Peter Holnick, 55, leitet das Institut für Medienpädagogik und Kommunikation in Darmstadt. Der Sozialpädagoge ist oft in Schulen, um mit Kindern, Jugendlichen aber auch Lehrern über die Nutzung von Medien zu sprechen. Im Mittelpunkt steht dabei das Smartphone.
Welche Regeln gelten bei Ihnen zu Hause für die Handynutzung?
Holnick: Meine siebenjährige Tochter hat noch kein Handy, aber sie fragt immer danach. Ich sage dann: Ich weiß noch nicht, wann du eins bekommen wirst. Vielleicht mit zehn, vielleicht erst mit 15 Jahren. Wir haben aber einen Tablet-Computer, damit darf sie mit Großeltern, Tanten und einer Freundin kommunizieren und zwar über das soziale Netzwerk Threema. Das ist ein geschützter Raum, weil die Familienmitglieder sehen können, was da ausgetauscht wird. Zum Thema Handy sage ich ihr: Wir müssen abwarten, wer du wirst.
Was meinen Sie damit?
Ich möchte erst sehen, wie sich ihr Charakter entwickelt, wie stark sie sich zu Chats oder Videos hingezogen fühlt. Sie guckt jetzt schon gern Youtube-Videos. Ich muss sie als Vater begleiten in die digitale Welt. Wir sagen auch mal: Jetzt reicht es! Das ist bei meiner älteren Tochter so nicht mehr möglich.
Die lässt sich das Handy nicht mehr abnehmen?
Ja, meine ältere Tochter ist zwanzig und lebt bei meiner Ex-Frau, sie wurde weniger begleitet und war sehr viel am Handy. Nun macht sie ein Freiwilliges Soziales Jahr, schon dadurch ist sie stärker gefordert und hat weniger Zeit für das Handy. Einer Zwanzigjährigen kann man ohnehin nicht mehr viel sagen, sie muss schon vorher einen Umgang mit der digitalen Welt entwickelt haben.
Wenn Sie in die Schulen gehen und darüber diskutieren: Wie sehen die Jugendlichen ihre Handynutzung selbst?
Teilweise sogar kritisch. Einige sagen: Wir machen da zu viel. Wir fragen zum Beispiel, wie viele Nachrichten sie aufs Handy bekommen. Da gibt es Siebtklässler, die erhalten zwischen 50 und 200 Nachrichten am Tag, etwa von der Klassengruppe, aber auch von Vereinen. Die sagen dann: Das ist eigentlich zu viel - aber wenn wir nicht mitmachen, fliegen wir raus. Eine These dazu lautet: Kinder unterscheiden nicht mehr zwischen digital und analog, sie wachsen in einer Mischwelt auf. Für einen jungen Menschen heißt das: Wenn er in der digitalen Welt nicht mitmacht, dann gibt es ihn gar nicht. Immer online sein ist Pflicht.
Dann muss man womöglich Ruhezeiten einführen, um den Blick wieder stärker auf die Möglichkeiten der analogen Welt zu lenken. Viele Schulen in Deutschland versuchen das mit Regeln, in Frankreich ist kürzlich sogar ein weitgehendes Smartphone-Verbot an Schulen beschlossen worden. Was halten Sie davon?
Das allein wird nicht viel bringen. Denn wir müssen uns viel mehr mit der digitalen Welt beschäftigen. Damit meine ich weniger die Technik, als vielmehr unsere Haltung dazu: Was bedeutet es, wenn jeder zum Produzenten von Nachrichten und Meinungen wird, die weltweit gelesen werden können? Unser ganzes System hat sich verändert. Da brauchen wir ein neues Gefühl für Verantwortung.
Das klingt nun reichlich abstrakt. Im Unterricht lenken Smartphones doch zunächst einmal ab und schleifen die Nerven vieler Lehrer.
Ach, was hatte ich einst nicht alles in der Schule dabei, was mich ablenkte? Es kommt darauf an, wie man das steuert. Man muss das Handy zum Teil der Bildung machen, es als Gerät nutzen, um an Informationen zu kommen. Es muss Momente geben, in denen die Lehrkraft sagt: Jetzt nehmt eure Handys raus und recherchiert etwas zu einem bestimmten Thema!