule keine Schulaufgaben aufgibt." Die Diskussion über die Hausaufgaben, so viel ist sicher, wird auf jeden Fall weitergehen.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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